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4 Ob 204/11w; OGH; 17. Jänner 2012
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei DI B***** L*****, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 14.742,82 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 6. Mai 2011, GZ 1 R 16/11i-43, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 23. November 2010, GZ 24 C 261/08t-37, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 978,84 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 163,14 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Eltern des Beklagten waren seit 1955 Mieter einer Wohnung im Haus der Klägerin, in der nach dem Tod des Vaters die Mutter und der Beklagte sowie seine zwei Geschwister verblieben. Die Schwester zog in der Folge aus.
Nachdem die Schwester des Beklagten 2003 einen Schlaganfall erlitten hatte, adaptierte die Mutter ein in ihrem Eigentum stehendes Haus, um dort ihre Tochter und ihre Enkelkinder betreuen zu können. Seither lebt sie dort, wo sie auch gemeldet ist. Sie beabsichtigt, in die Wohnung zurückzukehren, sollte sie aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht mehr in der Lage sein, ihre Tochter zu betreuen. Der Beklagte und sein Bruder leben weiterhin in der Wohnung.
Bis einschließlich Februar 2008 schrieb die Klägerin einen monatlichen Hauptmietzins von EUR 144,32 vor. Am 25. Februar 2008 hob die Klägerin den Hauptmietzins schriftlich unter Berufung auf § 46 MRG auf EUR 432,95 an.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten, rückwirkend ab Oktober 2006, die Bezahlung des Differenzbetrags zum für die Wohnung gemäß § 46 Abs 2 MRG zulässigen Mietzins von EUR 14.742,82 sA.
Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, seine Mutter sei nach wie vor Mieterin. Sie habe die Wohnung nicht auf Dauer verlassen. Sein Bruder sei bereits 1977 mit Erreichen seiner Volljährigkeit in das Bestandverhältnis eingetreten. Die Klägerin sei daher nicht berechtigt, den Mietzins zu erhöhen. Gegen eine allenfalls zu Recht bestehende Klageforderung wandte er einen Investitionsaufwand von 2.500 EUR aufrechnungsweise ein.
Das Erstgericht erkannte sowohl Klage- als auch Gegenforderung als zu Recht bestehend und verurteilte den Beklagten daher zur Zahlung von EUR 12.242,82 sA. Mit dem Auszug der Mutter als der einzig verbliebenen privilegierten Person sei die Klägerin berechtigt gewesen, die Miete nach § 46 Abs 2 MRG zu erhöhen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach - nach Abänderungsantrag des Beklagten - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil nur der Oberste Gerichtshof beurteilen könne, ob das Berufungsgericht in unvertretbarer Weise von der ständigen Rechtsprechung des Höchstgerichts abgewichen sei. Ein Mieter habe die Wohnung dann auf Dauer verlassen, wenn er ausgezogen sei und keine ernstliche Rückkehrabsicht habe. Dies müsse als Wegfall des „dringenden Wohnbedürfnisses“, also des schutzwürdigen Interesses im Sinn des § 30 Abs 2 Z 6 MRG verstanden werden. Ein dringendes Wohnbedürfnis liege vor, wenn anzunehmen sei, dass der Mieter die aufgekündigte Wohnung in absehbarer Zeit wieder benützen werde. Auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten sei nicht Bedacht zu nehmen. Die bloße Absicht, in die Wohnung zurückzukehren, sollte die Mutter in Zukunft gesundheitlich nicht mehr in der Lage sein, ihre Tochter zu betreuen, begründe kein dringendes Wohnbedürfnis. Der Zeitpunkt einer allfälligen möglichen Rückkehr sei nach wie vor nicht absehbar. 2003 habe die Mutter als letzte „privilegierte Person“ die Wohnung auf Dauer verlassen, weshalb die Klägerin zur Mietzinsanhebung nach § 46 Abs 2 MRG berechtigt sei. Mehrere Mitmieter seien bei Mietzinsklagen keine notwendigen Streitgenossen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung der Mietzinsklage anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Grundsätzlich sollten die Mietzinse für „Altverträge“ - also vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossene Verträge - unverändert bleiben; dies gilt bezüglich des Hauptmietzinses auch beim Eintritt von Angehörigen in Altverträge. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn in den Mietvertrag nur Angehörige eintreten, die nicht zum engsten Familienkern (§ 46 Abs 1 MRG) zählen, oder wenn zwar ursprünglich Angehörige im Sinn des § 46 Abs 1 MRG gemeinsam mit anderen Angehörigen in den Mietvertrag eingetreten, später aber durch Verlassen der Wohnung oder durch Erreichung der Volljährigkeit weggefallen sind. Nur in diesem Sonderfall kann der Vermieter nach § 46 Abs 2 MRG eine Anhebung des Zinses verlangen (4 Ob 518/87 = JBl 1988, 48; Würth in Rummel³ § 43 MRG Rz 5). Der Vater des Beklagten verstarb am 15. Jänner 1982, weshalb der Vertragsübergang und dessen Rechtsfolgen jedenfalls nach dem MRG zu beurteilen sind (vgl A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht § 43 Rz 18). § 46 MRG ist hier daher grundsätzlich anwendbar.
2. Die notwendige Streitgenossenschaft, deren Wesen darin besteht, dass der Klageanspruch nach der Natur des Rechtsverhältnisses oder nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur von allen an einem Rechtsverhältnis Beteiligten oder gegen sie erhoben werden kann, liegt im Zweifel nur vor und führt zur Klageabweisung, wenn wegen Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen entsteht, was nach den Umständen des besonderen Falls zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0035479). Eine einheitliche Streitpartei (notwendige Streitgenossenschaft) ist also dann gegeben, wenn die Gemeinschaftlichkeit der rechtserzeugenden Tatsachen zwangsläufig zu einer Einheitlichkeit der Entscheidung führen muss und eine unterschiedliche Beurteilung für oder gegen die einzelnen Streitgenossen unmöglich ist (2 Ob 69/99g ua; RIS-Justiz RS0035496 [T5]). Eine einheitliche Streitpartei iSd § 14 ZPO liegt daher dann nicht vor, wenn trotz Gemeinsamkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts keine rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Fall einheitlichen Entscheidung gegeben ist, abweichende Entscheidungen also nicht zu unlösbaren Verwicklungen führen (RIS-Justiz RS0035473). Die Frage, ob eine einheitliche Streitpartei vorliegt, ist immer nach der materiellen Beurteilung des Streitgegenstands zu beantworten (RIS-Justiz RS0035468).
Mehrere Mitmieter bilden eine Rechtsgemeinschaft bürgerlichen Rechts nach § 825 ABGB und damit im Kündigungs- oder Auflösungsprozess des gemeinsam begründeten Mietverhältnisses eine notwendige Streitgenossenschaft nach § 14 ZPO (RIS-Justiz RS0013160). Dies gilt etwa auch in einem Verfahren auf Feststellung der Überschreitung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes (5 Ob 223/04m).
Mag auch eine Solidarverpflichtung von Mitmietern aus dem Bestandvertrag auf Zahlung des Mietzinses bestehen, so schafft dies allein noch keine einheitliche Streitpartei (RIS-Justiz RS0035606); die auf Zahlung des Mietzinses in Anspruch genommenen Mitmieter bilden daher keine notwendige Streitgenossenschaft (7 Ob 618/78; 9 Ob 36/05t). Das Recht auf Anhebung des Mietzinses gemäß § 46 MRG ist aufgrund des hier erhobenen Zahlungsbegehrens als Vorfrage zu prüfen (vgl RIS-Justiz RS0070570), diese Vorfragenentscheidung entfaltet über dieses Verfahren hinaus jedoch keine Bindungswirkung. Dass das Berufungsgericht hier das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei verneinte, entspricht daher - entgegen dem von dem Revisionswerber nach wie vor vertretenen Standpunkt -
der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
3. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten ist auch im Fall des § 46 Abs 1 MRG eine Mietzinsanhebung dann zulässig, wenn sämtliche privilegierte Personen die Wohnung auf Dauer verlassen haben oder - im Fall minderjähriger Kinder - volljährig geworden sind. Ein Anhebungsfall gemäß § 46 MRG liegt also auch dann vor, wenn zwar zunächst nur jeweils begünstigte Personen eingetreten sind, sodass es zu keiner Anhebung kommen konnte, diese Begünstigung aber nach dem 28. Februar 1994 (bei allen) weggefallen ist (Würth aaO,Rz 2a und 3). Mit dem Auszug der Mutter verließ die letzte privilegierte Person die Wohnung, verlor der Beklagte seine Privilegierung doch bereits vorher durch Erreichen der Volljährigkeit (1983). Ob die Mutter ihre Mietrechte nach dem Tod des Ehegatten oder bereits vorher nach dem Tod ihrer gleichfalls dieselbe Wohnung bewohnenden Eltern erlangte, ist ohne Relevanz. Dem Fall des Eintritts von privilegierten nahen Angehörigen gemäß § 46 Abs 1 MRG steht der Fall gleich, dass es neben dem verstorbenen Mieter, in dessen Mietrechte Angehörige gemäß § 14 Abs 2 MRG eintreten, noch einen Mitmieter gibt. Grund dafür, dass auch in diesem Fall keine Mietzinsanhebung erfolgen soll, ist, dass eine Person, welche bereits Mieter war, durch das Hinzutreten eines weiteren Mieters nicht schlechter gestellt werden soll (T. Hausmann aaO,§ 46 Rz 3). Unabhängig davon, ob die Privilegierung der Mutter des Beklagten im Zeitpunkt des Ablebens ihres Ehegatten darin bestand, dass sie bereits Mitmieterin war oder Mitmietrechte durch Eintritt in den Mietvertrag gemeinsam mit ihren Kindern erlangte, fiel die Privilegierung (Hindernis für die Mietzinsanhebung) jedenfalls mit ihrem Auszug aus der Wohnung 2003 weg. Der ältere Bruder des Beklagten war bereits zum Zeitpunkt des Ablebens seines Vaters volljährig, der Beklagte erreichte die Volljährigkeit lange vor dem Auszug seiner Mutter aus der Wohnung.
4. Dass der Auszug der Mutter aus der Wohnung ohne konkrete Rückkehrabsicht zum Wegfall der Privilegierung (Hindernis für die Mietzinsanhebung nach § 46 Abs 2 MRG) führte, bezweifelt der Revisionswerber nicht mehr.
5. Da der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermochte, war seine Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO; die Klägerin wies auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hin.
Leitsätze
-
Anhebung des Mietzinses bei Eintritt in Altverträge gemäß § 46 MRG
Beim Eintritt in einen „Altvertrag“ sind vom Gesetz festgelegte nahe Angehörige privilegiert, da es zu keiner Zinserhöhung kommen darf. Dies gilt nicht mehr, wenn nur mehr nicht privilegierte Angehörige die Wohnung bewohnen (§ 46 Abs 1 und 2 MRG).Lisa Korninger | Judikatur | Leitsatz | 4 Ob 204/11w | OGH vom 17.01.2012 | Dokument-ID: 424053