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8 Ob 70/18d; OGH; 29. Mai 2018
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** AG *****, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Olischar, MBA, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Esther Lenzinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21. Februar 2017, GZ 40 R 305/17z-41, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung
Der aus dem Jahr 1912 stammende Mietvertrag sieht das Recht des Mieters vor, „die in Bestand genommenen Lokalitäten ganz oder teilweise in Afterbestand zu geben, jedoch nur nach vorheriger Genehmigung des Hauseigentümers, welche ohne gegründete Ursache nicht verweigert werden darf“. Die beklagte Mieterin betrieb seit den 1960er Jahren in den Räumlichkeiten einen Pelzhandel. Im Jahr 1988 stellte sie diesen ein und besprach mit der Hausverwaltung ein Angebot von A***** H*****, einen Teil des Bestandobjekts an ihn unterzuvermieten, wobei sie sein Offert offenlegte. Es wurde vereinbart, dass die Beklagte „auf Basis dessen, was A***** H***** an Untermietzins zahlen soll, einen neuen Mietzins entrichten soll“. Der Hausverwaltung war bekannt, dass die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Untervermietung an A***** H***** ihre Einkünfte einzig aus der Untervermietung beziehen würde. Wie viele Einnahmen die Beklagte aus der Untervermietung erzielen darf, war kein Thema. Es wurde hierauf im Februar 1989 der Beklagten die Untervermietung schriftlich gestattet und – versehen mit einer Wertsicherung – der Hauptmietzins neu festgelegt.
Im Jahr 2009 vermietete die Beklagte einen Teil der Lokalitäten um ca EUR 2.800,– monatlich an die Nebenintervenientin. Der auf diese untervermietete Fläche entfallende Teil des Hauptmietzinses betrug EUR 1.153,51. Seit Oktober 2009 war der Hausverwaltung die Untervermietung an die Nebenintervenientin, nicht aber der von dieser entrichtete Untermietzins bekannt. Sowohl die Beklagte als auch die Nebenintervenientin verweigerten ihr die Übermittlung einer Kopie des Untermietvertrags.
Thema des Revisionsverfahrens ist allein, ob die Klägerin 1988/1989 schlüssig auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 4 Fall 2 MRG (Untervermietung zu einem unverhältnismäßigen Untermietzins) verzichtet hat. Die Ansicht der Vorinstanzen, hier sei kein Verzicht anzunehmen, hält sich entgegen der Ansicht der Beklagten in ihrer Zulassungsbeschwerde im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer Überschreitung des Hauptmietzinses durch den Untermietzins um 100 % oder mehr der in Rede stehende Kündigungstatbestand jedenfalls erfüllt (RIS-Justiz RS0068141 [T2, T19]; 9 ObA 83/17x). Eine solche Überschreitung liegt – von der Beklagten in dritter Instanz nicht mehr in Zweifel gezogen – aufgrund der Untervermietung an die Nebenintervenientin vor.
2.1. Ein nicht ausdrücklich erklärter Ausschluss des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 4 Fall 2 MRG kann nur dann angenommen werden, wenn der Mieter das Bestandobjekt mit Zustimmung des Vermieters ausdrücklich in der (dem Vermieter bekannten) Absicht gemietet hat, aus der Untervermietung unzulässige Einkünfte zu erzielen, oder es sonst zwischen den Partnern des Mietvertrags nach den Umständen klar war, dass der Vermieter gegen die Erzielung erheblicher Vorteile aus der Untervermietung des Bestandgegenstands keinen Einwand habe (8 Ob 514/85 = MietSlg 37.418; 10 Ob 2/16s [in Punkt 4.3.1]; RIS-Justiz RS0070479). Aus der bloßen Gestattung der Untervermietung kann dieser Schluss nicht gezogen werden (1 Ob 729/78 = MietSlg 30.387; 8 Ob 514/85 = MietSlg 37.418). Die Gestattung der Untervermietung allein gibt dem Mieter mit anderen Worten nicht das Recht, aus der Untervermietung einen unverhältnismäßig hohen Vorteil zu ziehen (RIS-Justiz RS0070583).
2.2. Durch § 30 Abs 2 Z 4 Fall 2 MRG soll verhindert werden, dass der Hauptmieter unter Ausnützung des Mieterschutzes einen ihm nicht zustehenden Gewinn erzielt; der Hauptmieter soll keinen unbilligen Vorteil ziehen (RIS-Justiz RS0070606).
Ein angemessener Gewinn (Verzinsung seines eingesetzten Kapitals) für die erbrachten Sachleistungen steht ihm jedoch zu (RIS-Justiz RS0070606 [T1]; 3 Ob 13/18k [in Punkt 3.3.2.]). Aus der dem Vermieter bekannten Tatsache, dass der Mieter mit der Untervermietung einen Gewinn macht, kann daher noch nicht geschlossen werden, dass er auch mit einem iSd § 30 Abs 2 Z 4 Fall 2 MRG unverhältnismäßigen Gewinn einverstanden ist und folglich auf diesen Kündigungsgrund verzichtet. Ein konkludenter Verzicht des Vermieters auf den Kündigungsgrund kann jedenfalls so lange nicht angenommen werden, als der Vermieter von der Höhe des tatsächlich geleisteten Untermietzinses nicht erfahren hat (RIS-Justiz RS0070551 [T1]).
2.3. Eine Erkundungspflicht hinsichtlich der zur Verwirklichung des Kündigungstatbestands tauglichen Fakten trifft den Vermieter nicht (RIS-Justiz RS0070551 [T2]). Bei der Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, ist besondere Vorsicht geboten (RIS-Justiz RS0014420 [T1]; RIS-Justiz RS0014190 [T1]). Im Zweifel ist ein konkludenter Verzicht des Vermieters auf das Kündigungsrecht nicht anzunehmen. Die Beweislast für das Vorliegen eines solchen Verzichts trifft den Mieter (RIS-Justiz RS0102001).
3. Hier hat die Klägerin 1988/1989 nicht generell eine Untervermietung, zu welchen Bedingungen diese auch immer erfolgen möge, gestattet, sondern allein die damals konkret an sie herangetragene Untervermietung an A***** H*****. Mag auch damals kein Thema gewesen sein, wie viele Einnahmen die Beklagte aus der Untervermietung erzielen darf, und mag der Klägerin auch bekannt gewesen sein, dass die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Untervermietung an A***** H***** ihre Einkünfte einzig aus der Untervermietung beziehen würde, spricht doch die vereinbarte Neufestsetzung des Hauptmietzinses „auf Basis dessen, was A***** H***** an Untermietzins zahlen soll“, erheblich dagegen, dass die Klägerin sich auch mit einem unverhältnismäßigen Untermietzins – also einen solchen, wie er 2009 zwischen der Beklagten und der Nebenintervenientin vereinbart wurde – einverstanden erklären wollte. Es wäre an der Beklagten gelegen gewesen zu behaupten und zu beweisen, dass bereits der von A***** H***** offerierte Untermietzins in Hinsicht auf den auf Basis desselben neu festgesetzten Hauptmietzins iSd § 30 Abs 2 Z 4 Fall 2 MRG unverhältnismäßig war, somit die Klägerin damals einen unverhältnismäßigen Untermietzins akzeptierte und damit konkludent auf den Kündigungsgrund verzichtete. Der Beweis bloß der Kenntnis der Klägerin bzw der Hausverwaltung vom Übersteigen des Hauptmietzinses durch den Untermietzins reicht nicht; ebensowenig, dass die Klägerin bzw die Hausverwaltung bereits seit Jahren auch von der Untervermietung an die Nebenintervenientin wusste (ohne aber in Kenntnis der Höhe des Untermietzinses gewesen zu sein). Die Verneinung des Verzichts auf eine Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 4 Fall 2 MRG durch die Vorinstanzen ist jedenfalls vertretbar.
4. Weil es der Beklagten nicht gelingt, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, ist die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen.
5. Für die ohne Freistellung eingebrachte Revisionsbeantwortung steht der Klägerin gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO kein Kostenersatz zu.
Leitsätze
-
Über den konkludenten Verzicht auf den Kündigungsgrund der unverhältnismäßigen Untervemietung
Ein Mietvertrag kann vom Vermieter aufgrund einer Untervermietung zu einem unverhältnismäßigen Untermietzins gekündigt werden, außer er hat darauf verzichtet. Eine Zustimmung zu einer Untervermietung in einem konkreten Fall ist kein generelles Einverständnis, genauso wenig wie das bloße Wissen über einen Gewinn des Hauptmieters durch die Untervermietung einen konkludenten Verzicht auf den Kündigungsgrund bedeutet, außer es herrscht Klarheit über den unverhältnismäßigen Gewinn.WEKA (api) | Judikatur | Leitsatz | 8 Ob 70/18d | OGH vom 29.05.2018 | Dokument-ID: 1008620