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Judikatur | Entscheidung

5 Ob 114/22h; OGH; 12. Oktober 2022

GZ: 5 Ob 114/22h | Gericht: OGH vom 12.10.2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* H*, vertreten durch Dr. Andrea Herbeck, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. W* S*, 2. J* S*, MSc., *, beide vertreten durch die SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufhebung einer Miteigentümergemeinschaft (Streitwert 93.063,90 EUR), über die Rekurse der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2022, GZ 13 R 127/21y-104, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. April 2021, GZ 15 Cg 25/16f-92, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

[1] Die Klägerin ist zu 50/100, der Erstbeklagte ist zu 49/100 und die Zweitbeklagte ist zu 1/100 Anteilen Eigentümer(in) einer Liegenschaft in Wien. Das auf dieser Liegenschaft errichtete Wohnhaus der Gründerzeit besteht aus Souterrain, Hochparterre, zwei Obergeschossen sowie einem teilweise ausgebauten Dachgeschoss mit insgesamt zwei Werkstätten und sieben Wohnungen. Im Souterrain befinden sich noch Kellerabteile, die ehemalige Waschküche sowie zwei WCs.

[2] Die Klägerin begehrte die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum.

[3] Die Beklagten wandten ein, die Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum sei untunlich bzw unmöglich; das insbesondere deswegen, weil durch sie eine erhebliche Wertminderung eintrete.

[4] Das Erstgericht wies die Klage ab.

[5] Die Teilung einer Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum sei eine Sonderform der Realteilung (Naturalteilung) und daher gem § 843 ABGB nur dann zulässig, wenn sie ohne beträchtliche Verminderung des Wertes der gemeinsamen Sache vorgenommen werden könne. Zu vergleichen seien der Wert der ungeteilten Sache und die Summe der Werte der Einzelteile. Nach der Rechtsprechung sei eine solche beträchtliche Wertminderung bei einem relativen Wertverlust ab 15 % jedenfalls zu bejahen. Hier bewege sich die festgestellte Wertminderung der „unbelasteten“ Liegenschaft zwischen 16 % und 17,25 %, also jeweils über dieser Schwelle von 15 %. Auch der zu berücksichtigende absolute Betrag des Wertunterschieds zwischen 318.800 EUR und 320.800 EUR sei beträchtlich. Das Teilungsbegehren sei daher abzuweisen.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

[7] Das Berufungsgericht verneinte die geltend gemachte Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige Tatsachenfeststellung wegen unrichtiger Beweiswürdigung. Der im Rahmen der Rechtsrüge behauptete sekundäre Feststellungsmangel liege hingegen vor.

[8] Die vom Erstgericht festgestellten (alternativen) Verkehrswerte der Liegenschaft entsprächen offenkundig dem Wert der Liegenschaft unter Annahme des Alleineigentums. Darauf komme es aber bei der nach § 843 ABGB maßgeblichen Rechtsfrage, ob die Realteilung im Weg der Wohnungseigentumsbegründung zu einer beträchtlichen Wertminderung der gemeinsamen Sache führe, nicht an. Bei der Ermittlung der hier maßgeblichen Werte sei nicht auf fiktive Sachverhalte (das Alleineigentum), sondern auf die konkreten tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalls (die bestehende Eigentümerstruktur) abzustellen. Für die Beurteilung der Frage, ob die Naturalteilung durch Wohnungseigentumsbegründung ohne beträchtliche Minderung des Werts der gemeinsamen Sache vorgenommen werden könne, sei als Wert der gemeinsamen Sache die Summe der Verkehrswerte der bisherigen Miteigentumsanteile und nicht der Wert der Liegenschaft im hypothetischen Zustand des Alleineigentums heranzuziehen.

[9] Die Ermittlung der Höhe des Verkehrswerts, ebenso wie die Beurteilung von Werterhöhungen und Wertminderungen, wie etwa der aus dem schlichten Miteigentum an einer Liegenschaft abgeleitete Abschlag vom üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr zu erzielenden Preis, gehöre zwar zum Tatsachenbereich. Soweit der dafür üblicherweise beigezogene Sachverständige allerdings aufgrund seiner unzutreffenden Rechtsansicht oder aufgrund eines zu wenig konkretisierten Gutachtensauftrags nicht die zur rechtlichen Beurteilung maßgeblichen Tatfragen ermittelt habe, führe dies zu einem im Rahmen der Rechtsrüge geltend zu machenden sekundären Feststellungsmangel.

[10] An der Liegenschaft bestehe schlichtes Miteigentum, sodass für die Beurteilung einer allfälligen durch die Begründung von Wohnungseigentum eintretenden Wertminderung nicht der Wert der gesamten Liegenschaft im Alleineigentum, sondern die Summe der Verkehrswerte der bisherigen Miteigentumsanteile herangezogen werden müsse. Die Klägerin bringe dazu vor, dass der gemeinsame Wert der Miteigentumsanteile rund 18 % bis 20 % niedriger sei, als der Wert der gesamten Liegenschaft im Alleineigentum, was zu einem anderen Ergebnis in der Beurteilung der Wertminderung der gemeinsamen Sache durch die Wohnungseigentumsbegründung führte. Wie hoch – ausgehend von der konkreten tatsächlichen Eigentümerstruktur – die Summe der Verkehrswerte der Miteigentumsanteile sei, sei sodann wieder eine nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls vom Sachverständigen zu beurteilende Tatfrage.

[11] Das Erstgericht habe die Abweisung des Realteilungsbegehrens ausschließlich damit begründet, dass durch die Wohnungseigentumsbegründung eine erhebliche Wertminderung der Sache im Verhältnis zum Wert der ungeteilten Sache eintrete. Der vom Erstgericht festgestellte Wert des hypothetischen Zustands einer im Alleineigentum („schlichtes Eigentum“) stehenden Liegenschaft sei zur Beurteilung des allfälligen Wertverlustes nicht heranzuziehen. Abschließende Feststellungen, wonach eine Realteilung aus anderen Gründen unmöglich oder untunlich wäre, habe das Erstgericht aufgrund seiner Rechtsansicht nicht getroffen. Mangels der entsprechenden Tatsachenfeststellungen könne die Sache nicht abschließend rechtlich beurteilt werden. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zur Summe der Verkehrswerte der Miteigentumsanteile und der allenfalls im Fall der Wohnungseigentumsbegründung eintretenden Wertminderung zu treffen haben. Bei der Ermittlung der Werte sei auf die tatsächlichen Umstände im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung der Tatsacheninstanz und nicht auf fiktive Umstände abzustellen.

[12] Sofern ausgehend von den festzustellenden Umständen nicht neuerlich das Realteilungsbegehren infolge beträchtlicher Wertminderung abzuweisen sei, werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren die Möglichkeit und Tunlichkeit der Realteilung zu prüfen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

[13] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Zur Wahrung der Rechtssicherheit seien die maßgeblichen rechtlichen Bewertungsparameter für die die Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung ausschließende Wertminderung zu klären; nämlich einerseits, ob der Verkehrswert der gemeinsamen Sache, und im Ergebnis damit der Veräußerungspreis der ungeteilten Sache iSd § 2 Abs 2 LBG, oder die Summe der Verkehrswerte der bisherigen Miteigentumsanteile (unter Berücksichtigung der konkreten Miteigentümerstruktur) heranzuziehen sei, und andererseits, ob bei der Ermittlung der Summe der Werte der Einzelteile auch die konkrete – nach Wohnungseigentumsbegründung – weiter bestehende Eigentümerstruktur zu berücksichtigen sei.

[14] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richten sich die – vom jeweiligen Rechtsmittelgegner beantworteten – Rekurse der Klägerin und der Beklagten.

[15] Die Klägerin beantragt, der Oberste Gerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden, den Beschluss des Berufungsgerichts aufheben und das Ersturteil dahin abändern, dass dem Klagebegehren mittels Zwischenurteil dem Grunde nach stattgegeben und festgestellt werde, dass die Wohnungseigentumsbegründung möglich sei, ein wesentlicher Wertverlust iSd § 843 ABGB im Zusammenhang mit der Wohnungseigentumsbegründung nicht eintrete und eine Untunlichkeit der Realteilung in der Sonderform der Wohnungseigentumsbegründung nicht gegeben sei. Im übrigen Umfang möge er die Sache, insbesondere zur Entscheidung über die Aufteilung der Wohnungseigentumsobjekte, Festlegung von allfälligen Ausgleichszahlungen und Festlegung der Nutzwerte an das Erstgericht zurückverweisen. Hilfsweise zur Fällung eines Zwischenurteils beantragt die Klägerin, der Oberste Gerichtshof möge den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts teilweise aufheben und diesem auftragen, durch Zwischenurteil dem Grunde nach – erforderlichenfalls nach Verfahrensergänzung – darüber zu entscheiden, ob unter Anwendung der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs eine Wertminderung iSd § 843 ABGB eintrete, wie hoch diese Wertminderung gegebenenfalls sei und ob sich daraus die Untunlichkeit der Wohnungseigentumsbegründung ergebe. Als Rekursgründe macht die Klägerin die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

[16] Die Beklagten beantragen, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben, in eventu den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen. Als Rekursgrund machen sie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Rechtliche Beurteilung

[17] Beide Rekurse sind zur Klarstellung der im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts aufgeworfenen Fragen zulässig; sie sind aber nicht berechtigt. Aufgrund ihres thematischen Zusammenhangs werden beide Rekurse gemeinsam behandelt.

1. Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum

[18] 1.1. Nach § 3 Abs 1 Z 3 WEG kann auf Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung in einem Verfahren zur Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft Wohnungseigentum begründet werden. Die „Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft“ durch Begründung von Wohnungseigentum beseitigt die Gemeinschaft des Eigentums an der Liegenschaft nicht, sondern befestigt sie in anderer Form (RIS-Justiz RS0121971 [T1]; vgl RS0013264).

[19] 1.2. Die Teilung einer Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum gilt als Sonderform der Realteilung (RS0106352 [T1]; RS0013236 [T2]). Für sie gelten daher auch die für die Realteilung nach § 843 ABGB aufgestellten Grundsätze (RS0110439). Ist die Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum möglich und tunlich, hat sie demnach gesetzlichen Vorrang vor der Zivilteilung (RS0106352 [T3]; RS0013236 [T6]; RS0106351 [T3]).

[20] 1.3. Die Realteilung ist möglich, wenn die Sache ohne wesentliche Wertminderung geteilt werden kann und rechtliche Hindernisse nicht entgegenstehen (RS0110440; RS0013230 [T1]; RS0013831 [T5]; RS0013852 [T5]); sie ist tunlich, wenn eine Sache ohne Notwendigkeit eines unverhältnismäßig großen Wertausgleichs in Teile zerlegt werden kann, sodass der Wert des Ganzen in den Teilen enthalten bleibt (RS0013831 [T3]; RS0013852 [T7]).

[21] Diese begriffliche Differenzierung zwischen Möglichkeit und Tunlichkeit ist freilich praktisch nicht bedeutsam (vgl Pittl in GeKo § 3 WEG Rz 40). Die Realteilung ist in der Regel dann sowohl möglich als auch tunlich, wenn die Sache (physisch und im Rechtssinn) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache zu einer wesentlichen Wertminderung kommt und die Sache zwischen den Teilhabern so aufgeteilt werden kann, dass die entstehenden Anteile den Anteilen etwa gleichwertig und diese annähernd gleich beschaffen sind, ohne dass ein unverhältnismäßiger Wertausgleich notwendig wird (RS0013831 [T10]; RS0013829 [T13]; RS0013854 [T9]; RS0013856 [T11]). Die Realteilung ist also tunlich und möglich, wenn eine Sache ohne Notwendigkeit eines unverhältnismäßig großen Wertausgleichs in Teile zerlegt werden kann, sodass der Wert des Ganzen in den Teilen erhalten bleibt (RS0013831 [T3]; RS0013829 [T6]). Geringfügige Wertunterschiede können allerdings in Geld ausgeglichen werden, weil andernfalls die vom Gesetz bevorzugte Realteilung nur in den seltensten Fällen verwirklicht werden könnte (RS0013856 [T8]; RS0013854 [T3, T4]).

2. Wertminderung als Teilungshindernis

[22] 2.1. Die Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum ist nur dann zulässig, wenn sie ohne beträchtliche Verminderung des Werts „der gemeinschaftlichen Sache“ möglich ist (§ 843 ABGB), es also zu keiner beträchtlichen Wertminderung der geteilten Sache im Vergleich zur ungeteilten Sache kommt (5 Ob 109/21x).

[23] 2.2. Die „Beträchtlichkeit“ der Wertminderung hat der Oberste Gerichtshof etwa bei 3,84 % (5 Ob 103/17h), 5,28 % (6 Ob 712/87) und 11,76 % (5 Ob 109/21x) verneint, hingegen bei 15 % (7 Ob 651/76 = RS0013856 [T2]) oder darüber liegenden Prozentsätzen bejaht (5 Ob 61/04b: 41 %; vgl auch 5 Ob 132/11i, wobei sich die dort zitierte Entscheidung 5 Ob 80/08p auf die Wertrelation der zuweisbaren Wohnungseigentumsobjekte bezog).

[24] Bei dieser stets nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden Beurteilung ist auch der absolute Betrag des Wertunterschieds als Kriterium zu berücksichtigen (5 Ob 132/11i [Untunlichkeit infolge Wertverminderung von 12,6 % oder 13,5 % in Anbetracht der absoluten Höhe des Wertverlusts]).

[25] 2.3. Die Unzulässigkeit einer Realteilung wegen beträchtlicher Wertminderung kann durch eine Erklärung des Teilungswilligen, den anderen Miteigentümern deren Anteil an der Wertminderung der Liegenschaft auszugleichen, entkräftet werden. Die Wertverminderung wäre dann nicht zu berücksichtigen (5 Ob 103/17h; vgl 5 Ob 138/18g [Umbaukosten]).

3. Wert der „gemeinschaftlichen Sache“

[26] 3.1. Wesentlicher Streitpunkt im Rekursverfahren ist die von den Vorinstanzen unterschiedlich beantwortete Frage, wie der Wert der zu teilenden Liegenschaft zur Beurteilung der beträchtlichen Wertminderung zu bestimmen ist: Unter Berücksichtigung des Miteigentums und der bestehenden Eigentümerstruktur oder unter der Annahme, diese stünde im Alleineigentum.

[27] Der Fachsenat hat zwar jüngst zu 5 Ob 60/22t (im Rahmen der kurzen Begründung einer Zurückweisung einer außerordentlichen Revision) im Anschluss an 5 Ob 122/16a bereits ausgesprochen, dass bei der Ermittlung des Werts der ungeteilten Sache das schlichte Miteigentum zu berücksichtigen ist. Die im vorliegenden Rechtsstreit geführte Auseinandersetzung gibt jedoch Anlass, diese Rechtsprechung zur Klarstellung zu bekräftigen und zu konkretisieren.

[28] 3.2. Bei der Beurteilung der Möglichkeit einer Realteilung ist von der objektiven gegenwärtigen Beschaffenheit der Gesamtliegenschaft auszugehen (6 Ob 10/68 = RS0015827; vgl auch 6 Ob 819/81 = RS0013862). Fiktive Sachverhalte haben demgegenüber außer Betracht zu bleiben (5 Ob 122/16a; 5 Ob 60/22t).

[29] Schon das Berufungsgericht wies zutreffend darauf hin, dass das bestehende Miteigentum im Ergebnis keine Berücksichtigung fände, wenn man im Fall der Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung für den Wertvergleich nicht auf die Summe der Verkehrswerte der bisherigen Miteigentumsanteile, sondern auf den Wert der gesamten Liegenschaft abstellte. In diesem Sinn hielt der Oberste Gerichtshof dem Argument, bei der Gegenüberstellung der Verkehrswerte vor und nach Wohnungseigentumsbegründung sei von einem Wert der Liegenschaft auszugehen, als stünde diese im Alleineigentum, bereits zu 5 Ob 122/16a entgegen, dass (auch) die Vorschriften über die Liegenschaftsbewertung keine Handhabe für den Sachverständigen bieten, fiktive Sachverhalte in seine Beurteilung einzubeziehen. Er bestätigte damit die Maßgeblichkeit des vom Sachverständigen unter Berücksichtigung des schlichten Miteigentums ermittelten Verkehrswerts. (Lediglich) die Beurteilung, ob und in welcher Höhe aus dem Bestehen schlichten Miteigentums an der Liegenschaft tatsächlich eine Wertminderung abzuleiten ist, wurde als eine Tatfrage qualifiziert, die vor dem Obersten Gerichtshof nicht bekämpft werden kann.

[30] 3.3. Bei der Ermittlung des Werts der Liegenschaft vor der Teilung ist daher das schlichte Miteigentum und die bestehende Eigentümerstruktur zu berücksichtigen (5 Ob 122/16a; 5 Ob 60/22t).

[31] Im Fall der Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum bezieht sich die Wertminderung daher auf das Wertverhältnis zwischen den bisherigen schlichten Miteigentumsanteilen und den künftigen Wohnungseigentumsobjekten. Es darf durch die Begründung von Wohnungseigentum zu keiner beträchtlichen Wertminderung der bisherigen Miteigentumsanteile kommen. Der Verkehrswert der bisherigen schlichten Miteigentumsanteile darf nicht beträchtlich höher sein als der Verkehrswert der künftigen Wohnungseigentumsobjekte. Zum Vergleich ist also die Summe der bisherigen Miteigentumsanteile und nicht der Verkehrswert der fiktiv im Alleineigentum stehenden Liegenschaft heranzuziehen (so schon Edlauer/Muhr/Reinberg, Die Begründung von Wohnungseigentum im Teilungsverfahren, immolex 2020, 290; vgl auch Call, Glosse zu 5 Ob 61/04p, wobl 2004/83; aA Arthold, Realteilung durch WE-Begründung, wobl 2022, 226 [229 f]).

[32] 3.4. (Nur) Dieses Verständnis steht im Einklang mit dem Wortlaut des § 843 ABGB und wird seiner Systematik und seinem Zweck gerecht.

[33] § 843 ABGB stellt auf die Verminderung des Werts der „gemeinschaftlichen Sache“ ab. Wenn die Rechtsprechung diese gemeinschaftliche Sache als „ungeteilte Sache“, „das Ganze“ oder als „ungeteilte Liegenschaft“ bezeichnet, meint sie die Sache in ihrer rechtlichen Ausgestaltung und in ihrem tatsächlichem Zustand „vor der Teilung“ und nicht die Liegenschaft unter der hypothetischen Annahme des (ungeteilten) Alleineigentums (aA Arthold, wobl 2022, 226 [229 f]).

[34] Die Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum beseitigt die Gemeinschaft des Eigentums an der Liegenschaft nicht, sondern befestigt sie in anderer Form. Nur wenn die gemeinschaftliche Sache gar nicht oder nicht ohne beträchtliche Verminderung des Werts geteilt werden kann, ist auf Verlangen eines Miteigentümers die Zivilteilung durch gerichtliche Feilbietung und Verteilung des Verkaufserlöses vorzunehmen (§ 843 ABGB). Die Zivilteilung ist also ausschließlich die rechtliche Konsequenz daraus, dass die Realteilung (durch Wohnungseigentumsbegründung) unmöglich oder untunlich ist. Aus der für die Zivilteilung getroffenen Anordnung des § 843 letzter Satz ABGB, dass der Versteigerungserlös unter den Teilhabern entsprechend den Miteigentumsanteilen zu verteilen ist und nicht entsprechend den Werten dieser Anteile, ist für die Frage der Möglichkeit und Tunlichkeit der Realteilung daher nichts zu gewinnen (aA Arthold, wobl 2022, 226 [229]).

[35] Der durch die Zivilteilung erzielbare Verkaufserlös bildet den Verkehrswert der Liegenschaft im erst dann bestehenden Alleineigentum ab. Zieht man diesen Verkaufserlös als für die Beurteilung der zu vermeidenden Wertminderung relevanten Vergleichswert heran, nimmt man daher das Ergebnis der Zivilteilung vorweg (Edlauer/Muhr/Reinberg, immolex 2020, 290). Das Abstellen auf das zu erwartende Ergebnis der Zivilteilung steht daher im Widerspruch zum gesetzlich angeordneten Vorrang der Realteilung (auch durch Begründung von Wohnungseigentum) gegenüber der Zivilteilung. Den Miteigentümern soll die Sache vorrangig real erhalten bleiben, sofern und solange die Realteilung im Vergleich zum gegenwärtigen Zustand keine beträchtliche wirtschaftliche Schlechterstellung der Miteigentümer zur Folge hat. Eine Ertragsmaximierung für den Fall der Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft strebt das Gesetz – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht an. Es sieht gerade nicht vor, dass die wirtschaftlich günstigere Teilungsalternative den Vorzug genießt. Das Gesetz nimmt vielmehr selbst einen (unbeträchtlichen) Wertverlust in Kauf. In Übereinstimmung damit ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs etwa auch die Möglichkeit des Dachbodenausbaus und die daraus gegebenenfalls realisierbare Wertsteigerung bei der Beurteilung der Wertrelation nicht zu berücksichtigen (5 Ob 133/14s; 5 Ob 60/22t).

[36] 3.5. Für die Ermittlung des Werts von Liegenschaften in allen gerichtlichen Verfahren einschließlich Zivilprozessen gilt das Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG). Nach dem Bewertungsgrundsatz des § 2 Abs 1 LBG ist, sofern durch Gesetze oder Rechtsgeschäft nichts anderes bestimmt wird, der Verkehrswert der Sache zu ermitteln (RS0115307 [T2]). Der Verkehrswert ist der Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann. Die besondere Vorliebe und andere ideelle Wertzumessungen einzelner Personen haben bei der Ermittlung des Verkehrswerts außer Betracht zu bleiben (§ 2 Abs 2 und 3 LBG).

[37] Entgegen der Auffassung der Klägerin sind daher der Beurteilung der Frage, ob mit der Begründung von Wohnungseigentum eine Wertminderung verbunden ist, die jeweiligen Verkehrswerte der bisherigen schlichten Miteigentumsanteile einerseits und der künftigen Wohnungseigentumsobjekte andererseits zu Grunde zu legen.

4. Ergänzung zum Rekurs der Klägerin

[38] 4.1. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963), es sei denn, das Berufungsgericht hätte infolge einer unrichtigen Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen (RS0040597 [T4]; RS0043086 [T5]). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen zeigt die Klägerin nicht auf.

[39] 4.2. Die Frage der Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens fällt in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RS0113643 [T7]; RS0043320 [T12]).

[40] 4.3. Der gegen das Berufungsgericht erhobene Vorwurf, es hätte anstelle eines Aufhebungsbeschlusses ein Zwischenurteil fällen müssen, ist schon deshalb nicht berechtigt, weil das Gericht gem § 393 Abs 1 ZPO unter den dort genannten Voraussetzungen ein Zwischenurteil fällen kann, aber nicht muss. Die Prozessparteien haben daher keinen Anspruch auf Fällung eines Zwischenurteils. Die Ermessensentscheidung des Gerichts, ob es ein Zwischenurteil fällen will, ist nach der Rechtsprechung unanfechtbar (RS0040047 [T3]).

[41] Ob in einem Verfahren auf Aufhebung des Miteigentums durch Begründung von Wohnungseigentum ein Zwischenurteil über den Anspruch auf diese Form der Realteilung gefällt werden kann, wenn – wie hier – ein Teilungsvorschlag vorliegt, über den das Gericht zu verhandeln und zu entscheiden hat, kann auch deshalb dahingestellt bleiben, weil die Voraussetzungen für die Fällung eines solchen Zwischenurteils jedenfalls nicht vorliegen. Ein Zwischenurteil nach § 393 Abs 1 ZPO ist ein Feststellungsurteil über den Anspruchsgrund und darf nur erlassen werden, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen bejaht werden können (RS0102003; RS0040990). Es ist nicht zulässig, einzelne Vor- oder Teilfragen oder Einwendungen herauszugreifen und zum Gegenstand eines Zwischenurteils zu machen. Ein Grundurteil über das Bestehen einzelner rechtserheblicher Tatsachen ist unzulässig (RS0102003 [T12]). Ein Zwischenurteil darf also nur dann gefällt werden, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen geklärt und alle Einwendungen erledigt sind. Das ist hier nicht der Fall, weil auf Basis des festgestellten Sachverhalts jedenfalls nicht alle Teilungsvoraussetzungen bejaht werden können.

[42] 4.4. Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Erstgerichts zur Beurteilung des Teilungshindernisses der Wertminderung für nicht ausreichend erachtet. Wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem grundsätzlich nicht entgegentreten (RS0042179). Zweck des Rekurses ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof; ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (RS0042179 [T17]).

[43] Das Erstgericht traf – ausgehend von seiner vom Berufungsgericht zu Recht nicht geteilten Rechtsansicht –keine Feststellungen zu den weiteren Teilungsvoraussetzungen. Auf Basis des bisher festgestellten Sachverhalts kann weder die Möglichkeit und Tunlichkeit der Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum beurteilt werden noch der von der Klägerin behauptete Rechtsmissbrauch.

[44] Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Ersturteil leide an sekundären Feststellungsmängeln, erweist sich damit auch insofern als zutreffend. Die Klägerin rügt, das Berufungsgericht hätte anstelle eines Aufhebungsbeschlusses die notwendige Verfahrensergänzung selbst vorzunehmen gehabt. Die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht (statt das Verfahren in zweiter Instanz selbst zu ergänzen) könnte aber nur dann einen Verfahrensmangel begründen, wenn die Voraussetzungen dafür, wie etwa ein zu erwartender erheblicher Mehraufwand an Kosten oder Verfahrensverzögerungen, – anders als hier – nicht vorliegen (RS0042125; RS0108072).

[45] 5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Leitsätze

  • Wertminderung der gemeinschaftlichen Sache durch Begründung von Wohnungseigentum

    Kommt es zur Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum bezieht sich die Wertminderung auf das Wertverhältnis zwischen den bisherigen schlichten Miteigentumsanteilen und den künftigen Wohnungseigentumsobjekten. Es darf durch die Begründung von Wohnungseigentum zu keiner beträchtlichen Wertminderung der bisherigen Miteigentumsanteile kommen. Der Verkehrswert der bisherigen schlichten Miteigentumsanteile darf nicht beträchtlich höher sein als der Verkehrswert der künftigen Wohnungseigentumsobjekte.
    Albert Scherzer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 114/22h | OGH vom 12.10.2022 | Dokument-ID: 1128424