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Stanislava Doganova | News | 05.07.2021
Betretungsrecht des Bestandgebers gegen den Willen des Mieters?
Unter bestimmten Voraussetzungen steht dem Bestandgeber auch gegen den Willen des Bestandnehmers das Recht zu, den Bestandgegenstand zu betreten. Wie hat der OGH jüngst dazu entschieden?
Geschäftszahl
OGH 20.04.2021, 4 Ob 189/20b
Norm
§ 1098 ABGB
Leitsatz
Quintessenz:
Dem Bestandgeber steht grundsätzlich auch gegen den Willen des Bestandnehmers das Recht zu, den Bestandgegenstand zu betreten, soweit dies im Interesse der Erhaltung des Hauses oder zur Ausübung der notwendigen Aufsicht erforderlich ist. Auch andere überwiegende Interessen des Vermieters berechtigen ihn, den Zutritt in einer dem Mieter zumutbaren Weise zu fordern. Der Mieter hat auch dafür zu sorgen, dass zur Vorbereitung und Durchführung notwendiger Arbeiten das Mietobjekt von Handwerkern betreten werden kann.
OGH: Laut gegenständlichen Pachtvertrags zwischen den Streitteilen hat die Unterpächterin das Betreten des Pachtgegenstands durch Organe des Generalpächters aus wichtigen Gründen zu gestatten. Die Durchsetzung eines rechtskräftigen baubehördlichen Bescheids ist ganz generell als wichtiger Grund im Sinne dieser Vertragsbestimmung zu werten. Von einer durch diese Klausel bewirkten gröblichen Benachteiligung der Unterpächterin kann nicht ausgegangen werden, da die Durchsetzung von rechtskräftigen baubehördlichen Aufträgen zugunsten und zulasten beider Vertragsteile wirkt. Abgesehen davon ergibt sich die Wichtigkeit des Zutrittsgrundes schon aus dem Umstand der Schadhaftigkeit des Baukörpers. Mag auch der Zutritt nicht der Sanierung, sondern der Beseitigung der Mauer dienen, so dient er jedenfalls der (Wieder-)Herstellung eines bauordnungsgemäßen Zustands.
Dem Bestandgeber steht grundsätzlich auch gegen den Willen des Bestandnehmers das Recht zu, den Bestandgegenstand zu betreten, soweit dies im Interesse der Erhaltung des Hauses oder zur Ausübung der notwendigen Aufsicht erforderlich ist. Auch andere überwiegende Interessen des Vermieters berechtigen ihn, den Zutritt in einer dem Mieter zumutbaren Weise zu fordern. Der Mieter hat auch dafür zu sorgen, dass zur Vorbereitung und Durchführung notwendiger Arbeiten das Mietobjekt von Handwerkern betreten werden kann (RS0021120; RS0020936). Es hat eine Interessenabwägung stattzufinden. Die Zumutbarkeit ist umso eher gegeben, je schwerwiegender berechtigte Interessen des Vermieters den Eingriff fordern (Lovrek im Rummel/Lukas, ABGB4 § 1098 Rz 40 f).
Der Umstand, dass der Generalpächter seinerzeit die (baubewilligungslose) Errichtung einer Stützmauer samt Rückverankerungskörper durch einen Vor-Unterpächter geduldet und der Unterpächterin in diesem Zustand übergeben hat, führt nicht dazu, dass er nun verpflichtet wäre, sich seinerseits gegen die behördlich verfügte Beseitigung des genannten Bauwerks und Wiederherstellung des früheren Zustands zu wenden, zumal der Bestandgegenstand durch die in Aussicht genommene behördliche Maßnahme nicht untergeht.
Im Ergebnis ist daher das Interesse des Generalpächters an der Herstellung eines (verwaltungs-)konformen Zustands gewichtiger als jenes der Unterpächterin an der Aufrechterhaltung des konsenswidrigen Bauzustands.