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4 Ob 162/20g; OGH; 20. Oktober 2020
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Mag. B***** R*****, 2) K***** R*****, und 3) C***** A*****, alle vertreten durch Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dipl.-BW (FH) S***** R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Hauptmann, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 19. Juni 2020, GZ 22 R 84/20m-25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 19. Februar 2020, GZ 15 C 541/18h-21, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 433,74 (darin enthalten EUR 72,29 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
Die Streitteile sind jeweils zu 1/4 ideelle Miteigentümer einer Liegenschaft samt darauf errichtetem Einfamilienhaus in Salzburg. Dabei handelt es sich um das Elternhaus der Streitteile. Nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin ist der Beklagte im Jahr 2013 wieder in dieses Haus gezogen, wo er das Obergeschoss bestehend aus drei Zimmern, einem Raum mit Küche sowie Dusche und WC mit einer Wohnnutzfläche von 60 m² bewohnt. Die Kläger, die – so wie der Beklagte – bereits damals Miteigentümer der Liegenschaft waren, hatten gegen diese Nutzung der Räumlichkeiten durch den Beklagten keinen Einwand. Nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter fragte der Beklagte die Drittklägerin, ob er nun ausziehen müsse, was diese mit den Worten „vorläufig nicht“ beantwortete. Im Februar 2019 übersiedelte die Mutter der Streitteile in ein Seniorenheim. Seit diesem Zeitpunkt benützt der Beklagte die Liegenschaft alleine.
Die Kläger beabsichtigten nunmehr, die Liegenschaft im Wege der Vermietung zu nutzen, um dadurch die Instandhaltungs- und Sanierungsarbeiten zu finanzieren. Im Haus bestehen keine getrennten Wohneinheiten, die einer getrennten Vermietung zugänglich sind.
Die Kläger begehrten, den Beklagten schuldig zu erkennen, die von ihm bewohnten Räumlichkeiten auf der gemeinsamen Liegenschaft wegen titelloser Benützung geräumt zu übergeben. Der Beklagte benütze die Liegenschaft derzeit alleine. Zunächst hätten sie bis auf Widerruf keine Einwände gegen diese Nutzung gehabt. In der Folge hätten sie die Bittleihe jedoch widerrufen, weil das Haus vermietet werden solle.
Der Beklagte entgegnete, dass er die fraglichen Räumlichkeiten nicht aufgrund einer Bittleihe, sondern aufgrund seines Miteigentums bewohne.
Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Zwischen den Streitteilen bestehe keine Benützungsvereinbarung, auch eine Benützungsregelung durch den Außerstreitrichter sei nicht getroffen worden. Da die Kläger die Duldung der Nutzung durch den Beklagten widerrufen hätten, habe dieser kein Recht auf ausschließliche Benützung der Liegenschaft. Seine Wohnsitznahme stehe dem Gebrauchsinteresse der Kläger entgegen, das in der Vermietung der Liegenschaft bestehe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Räumungsbegehren ab. Solange kein Gebrauchsinteresse der anderen Miteigentümer bestehe, sei die Benützung der gemeinschaftlichen Sache durch nur einen Miteigentümer nicht titellos. Nach dem Widerspruch der Kläger habe zwischen den Streitteilen zwar „Uneinigkeit“ iSd § 828 Abs 1 Satz 2 ABGB bestanden. Im Anlassfall sei jedoch entscheidend, dass der Beklagte keine Veränderung der Benützungsverhältnisse und damit keine eigenmächtige Störung des ruhigen Besitzstands der Kläger vorgenommen habe. Der bloße Widerruf der bisherigen Gebrauchsordnung mache den Beklagten noch nicht zum titellosen Besitzer der von ihm beanspruchten Räumlichkeiten. Das Räumungsbegehren sei daher nicht berechtigt. Gleichzeitig sprach das Berufungsgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000,– übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei; der Oberste Gerichtshof habe sich mit der Frage, ob die übrigen Miteigentümer ab dem Widerruf der bisherigen faktischen Gebrauchsordnung berechtigt seien, vom allein nutzenden Miteigentümer die Räumung der gemeinsamen Sache zu verlangen, bisher nicht befasst.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zu den sich auf den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts beziehenden Ausführungen des Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung ist darauf hinzuweisen, dass der Ausnahmetatbestand des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO nach der Rechtsprechung dann nicht erfüllt ist, wenn die Räumungsklage zwischen Miteigentümern – wie hier – auf titellose Benützung gestützt wird (vgl 6 Ob 105/13d).
Entgegen den Ausführungen des Beklagten haben die Kläger die Räumungsklage auch nicht bewertet, sondern nur die Bemessungsgrundlagen nach dem RATG und dem GGG angeführt. Für das Berufungsgericht bestand im Anlassfall keine zwingende Bewertungsvorschrift (vgl RIS-Justiz RS0119818). Es liegt auch keine offenkundige Überbewertung vor (vgl 4 Ob 144/20k). Derartiges vermag der Beklagte auch nicht näher zu begründen.
2. Soweit die Kläger in ihrer Revision auf § 838a ABGB Bezug nehmen, missverstehen sie die Ausführungen des Berufungsgerichts. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Rechtsprechung den Miteigentümern untereinander im Fall der Verletzung der bisherigen Gebrauchsordnung den streitigen Rechtsweg eröffnet. Die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs (zum Räumungsbegehren zwischen Miteigentümern wegen titelloser Benützung siehe 1 Ob 213/07s; 10 Ob 53/08; vgl auch RS0013639 und 1 Ob 204/14b) ist von der inhaltlichen Berechtigung des geltend gemachten Räumungsanspruchs zu unterscheiden.
3. Die Argumentation der Kläger, der Beklagte habe mit Auszug der Mutter aus dem Haus eine eigenmächtige Veränderung der bisherigen Nutzungsverhältnisse vorgenommen, weil das Wohnungsgebrauchsrecht der Mutter erloschen sei, ist nicht nachvollziehbar. Der Beklagte leitet seine Nutzungsrechte nicht aus einem Wohnungsgebrauchsrecht seiner Mutter, sondern aus seinem Anteilsrecht als Miteigentümer der Liegenschaft ab.
Gleiches gilt für die Ausführungen der Kläger zur Interessenbeeinträchtigung wegen angeblich nachteiligen Gebrauchs durch den Beklagten. Darin, dass sich einmal auf dem Boden des vom Beklagten benützten Badezimmers Hundekot befand, liegt kein relevanter Eingriff in die Anteilsrechte der Kläger vor.
4. Die Kläger führen in ihrer Revision weiters aus, dass nach Vonkilch (in wobl 2006, 138 ff) bei übermäßigem Gebrauch durch einen Miteigentümer den anderen beeinträchtigten Miteigentümern zur Wahrung ihrer Anteilsrechte die Räumungsklage zustehe. Dazu ist für den Anlassfall konkret die Frage zu klären, ob die nicht benützenden Miteigentümer, die die gemeinsame Sache vermieten wollen, nach Widerruf des übermäßigen Gebrauchs durch den (hier) allein benützenden Miteigentümer von diesem die Räumung der gemeinsamen Sache wegen titelloser Benützung verlangen können.
4.1 Grundsätzlich hat jeder Miteigentümer Anspruch auf eine annähernd seinem Miteigentumsanteil entsprechende Nutzung der gemeinsamen Sache, wenn er auch einen persönlichen Bedarf an einer solchen Nutzung hat (RS0013612; RS0013575; 4 Ob 221/17d). Bei bloß beschränkter Gebrauchsmöglichkeit darf ein Miteigentümer auch ohne Vereinbarung mit den anderen jeden Gebrauch von der Sache machen, durch den er den konkreten Gebrauch der anderen nicht stört (RS0013197; RS0013211; 9 Ob 85/00s). Solange keine Gebrauchsstörung der anderen Miteigentümer vorliegt, steht ihm daher auch das Recht zur ausschließlichen Benützung der Sache oder eines Teiles zu (RS0112571).
Haben allerdings auch andere Miteigentümer einen konkreten Gebrauchswunsch, so kann ein ausschließliches oder übermäßiges Benützungsrecht zu Gunsten eines Miteigentümers nur durch eine vertragliche Regelung (Benützungsvereinbarung, Miete oder Prekarium) oder eine Benützungsregelung des Außerstreitrichters eingeräumt werden (RS0013399). Besteht eine solche Regelung, so führt nur die eigenmächtige Ausweitung des Gebrauchs zu einem rechtswidrigen Eingriff in die Anteilsrechte der anderen Miteigentümer (RS0123177).
4.2 Im Anlassfall besteht keine (vertragliche oder richterliche) Benützungsregelung. In einem solchen Fall kann ein rechtswidriger Eingriff in die Anteilsrechte der anderen Miteigentümer nach den dargelegten Grundsätzen nur dann vorliegen, wenn ein tatsächlicher Gebrauch oder konkreter Gebrauchswunsch anderer Miteigentümer besteht, weil ohne Gebrauchsstörung selbst ein alleiniger Gebrauch nicht in die Anteilsrechte der anderen Miteigentümer eingreift und daher nicht rechtswidrig ist.
4.3 Die Kläger haben den alleinigen Gebrauch des Hauses durch den Beklagten widerrufen, weil sie das Haus vermieten wollen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es sich dabei um einen konkreten Gebrauchswunsch der Kläger handelt. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit dieser Frage bereits beschäftigt:
In der Entscheidung zu 4 Ob 269/99h wurde der Räumungsanspruch der nicht benützenden Miteigentümer, die das gemeinschaftliche Haus verkaufen wollten, mit der Begründung verneint, dass der Verkauf keine Sachbenützung sei, die der beklagte Miteigentümer durch seine Benützung stören könnte.
In der Entscheidung zu 6 Ob 119/04z führte der Oberste Gerichtshof zwar aus, dass die Absicht der Kläger, die Wohnung gewinnbringend zu vermieten, im hier gegebenen Zusammenhang für die Annahme eines konkreten Gebrauchs ausreiche. Dazu wurde allerdings auf die Besonderheiten dieses Vergleichsfalls hingewiesen, die darin bestanden, dass der Beklagte die Wohnung zunächst aus seiner familienrechtlichen Stellung zur Großmutter ableitete, die die fragliche Wohnung aufgrund einer Benützungsvereinbarung benützte, die mit ihrem Tod weggefallen war; nach dem Tod der Großmutter berief sich der Beklagte auf ein vertragliches Gebrauchsrecht, das er von seiner Mutter als Minderheitseigentümerin ableitete. In dieser Situation vertrat der Oberste Gerichtshof den Standpunkt, dass ausgehend von der Entscheidung zu 4 Ob 269/99h nur eine gegen die Minderheitseigentümerin selbst gerichtete Räumungsklage unberechtigt wäre. An der Berechtigung der Räumungsklage gegen den Beklagten, der die Wohnung aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit seiner Mutter als Minderheitseigentümerin benütze, ändere dies aber nichts, weil die Minderheitseigentümerin ohne Zustimmung der Mehrheit keinen die anderen Miteigentümer bindenden vertraglichen Gebrauchstitel schaffen könne.
In dem der Entscheidung zu 1 Ob 213/07s zugrunde liegenden Fall betrieben die Streitteile im selben Haus getrennte Rechtsanwaltskanzleien. Der Oberste Gerichtshof hielt dazu allgemein fest, dass ohne Beanspruchung eines konkreten Gebrauchs durch den klagenden Miteigentümer keine titellose Benützung der anderen Miteigentümer vorliege. Der sich beschwert erachtende Miteigentümer müsse die Nutzung einvernehmlich oder gerichtlich regeln lassen (RS0013185). In diesem Vergleichsfall wurde das Räumungsbegehren mit der Begründung abgewiesen, dass der Titel zur Benützung der strittigen Räumlichkeiten durch den Beklagten in seiner Hälfte-Miteigentümerschaft liege. Eine eigenmächtige Veränderung der bisherigen Benützungsverhältnisse durch den Beklagten liege nicht vor. Auf einen übermäßigen Gebrauch durch den faktisch nutzenden Miteigentümer deute nichts hin. Ein Räumungsanspruch des klagenden Miteigentümers bestehe daher nicht.
4.4 In der Literatur vertritt Vonkilch (Zur [Un-]Rechtmäßigkeit übermäßigen Gebrauchs der gemeinsamen Sache durch den Miteigentümer, wobl 2006, 138) die Ansicht, den Interessen aller Beteiligten trage angemessen Rechnung, von einer Rechtmäßigkeit eines übermäßigen Gebrauchs der gemeinsamen Sache bzw von Teilen derselben durch einen der Miteigentümer ausschließlich so lange auszugehen, als darüber zwischen den Miteigentümern keine „Uneinigkeit“ im Sinn von § 828 ABGB herrsche. Sollte jedoch der übermäßige Gebrauch bei einem (oder mehreren) der übrigen Miteigentümer auf Widerstand stoßen, so sei der übermäßige Gebrauch der gemeinsamen Sache durch einen Miteigentümer nicht mehr rechtmäßig. Irrelevant sei, ob dieser Widerstand gegenüber dem übermäßigen Gebrauchenden ausdrücklich oder konkludent, etwa durch die Äußerung des Wunsches nach angemessener Teilhabe an der Nutzung, durch das Erheben der Forderung nach Leistung eines Benützungsentgelts oder durch das Einbringen einer Räumungsklage erklärt werde. Durch diese Verhaltensweisen brächte ein Miteigentümer seine fehlende Zustimmung zum status quo und damit zugleich seine Einforderung der Beachtung auch seines Anteilsrechts und der daraus entspringenden Befugnisse zum Ausdruck. Ab dem Widerspruch der übrigen Miteigentümer stünden ihnen alle Klagen aus dem Anteilsrecht zu.
Böhm (in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.01 § 828 Rz 31) führt unter Hinweis auf Vonkilch aus, dass schon mit dem – wie auch immer artikulierten – Widerspruch eines anderen Teilhabers „Uneinigkeit“ iSd § 828 Abs 1 Satz 2 ABGB vorliege und der Gebrauch daher rechtswidrig werde, soweit nicht der Widersprechende kraft Benützungsvereinbarung bzw Benützungsregelung oder aufgrund sonstiger schuldrechtlicher Bindung zu dessen Duldung verpflichtet sei. Es sei Sache des oder der am übermäßigen Gebrauch Interessierten, eine diesbezügliche Einigung oder Regelung im Außerstreitverfahren herbeizuführen.
Sailer (in KBB6 §§ 839–840 ABGB Rz 1) hält im Anschluss an Vonkilch fest, dass ab dem Widerspruch eines anderen Teilhabers die übermäßige Nutzung mangels Einigkeit im Sinn des § 828 Abs 1 ABGB nicht mehr rechtmäßig sei, weshalb die Forderung anteiligen Benützungsentgelts jedenfalls ab Klagszustellung berechtigt sei.
Oberhofer (Anspruch des Miteigentümers auf Benützungsentgelt auch für die Vergangenheit? wobl 2004, 209) meint, dass nicht einzusehen sei, warum bei Fehlen einer Benützungsregelung ein Miteigentümer andere durch tatsächliche (übermäßige) Benützung in deren Gebrauchsrechten beschränken könne, ohne dafür eine Entschädigung zu schulden. Ein übermäßiger Gebrauch ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer sei nicht rechtmäßig. Das Gebrauchsrecht jedes Miteigentümers finde nicht erst im konkreten Gebrauch, sondern schon im Gebrauchsrecht und damit in der abstrakten Gebrauchsmöglichkeit der anderen Teilhaber seine Schranke. Sobald der oder die anderen vom übermäßigen Gebrauch eines Miteigentümers Kenntnis erlangten, hätten sie diesen zur Gebrauchseinschränkung aufzufordern, wenn sie damit nicht einverstanden seien. Dann gebühre den Verkürzten bereits für die Zeit ab der übermäßigen Nutzung eine Vergütung.
Pittl/Steiner (Rechtsnatur und Rechtsfolgen des Widerspruchs eines schlichten Miteigentümers gegen die übermäßige Nutzung durch einen anderen Miteigentümer, wobl 2013, 8) stehen hingegen auf dem Standpunkt, dass eine Einschränkung des Gebrauchsrechts nur dort bestehen könne, wo andere Miteigentümer von ihrem tatsächlichen Gebrauch abgehalten würden.
4.5 Wie insbesondere die Ausführungen von Oberhofer und Sailer zeigen, ist im gegebenen Zusammenhang zwischen einem Anspruch auf Räumung der gemeinsamen Sache wegen titelloser Benützung einerseits und auf Benützungsentgelt andererseits zu unterscheiden. Die Ausführungen von Vonkilch ändern nichts daran, dass ohne Äußerung eines Gebrauchswunsch durch den widersprechenden Miteigentümer keine Störung seines konkreten Gebrauchs vorliegen kann. Der besondere Sachverhalt der von ihm ins Treffen geführten Entscheidung zu 6 Ob 119/04z ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar (vgl dazu auch 1 Ob 213/07s). Der Ansicht von Vonkilch, dass der Widerstand eines Miteigentümers den übermäßigen Gebrauch rechtswidrig mache, ist daher nur unter der Voraussetzung zuzustimmen, dass der widersprechende Miteigentümer einen konkreten Gebrauchswunsch zur Sachbenützung äußert. Der bloße Wunsch, die gemeinschaftliche Sache zu vermieten, erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Damit liegt ohne Beanspruchung einer Sachbenützung durch den oder die Kläger kein rechtswidriger Eingriff in die Anteilsrechte und damit keine titellose Benützung durch den die gemeinsame Sache alleine oder übermäßig benützenden anderen Miteigentümer vor. Ohne Gebrauchswunsch hat der Kläger in einem solchen Fall nur ein Recht auf Benützungsentgelt (2 Ob 248/08x = wobl 2010/108 [Vonklich] = immolex 2010/3 [Prader]; 8 Ob 127/11a; 7 Ob 86/13t).
5. Im Anlassfall besteht kein konkreter Wunsch der Kläger zum eigenen Gebrauch der gemeinsamen Sache. Der alleinige bzw übermäßige Gebrauch durch den Beklagten führte trotz Widerspruchs der Kläger nicht zu einem rechtswidrigen Eingriff in deren Anteilsrechte. Mangels titelloser Benützung durch den Beklagten hat das Berufungsgericht das Räumungsbegehren zu Recht abgewiesen. Der Revision der Kläger war damit der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Leitsätze
-
Besteht ein Räumungsanspruch bei übermäßiger Nutzung wegen „bloßen Vermietungswunsches“?
Der bloße Wunsch, die gemeinschaftliche Sache zu vermieten, stellt keinen konkreten Gebrauchswunsch zur Sachbenützung des widersprechenden Miteigentümers dar, weshalb kein rechtswidriger Angriff in die Anteilsrechte durch den die gemeinsame Sache alleine oder übermäßig benützenden anderen Miteigentümer vorliegt. Ohne Gebrauchswunsch besteht nur ein Recht auf Benutzungsentgelt, nicht aber ein Räumungsanspruch.Bettina Slamanig | Judikatur | Leitsatz | 4 Ob 162/20g | OGH vom 20.10.2020 | Dokument-ID: 1084784