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Dokument-ID: 009488

Judikatur | Entscheidung

2 Ob 44/09y; OGH; 16. Juli 2009

GZ: 2 Ob 44/09y | Gericht: OGH vom 16.07.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Peter A. Miklautz, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 36.755,30 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 1. Oktober 2008, GZ 39 R 251/08p-50, womit das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 15. April 2008, GZ 26 C 2223/00a-46, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.960,56 (darin EUR 326,76 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin vermietete 1995 das Geschäftslokal Top 22 mit 1.588 m² Fläche im Objekt *****, an die K*****-GmbH. Über diese Gesellschaft wurde am 18.10.1999 der Konkurs eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Gerhard Rothner zum Masseverwalter bestellt. Dieser verpachtete das Unternehmen der Gemeinschuldnerin mit Vereinbarung vom 12.11.1999 der Beklagten zum Zweck der Fortführung. Dieses Pachtverhältnis war bis 29.02.2000 befristet. Der Masseverwalter trat zur Aufrechterhaltung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin in sämtliche bestehende Bestandverträge ein. Die Beklagte und der Masseverwalter vereinbarten, dass dieser mit dem von der Beklagten überwiesenen Pachtschilling die Bestandzinsforderungen der Klägerin bezahlen solle, um zur Standortaufrechterhaltung die Bestandverhältnisse fortzusetzen. Die Beklagte kaufte vom Masseverwalter das gemeinschuldnerische Unternehmen mit Unternehmenskaufvertrag vom 14.02.2000. Dessen Punkt II. 5.2.4 lautet:

„Mit dem Datum der Übergabe und Übernahme (01.03.2000) tritt die Käuferin – nach Maßgabe des Abschnittes III. – in alle Teile des Kaufgegenstandes bildenden noch nicht abgewickelte sonstige Verträge und laufende Dauerschuldverhältnisse ein und hat die Zustimmung des dritten Vertragspartners zu diesem Parteiwechsel (unter gleichzeitiger Entlassung der Konkursmasse aus dem Schuldverhältnis) einzuholen.“

Punkt III. 1. regelt unter der Überschrift „Immobilienbestandverträge“:

„1.1. Ist den Gemeinschuldnern aufgrund der Bestandverträge das Recht eingeräumt, die Bestandrechte, insbesondere im Fall der Unternehmensveräußerung, an Dritte abzutreten, so ist der Masseverwalter verpflichtet, der Käuferin sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Bestandvertrag zu übertragen. Die Käuferin ist demgegenüber verpflichtet, sämtliche Pflichten aus der übertragenen Bestandnehmerstellung zu übernehmen und – soweit eine Mithaftung der Gemeinschuldnerin vorgesehen ist – die Konkursmasse oder nach Aufhebung des Konkurses die Gemeinschuldner schad- und klaglos zu halten.“

Mit Schreiben vom 17.02.2000 zeigte der Masseverwalter der Klägerin den Abschluss dieses Unternehmenskaufvertrags an.

Die Beklagte überwies im Sinne der getroffenen Vereinbarungen mit dem Masseverwalter diesem auch den Pachtschilling für Oktober und November 1999. Der Masseverwalter war von der Beklagten niemals mit der Abgabe rechtsverbindlicher Erklärungen hinsichtlich Zahlungspflichten der Beklagten beauftragt oder dazu bevollmächtigt worden. In einem Schreiben an den damaligen Rechtsvertreter der Klägerin vom 02.03.2000 führte der Masseverwalter aus: „Sollte sich die Forderung ihrer Klientin als berechtigt herausstellen, so wird sie natürlich im Rahmen der Übernahme des Mietverhältnisses durch die Erwerberin beglichen werden.“

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung von EUR 36.755,30 sA und brachte vor, die Beklagte habe sich mit dem Unternehmenskaufvertrag zur Übernahme sämtlicher Pflichten aus der übertragenen Bestandnehmerstellung verpflichtet. Das Mietzinskonto der Beklagten weise für Oktober und November 1999 Mietzinsrückstände auf, die unter Anrechnung von Guthaben der Beklagten aus der Betriebskostenabrechnung den Klagsbetrag ergäben. Die Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung des gegenständlichen Mietzinsrückstands gründe sich auf den Mietvertrag, in den die Beklagte eingetreten sei. Der zwischen der Beklagten und dem Masseverwalter geschlossene Unternehmenskaufvertrag entfalte für die Klägerin keine Rechtswirkung, sondern regle lediglich das Verhältnis zwischen den dortigen Vertragsparteien. Mit dem Schreiben vom 02.03.2000 habe der Masseverwalter bestätigt, dass berechtigte Forderungen der Klägerin gegen die Gemeinschuldnerin, die im Konkurs angemeldet worden seien, natürlich im Rahmen der Übernahme des Mietverhältnisses durch die Erwerberin beglichen würden.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, sie sei lediglich dazu verpflichtet, die Pflichten der Gemeinschuldnerin aus dem bestehenden Bestandvertrag zur Klägerin ab der Übernahme des Bestandobjekts am 01.03.2000 zu erfüllen. Sie hafte daher für die Mietzinsrückstände aus der Zeit davor nicht. Da der Masseverwalter von der Beklagten niemals bevollmächtigt oder beauftragt worden sei, rechtsverbindliche Aussagen gegenüber der Klägerin abzugeben, sei dessen Beurteilung der Rechtsfrage in seinem Schreiben vom 02.03.2000 unbeachtlich. Nach § 1409a ABGB, der § 12a MRG als lex specialis vorgehe, seien die vor dem 01.03.2000 angefallenen Mietzinsrückstände von der Beklagten nicht zu übernehmen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus, im vorliegenden Fall seien die §§ 12 und 12a MRG nicht anwendbar, weshalb § 1409a ABGB iVm § 1409 ABGB anzuwenden sei. Infolge der Haftungsbefreiung des § 1409a ABGB hafte die Beklagte daher nicht für Altschulden der Gemeinschuldnerin.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Aus der Entscheidung 8 Ob 2330/96x sei für die Berufungswerberin nichts zu gewinnen. Die Erklärung des Masseverwalters gegenüber der Klägerin habe mangels Vollmacht des Masseverwalters für die Beklagte keine Rechtswirkung. Darüber hinaus komme die Judikatur, wonach auch im Fall der Nichtanwendbarkeit des MRG der mit Zustimmung des Vermieters in das Mietverhältnis eintretende Unternehmenserwerber vollständig in die Rechtsstellung des Veräußerers und damit auch in die diesen treffenden Pflichten eintritt, hinsichtlich bestehender Mietzinsrückstände dann nicht zum Tragen, wenn es sich wie hier um einen Unternehmenserwerb im Weg des Konkurses handle und daher § 1409a ABGB anzuwenden sei. Diesfalls scheide die in § 1409 ABGB geregelte Haftung des Unternehmenserwerbers aus. Wenngleich § 1409 ABGB nicht auf Fälle einer Vertragsübernahme durch den Unternehmenserwerber zugeschnitten sei, da bei vollständigem Eintritt des Unternehmenserwerbers in die Rechtsstellung des Veräußerers ein gesetzlich normierter Schuldbeitritt, wie in § 1409 ABGB vorsehe, obsolet wäre, sei diese Bestimmung auch bei Vertragsübernahme des Unternehmenserwerbers angewendet worden. Daraus sei abzuleiten, dass § 1409a ABGB auch im Fall einer Vertragsübernahme anzuwenden sei. Auch die Erläuternden Bemerkungen zu der durch das Insolvenzrechtsänderungs-Gesetz 1982 (BGBl 1982/370) eingeführten, § 188 der 3. Teilnovelle ablösenden Bestimmung des § 1409a ABGB sprächen dafür, dass diese auch anzuwenden sei, wenn es zu einem Vertragseintritt des Unternehmenserwerbers komme, werde doch darauf verwiesen, dass ein Sanierungsprogramm gelegentlich nur verwirklicht werden könne, wenn das Unternehmen so veräußert werde, dass der Erwerber nicht nach § 1409 ABGB hafte (ErläutRV 3 BlgNR 15. GP 62). Unternehmensveräußerungen hätten aber im Regelfall den Eintritt des Unternehmenserwerbers in das bestehende Bestandverhältnis zur Folge, weil für alle dem vollen Anwendungsbereich des MRG unterliegenden Objekte § 12a MRG einen Vertragseintritt vorsehe und bei Nichtanwendbarkeit des MRG in den meisten Fällen die Zustimmung des Vermieters zum Vertragseintritt vorliegen werde. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe in Kenntnis des § 12 Abs 3 des am 01.01.1982 in Kraft getretenen MRG, der für alle dem Vollanwendungsbereich des MRG unterliegenden Mietverhältnisse einen gesetzlichen Vertragseintritt bei Unternehmensveräußerung vorsehe, eine Gesetzesbestimmung geschaffen, die nur wenige Ausnahmefälle betreffen solle. Erfolge die Unternehmensveräußerung daher im Weg des Konkurses, so hafte der Unternehmenserwerber für Mietzinsschulden des Gemeinschuldners und Veräußerers auch dann nicht, wenn er in dessen Bestandverhältnis eintrete. Eine Haftung für Schulden des Veräußerers entgegen § 1409a ABGB käme nur bei ausdrücklicher Schuldübernahme in Betracht, die hier aber nicht vorliege.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob § 1409a ABGB auch im Fall eines mit einer Unternehmensveräußerung verbundenen Vertragseintritts anzuwenden sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hält die Revisionsausführungen nicht für stichhaltig, sondern erachtet die Begründung des Berufungsgerichts für zutreffend; auf sie wird verwiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen Folgendes zu entgegnen: Die Entscheidung 8 Ob 2330/96x unterscheidet sich vom vorliegenden Sachverhalt schon dadurch maßgeblich, dass dort kein Unternehmenserwerb aus einem Konkurs vorlag. Die Ausführungen der Revisionswerberin über die „Einheitstheorie“ bei der Vertragsübernahme unter Bezugnahme auf 4 Ob 355/97b ändern nichts daran, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht erklärt hat, im Rahmen des Unternehmenskaufs Schulden der Gemeinschuldnerin gegenüber der Klägerin zu übernehmen und dass der Masseverwalter zu Verpflichtungserklärungen namens der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht bevollmächtigt war. Aus den Ausführungen von Schauer, Die Unternehmensübertragung nach § 12 Abs 3 MRG, JBl 1985, 257 (264), ist für die Klägerin nichts zu gewinnen, weil sich der Autor – entgegen der unzutreffenden Zitierung durch die Revisionswerberin – in diesem Aufsatz mit § 1409a ABGB nicht befasst.

Angesichts des klaren Wortlauts von § 1409a ABGB ist kein Grund ersichtlich, weshalb diese Bestimmung im vorliegenden Fall eines Unternehmenskaufs aus einem Konkurs mit Vertragsübernahme hinsichtlich des Bestandverhältnisses nicht anwendbar sein sollte.

Zusammenfassend ist festzuhalten:

Wer ein Unternehmen im Weg des Konkurses erwirbt, haftet mangels ausdrücklicher Übernahme von Mietzinsschulden des Veräußerers gemäß § 1409a ABGB für diese auch dann nicht, wenn er als Bestandnehmer in das Bestandverhältnis des Veräußerers eintritt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Leitsätze

  • Unternehmenserwerb im Weg des Konkurses – Haftung für Mietzinsrückstände?

    Wer ein Unternehmen im Weg des Konkurses erwirbt, haftet mangels ausdrücklicher Übernahme von Mietzinsschulden des Veräußerers gem § 1409a ABGB für diese auch dann nicht, wenn er als Bestandnehmer in das Bestandverhältnis des Veräußerers eintritt.
    Judikatur | Leitsatz | 2 Ob 44/09y | OGH vom 16.07.2009 | Dokument-ID: 254051