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Judikatur | Entscheidung

5 Ob 177/16i; OGH; 25. Oktober 2016

GZ: 5 Ob 177/16i | Gericht: OGH vom 25.10.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Mag. K***** F*****, 2. M***** B*****, beide vertreten durch Mag. Helmut Marschitz und Dr. Harald G. Beber, Rechtsanwälte in Mistelbach, gegen die Antragsgegnerin Gemeinnützige Bau- und Wohnungsgenossenschaft „W*****“ eGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 2a WGG iVm § 15e Abs 2 WGG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Juli 2016, GZ 39 R 94/16m-8, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 19. Februar 2016, GZ 9 MSch 14/15g-4, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsteller sind schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit EUR 368,95 (darin enthalten EUR 61,49 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Die Antragsgegnerin, eine gemeinnützige Bauvereinigung, ist unter anderem Eigentümerin von 88/16363-Anteilen der Liegenschaft EZ ***** KG *****, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung Nr 2002 verbunden ist. Die Wohnhausanlage wurde von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet und erstmals im Jahr 2004 bezogen. Wohnungseigentum wurde im Jahr 2013 begründet. Die Antragsgegnerin ist nicht Eigentümerin sämtlicher mit Wohnungseigentum verbundenen Anteile. Die Antragsteller sind seit 2009 Nutzungsberechtigte der genannten Wohnung. Sie verlangten von der Antragsgegnerin, nachträglich Wohnungseigentum an diesem Objekt zu übertragen und eine Fixpreisvereinbarung anzubieten. Die Antragsgegnerin lehnte dies ab.

Die Antragsteller begehren in dem bei der Schlichtungsstelle im Juni 2015 eingeleiteten Verfahren nach § 15e Abs 2 iVm § 15d Abs 2 und 3 WGG die Festsetzung des Preises für die nachträgliche Übertragung ihrer Wohnung in das Wohnungseigentum.

Die Antragsgegnerin wendet ein, ein Mieter könne im Fall eines Folgebezugs (§ 15c lit a Z 2 WGG) erst nach 10-, höchstens aber nach 15-jähriger Dauer seines Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrags die nachträgliche Übertragung des Objekts in sein Wohnungseigentum beantragen. Diese Frist habe noch nicht begonnen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Festsetzung des Kaufpreises ab. § 15c lit a WGG differenziere bezüglich des Anspruchs auf Übertragung von Wohnungseigentum zwischen Erstmieter (Z 1) und Folgemieter (Z 2). Für den Folgemieter entstehe nach 10-, höchstens aber 15-jähriger Dauer seines Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrags (§ 15e Abs 1 lit b WGG) unter bestimmten Voraussetzungen ein Übertragungsanspruch. Für die Ermittlung der 10-jährigen Vertragsdauer sei ausschließlich die Dauer der Nutzung durch den Folgemieter selbst und nicht jene durch die Vormieter in Anschlag zu bringen. Da die Antragsteller das Objekt seit 2009 nutzten, sei das gesetzliche Erfordernis einer 10-jährigen Nutzungsdauer noch nicht erfüllt.

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluss der ersten Instanz und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Mit dem Begriff „erstmaligen Überlassung“ in § 15c lit a Z 1 WGG könne nur der Erstmieter gemeint sein. In § 15c lit a Z 2 WGG finde sich der Terminus „spätere Überlassung“. Wenn man berücksichtige, dass mit „erstmalig“ grundsätzlich im Bereich des WGG tatsächlich ausschließlich die erste Nutzung/Überlassung gemeint sei, und auch dies im Zusammenhang mit dem Terminus „erstmalige Überlassung“ iSd § 39 Abs 30 lit a erster Fall WGG zu lesen sei, da die Berechnung des Fixpreises anhand der Herstellungskosten nur im Fall des § 15c lit a Z 1 vorgesehen sei, sprechen bereits diese Umstände dafür, dass auch mit dem Begriff der „erstmaligen Überlassung“ nur der Erstmieter gemeint sein könne. § 15c lit a Z 1 WGG stelle überdies – wie auch § 15e Abs 1 lit a verdeutliche – ausschließlich auf die erstmalige Überlassung nach dem erstmaligen Bezug ab. Die erstmalige Überlassung nach dem (erstmaligen) Bezug sei aber schon begrifflich nur einmal und nicht mehrmals möglich, gegebenenfalls bedürfe es aber dafür keines 10-jährigen Mietverhältnisses für den Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs, da es eben nur auf den erstmaligen Bezug der Baulichkeit und nicht der konkreten Wohnung ankomme.

Selbst wenn man auch den historischen Willen des Gesetzgebers einer erleichterten Wohnungseigentumsbegründung ins Kalkül ziehe, so dürfe aber nicht außer Acht gelassen werden, dass letztlich auch das Telos des Gesetzes zu beachten sei. Nunmehr sollte – und davon könne ausgegangen werden – dem bisherigen Mieter die Möglichkeit eingeräumt werden, aufgrund der von ihm getätigten Leistungen (laufende Miete, insbesondere auch EVB, sowie insbesondere auch Finanzierungsbeitrag) einen Anspruch auf Erwerb von Wohnungseigentum zu erhalten, aber wohl kaum könne die Ermöglichung des Erwerbs von günstigem Wohnraum unter „Subventionierung“ des kaufwilligen Mieters angedacht gewesen sein. In diesem Zusammenhang werde der Anspruch auf eine Kaufoption ja auch an den nunmehr in § 15c WGG genannten Satz pro Quadratmeter gebunden, setze also eine nicht unerhebliche Eigenleistung in Form eines Finanzierungsbeitrags voraus. Wenn man hier weiter die Preisermittlung berücksichtigt, insbesondere die maßgeblichen Kriterien der §§ 15d, 23 Abs 4c, 39 Abs 30 WGG, so werde umso deutlicher, dass der bislang nutzende Mieter von seinen Leistungen profitieren sollte. Dies erfließe insbesondere aus § 23 Abs 4c WGG, da die Berücksichtigung der Rücklage nur insoweit erfolgen sollte, als es sich nicht um die noch vorhandenen Rücklagenbeiträge handle, die letztlich von den Mietern durch Bezahlung von EVB gespeist würden.

Für diese Auslegung spreche auch die Tatsache, dass mit der WRN 2000 die bisher vorgesehene „Anrechnungsmöglichkeit“ des kaufwilligen Mieters in Bezug auf Zeiträume seines Vorgängers in § 15d WGG durch Entfall des Wortes „insgesamt“ nicht fortgeschrieben worden sei. Gleichzeitig sei erstmals in § 15c lit a WGG zwischen erstmaliger und späterer Überlassung differenziert worden.

Berücksichtige man sohin, dass der Mieter begünstigt werden sollte, der seinerseits entsprechende Beitragsleistungen erbracht habe, so könne auch aufgrund der Äußerungen des Gesetzgebers, eine Vereinheitlichung des Regelungskomplexes und eine Klarstellung, wer, wann, wie oft und wie lange die Möglichkeit der Ausübung des Antragsrechts habe, herbeiführen zu wollen, § 15c lit a Z 1 WGG keine andere Bedeutung beigemessen werden, als die Differenzierung zwischen Erst- und Nachmieter.

Da das Nutzungsverhältnis der Antragsteller als Nachmieter noch nicht 10 Jahre gedauert habe, hätten sie keinen Anspruch auf Übertragung von Wohnungseigentum und damit auch keinen solchen auf Festsetzung des Kaufpreises.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil – soweit überblickbar – eine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob der Übertragungsanspruch des Nachmieters ohne Rücksicht auf die Dauer des Mietverhältnisses eines Vormanns erst nach 10-jähriger Mietdauer entstehe, nicht bestehe.

Der – beantworteteRevisionsrekurs der Antragsteller ist aus dem vom Rekursgericht angegebenen Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die hier relevanten Bestimmungen des WGG in der Fassung der Wohnrechtsnovelle (WRN) 2002, BGBl I 2001/162, lauten:

Nachträgliche Übertragung in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum)

§ 15b (1) Eine Bauvereinigung kann ihre Baulichkeiten, Wohnungen und Geschäftsräume nachträglich in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum) übertragen, wenn

a) die erste Überlassung in Miete oder sonstiger Nutzung erfolgt ist,

b) die Baulichkeit vor mehr als zehn Jahren erstmals bezogen worden ist,

c) die Bauvereinigung nicht bloß Bauberechtigte ist,

d) der Erwerber alle Verpflichtungen der Bauvereinigung, wie insbesondere von zur Finanzierung der Herstellung der Baulichkeit oder deren Erhaltung und Verbesserung gewährten Darlehen (anteilig) übernimmt,

e) der Preis nach § 23 angemessen ist.

Anspruch auf nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum

§ 15c Der Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigte hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15b einen Anspruch auf Übertragung der Wohnung (des Geschäftsraums) in das Wohnungseigentum:

a) Bei unter Zuhilfenahme öffentlicher Mittel errichteten Wohnungen (Geschäftsräumen), wenn die Förderung aufrecht ist und neben dem Entgelt nach dem 30. 6. 2000 ein Einmalbetrag im Ausmaß von mehr als 50 EUR pro Quadratmeter Nutzfläche eingehoben worden ist:

1. Aus Anlass der erstmaligen Überlassung zur Finanzierung von Grund- und/oder Baukosten, soferne die Zusicherung der öffentlichen Förderungsmittel nach dem 30. 6. 2000 erfolgt ist,

2. aus Anlass einer späteren Überlassung zur Finanzierung von Grundkosten, sofern bis zum Ablauf einer 10-jährigen Miet- oder Nutzungsdauer keine Umfinanzierung gemäß § 17a Abs 1 erfolgt ist,

b) aufgrund eines verbindlichen Angebots der Bauvereinigung, ….

Der Satz in der Höhe von 50 EUR gemäß lit a vermindert oder erhöht sich jeweils zum 1. April entsprechend den durchschnittlichen Änderungen des von der Statistik Österreich für das vorangegangene Jahr verlautbarten Verbraucherpreisindex 1996 oder eines an seine Stelle getretenen Index.

Preis bei nachträglicher Übertragung in das Wohnungseigentum

§ 15d (1) Für die nachträgliche Übertragung der Wohnungen oder Geschäftsräume in das Wohnungseigentum kann unter Bedachtnahme auf § 23 ein Fixpreis vereinbart werden.

Antrag auf nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum

§ 15e (1) Stellt ein Mieter oder sonstiger Nutzungsberechtigter in den Fällen

a) des § 15c lit a Z 1 nach Ablauf von zehn höchstens aber fünfzehn Jahren nach erstmaligem Bezug der Baulichkeit (eines nachträglich errichteten weiteren Miet-

oder Nutzungsgegenstands)

b) des § 15c lit a Z 2 nach 10-, höchstens aber 15-jähriger Dauer seines Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrags

einen Antrag auf nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum, hat die Bauvereinigung binnen drei Monaten eine Fixpreisvereinbarung gemäß § 15d schriftlich anzubieten ...

(2) Legt die Bauvereinigung kein fristgerechtes Angebot gemäß Abs 1, hat das Gericht über Antrag des Mieters oder sonstigen Nutzungsberechtigten den Preis unter sinngemäßer Anwendung des § 15d Abs 2 festzusetzen, soferne die Bauvereinigung auch über Aufforderung des Gerichts binnen eines weiteren Monats kein Angebot gelegt hat.

Übergangsbestimmungen

§ 39 (21) Die §§ 15b–f gelten, nach Maßgabe der Bestimmungen der Abs 21a und 21b, für alle Fälle einer nachträglichen Übertragung in das Eigentum (Miteigentum, Wohnungseigentum) nach dem 31. 12. 2001.

(21a) Der Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigte einer nach dem 31. 12. 1993 aus öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung (Geschäftsraum) erwirbt einen Anspruch auf nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum gemäß § 15c lit a Z 1, wenn die Bauvereinigung die auf seine Wohnung (Geschäftsraum) im Zeitpunkt des Bezugs der Baulichkeit entfallenden Grundkosten zum überwiegenden Teil innerhalb der ersten drei Jahre ab erstmaligem Bezug neben dem Entgelt eingehoben hat. Bei einer nach dem 31. August 1999 bis zum 30. Juni 2000 aus öffentlichen Mitteln geförderten Wohnung beträgt diese Frist fünf statt drei Jahre; überdies darf die Bauvereinigung für einen Übertragungsanspruch verhindernde Stundungen während der ersten fünf Jahre die Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten keine Zinsen verrechnen.“

2. Es ist die vom Obersten Gerichtshof noch nicht beantwortete und im Schrifttum umstrittene Frage zu klären, ob § 15c lit a Z 1 und § 15e Abs 1 lit a WGG ausschließlich auf den ersten Mieter oder Nutzungsberechtigten anzuwenden sind. Zur Vereinfachung werden im folgenden Text auch Nutzungsberechtigte als Mieter und Nutzungsverträge als Mietverträge bezeichnet.

3.1 Österreicher/Sommer (Die Liebe zu den Modellen, wobl 2010, 191 f; Die Liebe zu den Modellen II, FS Würth [2014] 162 ff) vertreten zu dieser Streitfrage die „Zwei Modelle – Interpretation“. Das Modell 1 (§ 15c lit a Z 1 iVm § 15e Abs 1 lit a WGG) stelle aus Sicht des historischen Gesetzgebers auf den zukünftigen Neubau und dessen Finanzierung mit Mietereinmalbeiträgen zu den Grund- und/oder Baukosten und grundsätzlich auf den optionsbegründenden „Erstbezug“ der Baulichkeit ab. Für den Erstmieter oder den jeweiligen Folgemieter bestehe objektbezogen vom 11. Jahr ab Erstbezug bis zum Ablauf des 15. Jahres die Möglichkeit einer Antragstellung auf Begründung von Wohnungseigentum bzw Einräumung von Wohnungseigentum. Das Modell 2 (§ 15c lit a Z 2 iVm § 15e Abs 1 lit b WGG) stelle hingegen auf den „nicht optionsbelasteten“ Altbestand, die in diesem zukünftig erfolgenden Mieterwechsel und die zu diesem Anlass allfällig zu leistenden Mietereinmalbeiträge zu den Grundkosten ab. Für den jeweiligen Mieter bestehe subjektbezogen ab dem 11. Jahr bis zum Ende des 15. Jahres seines Mietvertrags die Möglichkeit einer Antragstellung. Modell 2 betreffe im Unterschied zu Modell 1 sohin Baulichkeiten, wofür die Bauvereinigung historisch eine bestimmte Finanzierungsstruktur gewählt habe, ohne zu diesem Zeitpunkt die später (ab WRN 2000) damit einhergehenden Folgen (diesfalls eben besondere Mieterrechte im Hinblick auf nachträgliches Wohnungseigentum) zu kennen. Anders als bei Modell 1 werde ihr daher, um einem Kontrahierungszwang zu entgehen, die Möglichkeit einer vorherigen Umfinanzierung gesetzlich ausdrücklich ermöglicht.

Hinweise für ihre These sehen die genannten Autoren darin, dass das zweite Modell nur eine Folgeregelung zu § 15d WGG idF der WRN 2000 darstelle und § 15c lit a Z 1 WGG ausdrücklich auf Einmalbeträge zu den Grund- und/oder Baukosten, die Z 2 hingegen ausdrücklich auf solche nur zu den Grundkosten abstelle. Diese ausschließlich auf dem Umstand eines Mieterwechsels beruhende Differenzierung innerhalb eines Modells sei nicht erklärbar, zumal sich an der Finanzierungsstruktur der Baulichkeit ja grundsätzlich nichts geändert habe.

3.2 Rudnigger (in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht2 § 15c WGG Rz 3) schließt sich dieser „Zwei-Modellthese“ ohne Auseinandersetzung mit gegenteiligen Meinungen an.

3.3 Bei Prader (WGG3 § 15c Anm 3), Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 WGG § 15c Rz 3 und Würth in Rummel3 § 15 WGG Rz 2 f) findet sich die Auffassung, dass für den Nachmieter ein Übertragungsanspruch erst nach einer 10-jährigen Mietdauer ohne Rücksicht auf die Dauer des Mietverhältnisses eines Vormanns entsteht.

3.4 Ausführlich befassen sich Prader/Pittl (zur Kaufoption des Nachmieters nach Wohnungsgemeinnützigkeit – und Wohnbauförderungsrecht, wobl 2014, 229 ff) mit der Differenzierung zwischen Erstmieter und Nachmieter. Ihre Überlegungen zur Auslegung der Begriffe erstmalige und spätere Überlassung sowie zur Beseitigung der vorgesehenen „Anrechnungsmöglichkeit“ (der Vormietzeiten) des kaufwilligen Mieters mit der WRN 2000 finden sich praktisch wörtlich in der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts, auf die verwiesen wird. Die genannten Autoren halten der Differenzierung Österreichers/Sommers (aaO) nach Neubestand (§ 15c lit a Z 1) und Altbestand (§ 15c lit a Z 2) die spezielle Übergangsregelung in § 39 Abs 21a WGG idF der WRN 2002 entgegen: Wäre § 15c lit a Z 1 nur auf Neuverträge anzuwenden, wofür sollte sich dann in § 39 Abs 21a ein Verweis auf diese Bestimmung finden. Für alle von § 39 Abs 21a nicht umfassten Nachmieter komme ausschließlich § 15c lit a Z 2 zum Tragen, zumal eine Vereinheitlichung, Vereinfachung und Zusammenfassung der zersplitterten Tatbestände in einem Tatbestand hätte erfolgen sollen. Den Befürchtungen Österreichers/Sommers (wobl 2010, 191 FN 5b), bei einer subjektbezogenen Interpretation könne aufgrund eines Mieterwechsels im 15. Jahr nach Erstbezug (für weitere und danach theoretisch immer wieder weitere) bis zu 15 Jahren subjektivbezogene Optionsrechte von Folgemietern auch im Neubereich entstehen, wird entgegnet, dass dies infolge der begrenzten Weiterverrechenbarkeit des nicht verwohnten, dem Vormieter zu refundierenden Betrags nach § 17 Abs 1 WGG ab Unterschreiten der in § 15c lit a Z 2 genannten Beträge von zeitlich begrenzter Dauer sei.

4. Der erkennende Senat schließt sich der im Schrifttum überwiegend vertretenen Meinung an, dass § 15c lit a Z 1 iVm § 15e Abs 1 lit a WGG nur den Erstmieter begünstigt und der Nachmieter auf die Option nach § 15c lit a Z 2 iVm § 15e Abs 1 lit b beschränkt ist.

4.1 Ein Anspruch des Mieters auf Erwerb von Wohnungseigentum wurde erstmals mit dem 3. WÄG, BGBl 1993/800, eingeführt. Nach § 15b WGG konnte der Mieter eines nach dem 31. Dezember 1993 geförderten Mietobjekts (Wohnung oder Geschäftsraum) nach insgesamt 10-jähriger Mietdauer einen Antrag auf nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum stellen, wenn die Bauvereinigung die auf das Mietobjekt entfallenden Grundkosten zum überwiegenden Teil innerhalb der ersten drei Jahre ab erstmaligem Bezug neben dem Entgelt eingehoben hatte. Die WRN 1999 verlängerte diese Frist für Förderungen nach dem 31. August 1999 auf fünf Jahre. Der Bauvereinigung wurde verboten, für einen Übertragungsanspruch verhindernde Stundungen während dieses Zeitraums Zinsen zu verrechnen (§ 15b Abs 1 Satz 2 und 3 WGG).

4.1.1 Der Mieter eines nach dem 30. Juni 2000 geförderten Mietobjekts konnte gemäß § 15b Abs 1 idF der WRN 2000, BGBl I 2000/36, nach insgesamt 10-jähriger Mietdauer einen Antrag auf nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum stellen, wenn die Bauvereinigung die auf sein Mietobjekt entfallenden gesamten Herstellungskosten auch durch neben dem Entgelt eingehobene Grund- und Baukostenbeiträge im Ausmaß von mehr als ATS 688,02 (EUR 50,–) pro Quadratmeter Nutzfläche finanziert hat. Diese gegenüber der bisherigen Rechtslage erleichterten Voraussetzungen für einen Antrag und nachfolgenden Anspruch auf Wohnungseigentumsübertragung galten nur für nach dem 30. Juni 2000 geförderte Wohnungen (Rosifka, Der wohnungsgemeinnützigkeitsrechtliche Teil der Wohnrechtsnovelle 2000, wobl 2000, 313 [320]).

4.1.2 Bei Mietverhältnissen, die nach dem 31. Dezember 1993 und vor dem 1. Juli 2000 gefördert wurden, war nach der Übergangsregelung des § 39 Abs 24 WGG idF WRN 2000 § 15b idF WRN 1999 weiter anzuwenden, soweit ein Anspruch auf nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum entstehen konnte. Danach war eine Antragstellung nach frühestens insgesamt 10-jähriger Mietdauer möglich, soferne Grundkosten zum überwiegenden Teil innerhalb der ersten drei (bei Förderungen nach dem 31. August 1999 fünf) Jahre ab erstmaligem Bezug eingehoben worden waren. Soweit kein Antragsrecht nach § 15b Abs 1 idF WRN 1999 und nachfolgend auch kein Rechtsanspruch auf Übertragung entstehen konnte, weil die Bauvereinigung Grundkosten nicht in diesen Zeiträumen vorgeschrieben hatte, war für den Nachfolgemieter § 15d idF WRN 2000 anzuwenden (Rosifka aaO, 320 f).

4.1.3 Nach § 15d Abs 1 Satz 1 WGG idF WRN 2000 konnte der Mieter einer vor dem 1. Juli 2000 geförderten Wohnung nach 10-jähriger Mietdauer einen Antrag auf nachträgliche Übertragung stellen, wenn die Bauvereinigung die auf seine Wohnung entfallenden Grundkosten im Ausmaß von mehr als ATS 688,02 (EUR 50,–) nach dem 30. Juni 2000 neben dem Entgelt eingehoben und nicht gemäß § 17a Abs 2 zurückgezahlt hatte. Hier fehlte im Gegensatz zu § 15b das Wort „insgesamt“ vor der Wendung „zehnjähriger Miet- oder Nutzungsdauer“, was kein Redaktionsversehen des Gesetzgebers war: Es sollten nur Mieter einen Antrag stellen dürfen, die selbst mindestens 10 Jahre das Objekt nutzten. Voraussetzung für diese Alternative zu § 15b war, dass bei einem Mieterwechsel nach Inkrafttreten der WRN 2000 ein Grundkostenbeitrag von mehr als EUR 50,– je Quadratmeter Nutzfläche eingehoben wurde, das Mietverhältnis mindestens 10 Jahre aufrecht war und keine Eigentumsoption nach § 15b entstanden war (Rosifka aaO, 321).

4.2 § 39 Abs 21a WGG idF der WRN 2002 ersetzte die alte – für zwischen dem 1. Jänner 1994 und 30. Juni 2000 geförderte Objekte bei Einhebung des überwiegenden Baukostenbeitrags in den ersten drei bzw fünf Jahren geltende – Übergangsregelung des § 39 Abs 24 WGG idF WRN 2000. Nunmehr wird dem Mieter in all diesen Fällen der Einhebung eines Baukostenbeitrags in den ersten drei bzw fünf Jahren ein Anspruch auf Übertragung in das Wohnungseigentum nach § 15c lit a Z 1 WGG eingeräumt, wenn sein Mietobjekt nach dem 31. Dezember 1993 gefördert wurde. Es werden daher Altfälle erfasst, in denen ein Anspruch des Mieters auf Wohnungseigentumsbegründung nach dem, ausschließlich auf Baukostenbeiträge abstellenden § 15b WGG idF des 3. WÄG bzw der WRN 1999 entstehen konnte. Die damalige Rechtslage kannte keine Unterscheidung zwischen Erst- und Nachmieter, weil § 15b die Antragstellung nach einer Mietdauer von insgesamt 10 Jahren zuließ und sich der Nachmieter die Vormietzeiten anrechnen lassen konnte. Jene Mieter, die keinen Anspruch nach § 15b alt hatten, waren nach § 15d WGG idF der WRN 2000 in Förderungsfällen vor dem 1. Juli 2000 nur dann antrags(anspruchs-)berechtigt, wenn sie selbst bei Einhebung von Grundkosten von mehr als EUR 50,– je Quadratmeter das Objekt mindestens 10 Jahre benützt hatten.

4.2.1 Österreicher/Sommer sehen § 15c lit a Z 2 iVm § 15e Abs 1 lit b WGG als „Folgeregelung“ zu § 15d WGG idF WRN 2000. § 15c lit a Z 2 WGG neu ist anders als § 15d WGG alt nach dem Wortlaut jedoch nicht auf alte Förderungsfälle vor dem 1. Juli 2000 beschränkt.

4.2.2 Der Gesetzgeber der WRN 2002 wollte mit der Neuregelung von §§ 15b–f iVm mit dem Übergangsrecht in § 39 Abs 21, 21a, b WGG idF der WRN 2002 die seit dem 3. WÄG normierten, unterschiedlichen Modelle und Wege zur Wohnungseigentums-Begründung im gemeinnützigen Mietwohnungs-Bestand zusammenfassen und auf eine einheitliche normative Basis stellen. Es sollte klargestellt werden, wer, wann, wie oft und wie lange die Möglichkeit der Ausübung des Antragsrechts hat (AB 890 BlgNR 21. GP).

4.2.3 Die Anspruchsberechtigung (im Sinn einer Option des Mieters unabhängig von einem Angebot der Bauvereinigung nach § 15c lit b) regelt (iVm § 15b) die Bestimmung des § 15c lit a, die nach der Übergangsbestimmung in Art IV Abs 1 lit i rückwirkend mit 1. Juli 2000 in Kraft getreten ist. Hier wurde erstmals zwischen „erstmaliger“ (Z 1) und „späterer Überlassung“ (Z 2) differenziert. Der Wunsch des Gesetzgebers nach Vereinfachung durch primäre Klarstellung der anspruchsberechtigten Person erklärt die Differenzierung in § 15c lit a danach, wem der Anspruch zusteht: dem Erstmieter nach Z 1, dem Folgemieter hingegen nach Z 2. Der Wortlaut stellt klar darauf ab, ob der Finanzierungsbeitrag des Mieters aus Anlass der erstmaligen oder einer späteren Überlassung eingehoben wird. Mit dem Begriff „erstmaligen“ kann nur die Überlassung an den ersten Mieter gemeint sein, sonst hätte die Unterscheidung zur „späteren“ Überlassung wenig Sinn.

4.2.4 Es ist richtig, dass der Gesetzgeber mit § 15b Abs 1 WGG idF WRN 2000 die Wohnungseigentumsbegründung für nach dem 30. Juni 2000 geförderte Objekte erleichtern wollte. Diese Bestimmung erlaubte dem Nachmieter in den nunmehr vergleichbar in § 15 lit a Z 2 WGG geregelten Fällen der Einhebung von Baukostenbeiträgen von mehr als EUR 50,– je Quadratmeter die Anrechnung von Vorzeiten. § 15e Abs 1 lit d WGG neu verpflichtet die Bauvereinigung in den Fällen des § 15c lit a Z 2 nur zum Anbot einer Fixpreisvereinbarung, wenn der Mieter das Objekt selbst seit mindestens 10 Jahren benützt. Der Gesetzgeber hat sich also insofern für eine Verschärfung der Voraussetzungen der Übertragung in das Wohnungseigentum entschieden.

4.2.5 § 15c lit a WGG idgF enthält als objektive Voraussetzung sowohl für den Fall der Z 1 als auch jenen der Z 2 unter anderem, dass neben dem Entgelt nach dem 30. Juni 2000 ein (zu valorisierender) Einmalbetrag im Ausmaß von mehr als EUR 50,–/m2 Nutzfläche eingehoben wurde. Der Anspruch auf eine Kaufoption wird also an eine erhebliche Eigenleistung des Mieters in Form des Finanzierungsbeitrags geknüpft. Der die Kaufoption in Anspruch nehmende Mieter sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers offenbar von seinen Leistungen profitieren und nicht von denen seiner Vorgänger. Es ist unter diesem Aspekt nicht sachgerecht, dass sich ein Nachmieter die Vertragszeiten seiner Vorgänger anrechnen lassen kann.

5. Ergebnis: Ein Nachmieter kann einen Antrag auf Übertragung in das Wohnungseigentum nur nach § 15c lit a Z 2 iVm § 15e Abs 1 lit b WGG stellen. Die Voraussetzung einer zumindest 10-jährigen Nutzungsdauer durch die Antragsteller ist nicht erfüllt, weil sie die Wohnung erst seit dem Jahr 2009 benützen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG. Bemessungsgrundlage ist nach § 10 Z 3 lit a sub lit cc nur ein Betrag von EUR 1.000,–. Es ergibt sich aus dem Akt kein Hinweis darauf, dass die betroffene Wohnung eine Nutzfläche von mehr als 60 m2 hat.

Leitsätze

  • Begünstigt § 15c lit a Z 1 iVm § 15e Abs 1 lit a WGG auch den kaufwilligen Nachmieter?

    Ein Nachmieter kann seinen Antrag auf nachträgliche Übertragung ins Wohnungseigentum nicht auf § 15c lit a Z 1 iVm § 15e Abs 1 lit a WGG stützen, sondern lediglich auf § 15c lit a Z 2 iVm § 15e Abs 1 lit b WGG. Er muss also die Voraussetzung einer zumindest 10-jährigen Nutzungsdauer selbst erfüllen.
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