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Zur Willenserklärung gemäß § 16 BTVG bei Insolvenz des Bauträgers
Die Gastautoren Dr. Maximilian Zirm und Mag. Georg Männl erläutern in ihrem Beitrag, was bei der Erklärung nach § 16 BTVG bei Insolvenz des Bauträgers zu beachten ist.
1. Einleitung
Bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bauträgers sind auch die Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche der Erwerber von Wohnungseigentumsobjekten betroffen. Diese sind Insolvenzforderungen, wodurch die Erwerber häufig nur eine minimale Quote aus der Insolvenzmasse erhalten. Dem soll § 16 BTVG als Erwerberschutzbestimmung entgegenwirken: Der Erwerber kann die Abtretung der Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche verlangen, welche dem Bauträger gegenüber Dritten (den ausführenden Unternehmen) zustehen. Diese – in der Praxis stiefmüttlerlich behandelte – Bestimmung hat sohin im Insolvenzfall enorme Bedeutung. Die Erwerber sind mit ihren Ansprüchen nicht auf eine häufig verschwindend geringe Insolvenzquote beschränkt, sondern erhalten den vollen Gewährleistungs- und Schadenersatzanspruch gegenüber dem ausführenden Unternehmen. Eine genaue Kenntnis dieser Bestimmung ist daher von großer Bedeutung für den Rechtsanwender, wie nicht zuletzt das manchmal unglückliche Verhalten der Erwerber in anhängigen Gerichtsverfahren zeigt (vgl etwa OGH 2 Ob 187/15m).
2. Strengere Anforderungen bei der Auslegung der Willenserklärung gemäß § 16 BTVG?
§ 16 BTVG ist nach der Rsp eine Ausnahme vom Prinzip der Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzverfahren (OGH 8 Ob 70/08i; 3 Ob 227/11w; 2 Ob 187/15m). Die Rsp will daraus ableiten, dass strengere Anforderungen an den Inhalt des Schreibens zu stellen sind. Darüber hinaus sprach etwa das OLG Innsbruck (OLG Innsbruck 3 R 58/15a) aus, dass strenge Anforderungen an die Bestimmtheit des Inhalts der Willenserklärung zu stellen sind, weil sie einseitig ist. Nach Ansicht der Autoren sind beide Argumente nicht geeignet, strengere Voraussetzungen an die Auslegung der Willenserklärung gemäß § 16 BTVG als an sonstige Willenserklärungen zu knüpfen (vgl ausführlich Männl, immolex 2017, 308, 309).
Für den Rechtsanwender sind aber bis zu einer geänderten Rechtsprechung des OGH eine genaue Kenntnis und das Einhalten der Anforderungen notwendig.
3. Begriff „Erwerber“
Zunächst ist darauf einzugehen, wer Erwerber iSd § 16 BTVG ist. Der Begriff Erwerber ist in § 2 Abs 3 BTVG legaldefiniert. Es handelt sich dabei um den Vertragspartner des Bauträgers, welchen die Rsp auch als „Ersterwerber“ bezeichnet (OGH 2 Ob 187/15m). Das Gestaltungsrecht gem § 16 BTVG kommt daher gemäß der Legaldefinition in § 2 Abs 3 BTVG nur dem Vertragspartner des Bauträgers zu. Einzelrechtsnachfolgern („Zweiterwerbern“) kommt daher das Gestaltungsrecht gem § 16 BTVG grundsätzlich nicht zu.
Unberührt bleibt aber die Möglichkeit, dass der Erwerber sein Gestaltungsrecht an seinen Rechtsnachfolger abtritt. Das ist auch im Vorhinein vor Entstehen des Gestaltungsrechts möglich. In Kaufverträgen findet sich häufig die Vertragsbestimmung, dass der Käufer in alle Rechte und Pflichten des Verkäufers eintritt, welche dieser besessen hat. Ob Ansprüche aus Werkverträgen gegenüber Dritten auch davon umfasst sein sollen, ist nach der Rsp noch nicht restlos geklärt. Im Rahmen der Vertragsauslegung ist das im Einzelfall zu ermitteln. Liegt ein Gewährleistungsausschluss vor, so ist der OGH zumindest im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung davon ausgegangen, dass auch solche Ansprüche umfasst sein sollten (OGH 1 Ob 257/04g). In der Praxis ist es daher zu empfehlen, diese typische Klausel genauer und umfassender zu formulieren, um nachträglichen Unklarheiten entgegenzuwirken.
4. Genaue Bezeichnung der Erwerber
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Rechtsvertreter nur darauf verweisen, dass sie die „Miteigentümer“ oder „Erwerber“ betreffend eine bestimmte Liegenschaft vertreten. Zu Problemen kann das führen, wenn es bereits Rechtsübergänge gegeben hat und daher „Ersterwerber“ und „Zweiterwerber“ Miteigentümer der Liegenschaft sind. In der Entscheidung OGH 2 Ob 187/15m kam es deshalb sogar zu einer Klagsabweisung, weil unklar war, welche Personen die Abtretung der Ansprüche gemäß § 16 BTVG begehren.
In Zweifelsfällen ist daher empfehlenswert, „auf Nummer sicher zu gehen“ und namentlich anzuführen, welche Erwerber die Abtretung der Ansprüche begehren.
5. Genaue Bezeichnung der betroffenen Ansprüche?
Prüft man die Rsp (ohne Bezug zum BTVG) zu Abtretungserklärungen und deren Auslegung gem § 914 ABGB, so verfolgen Rsp wie auch hL einen äußerst großzügigen Ansatz. So ist nach hRsp die Formulierung „Abtretung aller Forderungen aus Warenlieferungen oder Leistungen im Rahmen eines bestimmten Geschäftsbetriebes“ ausreichend, selbst wenn der Schuldner des Gläubigers noch nicht einmal bekannt ist. (RIS-Justiz RS0032519).
Entsprechend groß darf die Verwunderung sein, wenn die herrschende Meinung zu § 16 BTVG plötzlich überraschend strenge Voraussetzungen an die Abtretungserklärung stellt (Aufner/S. Bydlinski, BTVG § 16 Rz 2, Prader, Schwimman/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 16 BTVG Rz 3, Gartner, BTVG2 § 16 Rz 9, krit Männl, immolex 2017, 308, 310).
Entgegen der grundsätzlich großzügigen Auslegung von Abtretungserklärungen ist daher in der Praxis bei einer Erklärung gemäß § 16 BTVG Vorsicht geboten. Es empfiehlt sich, auf die betroffenen Gewerke einzugehen und gleichzeitig ausdrücklich die Abtretung der Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche zu fordern. Weiters empfiehlt sich, sofern einem diese Informationen vorliegen, auch die betroffenen Unternehmen zu nennen, gegen die Vertragspartner des Bauträgers waren.
6. Schriftlichkeit der Erklärung
Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Willenserklärung schriftlich auszuüben. Schriftlichkeit bedeutet, dass gem § 886 ABGB eine Unterschrift zu setzen ist. Ein unterschriebener Brief an den Bauträger bzw ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter erfüllt jedenfalls dieses Formerfordernis. Ebenso eine qualifiziert signierte elektronische Erklärung, weil diese gem § 4 Abs 1 SVG das Formerfordernis der Schriftlichkeit gem § 886 ABGB erfüllt. Bloße E-Mails genügen jedoch grundsätzlich nicht (RIS-Justiz RS0017216). Ob es genügt, ein unterschriebenes Schreiben einzuscannen und per E-Mail zu verschicken, ist eine Frage der Auslegung (vgl Männl, immolex 2017, 308, 311). Um allerdings nicht Lehre und Rechtsprechung zu befruchten und schlussendlich ein Gerichtsverfahren zu verlieren, sollten Rechtsanwender das Schreiben eingeschrieben versenden.
Nur abschließend ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass die Forderungen exakt so übergehen, wie sie beim Bauträger bestanden haben. Schließt daher der Bauträger (oder dessen Insolvenzverwalter) einen Gewährleistungsverzicht ab oder kommt es zu einem Generalvergleich zwischen Bauträger und ausführenden Unternehmen, mit dem alle wechselseitigen Rechte und Pflichten verglichen werden, so können auch keine Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche mehr übergehen.
7. Fazit
Obwohl § 16 BTVG eine einseitige Willenserklärung ist, die auf Abtretung von Ansprüchen gerichtet ist, gelten nach Ansicht der Rsp wegen der vermeintlichen Durchbrechnung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Einseitigkeit der Erklärung strengere Voraussetzungen bei der Auslegung. Im Zweifel sollte der Rechtsanwender die Erklärung nach § 16 BTVG eher detaillierter im Sinne der obigen Ausführungen abgeben.
Autoren
Dr. Maximilian Zirm LL.M.
Dr. Maximilian Zirm, LL.M. ist Partner bei Gibel Zirm Rechtsanwälte in Wien, einer Kanzlei mit Spezialisierung im Immobilien- und Wirtschaftsrecht. Er ist neben seiner anwaltlichen Tätigkeit Autor zahlreicher Publikationen, Lektor an einer Fachhochschule sowie seit mehreren Jahren Referent für den Weka-Verlag.
Mag. Georg Männl
Mag. Georg Männl ist Rechtsanwalt bei Gibel Zirm Rechtsanwälte in Wien und Autor von wissenschaftlichen Publikationen.
Link auf die Website: https://www.gibelzirm.com/