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Dokument-ID: 292999

Nicole Landsmann - Angelika Groicher | Praxiswissen | Fachbeitrag

Entgeltfortzahlung

Rechtliche Grundlagen

§ 8 AngG

Anspruch auf Entgeltfortzahlung

§ 1154b ABGB

Anspruch auf Entgeltfortzahlung

BAG

Lehrlinge

2 Abs 1 EFZG

Arbeiter

§ 3 EFZG

Arbeiter

§ 5 EFZG

Arbeiter

Rechtslage für Angestellte und Arbeiter ab 01.07.2018

Seit 01.07.2018 haben Angestellte und Arbeiter bereits nach einjährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf 8 Wochen volle und 4 Wochen halbe Entgeltfortzahlung. Die einheitliche Entgeltfortzahlung für Arbeiter und Angestellte lässt sich somit folgendermaßen darstellen:

Dienstjahre

Anspruch bei Krankheit

Anspruch bei Arbeitsunfall/Berufskrankheit

0.–1.

6 Wochen voll + 4 Wochen halb

8 Wochen

2.–15.

8 Wochen voll + 4 Wochen halb

8 Wochen

16.–25.

10 Wochen voll + 4 Wochen halb

10 Wochen

Ab 26.

12 Wochen voll + 4 Wochen halb

10 Wochen

Bei wiederholter Dienstverhinderung durch Krankheit (Unglücksfall) innerhalb eines Arbeitsjahres besteht ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nur insoweit, als der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 8 Abs 1 AngG nicht ausgeschöpft ist, dh, bei wiederholtem Krankenstand innerhalb eines Arbeitsjahres kommt es zu einer Zusammenrechnung der Anspruchszeiten. Erst mit Beginn eines neuen Arbeitsjahres entsteht ein neuer Fortzahlungsanspruch.

Hinweis:

Bei der Rückkehr nach

  • einer Karenz nach MSchG (VKG),
  • einer Bildungskarenz, Pflegekarenz oder Familienhospizkarenz,
  • einem unbezahlten Urlaub,
  • Präsenz-/Zivildienst
  • oder im Falle, dass ein Dienstverhältnis anlässlich eines Betriebsüberganges gem § 3 Abs 1 AVRAG mit allen Rechten und Pflichten übernommen wird

gilt, dass das ursprüngliche Eintrittsdatum für den EFZ-Anspruch unverändert aufrecht bleibt.

Grundsätzlich definiert das Eintrittsdatum eines Arbeitnehmers den Beginn des Arbeitsjahres. Im Falle einer vorübergehenden Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses (SV-Abmeldung) ist das Wiedereintrittsdatum maßgeblich (vgl NÖDIS, Nr 9/Juni 2018).

Angestellte erhalten seit 01.07.2018 überdies einen eigenständigen Anspruch bei Arbeitsunfällen (Berufskrankheiten), dh, der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht pro Anlassfall ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Arbeitsverhinderung.

Wurde die Dienstverhinderung durch einen herbeigeführt, verlängert sich der Anspruch in den ersten fünf Dienstjahren um zwei Wochen.

Beispiel: Anspruchsdauer, Entgelthöhe, Höchstentgeltdauer

Dienstnehmer A im 9. Dienstjahr

Krankenstände

Anspruchsdauer

 

Anspruchshöhe

11 Tage (04/2020)

11 Tage voll

Ersterkrankung

Voller Grundanspruch

102 Tage (05–08/2020)

45 Tage voll

Wiedererkrankung

Rest voller Grundanspruch

28 Tage halb

Halber Grundanspruch

11 Tage halb

Halber Folgeanspruch
Höchstentgeltdauer von
84 Tagen erreicht

14 Tage (09/2020)

14 Tage halb

Wiedererkrankung

Halber Folgeanspruch

10 Tage (12/2020)

10 Tage voll

Ersterkrankung

Voller Grundanspruch
Auch wenn innerhalb von 6 Monaten
Wiedererkrankungen aufgetreten sind,
ausschlaggebend ist die Ersterkrankung
(hier: im April)

Seit 01.07.2018 kann auch bei Angestellten durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung vereinbart werden, dass sich der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht am Arbeitsjahr, sondern am Kalenderjahr orientiert.

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht die Entgeltfortzahlungspflicht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus, wenn der Arbeitgeber

  • den Arbeitnehmer während eines Krankenstands kündigt,
  • den Arbeitnehmer unberechtigt entlässt,
  • einen vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers verschuldet,
  • das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer einvernehmlich auflöst (NEU ab 01.07.2018).

Hinweis:

Die Neuregelung gilt für Dienstverhinderungen, die in jenem Arbeitsjahr eintreten, welches nach dem 30.06.2018 beginnt.

Entgeltfortzahlung Lehrlinge

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Lehrlinge ist im Berufsausbildungsgesetz (BAG) geregelt.

Krankheit und Unglücksfall ab 01.07.2018

Seit 01.07.2018 hat ein der Lehrling acht (statt vier) Wochen Anspruch auf die volle Lehrlingsentschädigung, sowie weitere vier (statt zwei) Wochen auf ein Teilentgelt in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der vollen Lehrlingsentschädigung und dem gesetzlichen Krankengeld.

Ist der Entgeltanspruch innerhalb eines Lehrjahres bereits ausgeschöpft, so gebührt bei einer weiteren Arbeitsverhinderung infolge Krankheit (Unglücksfall) innerhalb desselben Lehrjahres die volle Lehrlingsentschädigung für die ersten drei Tage, für die übrige Zeit der Arbeitsunfähigkeit, längstens jedoch bis zur Dauer von weiteren sechs Wochen, ein Teilentgelt in der Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der vollen Lehrlingsentschädigung und dem aus der gesetzlichen Krankenversicherung gebührenden Krankengeld.

 

Volles Entgelt

Teilentgelt

Grundanspruch für Krankheit/Unfall

4 Wochen

2 Wochen

Folgeanspruch für Krankheit

3 Tage

6 Wochen

Anspruch bei Arbeitsunfall

8 Wochen

4 Wochen

Als Krankheit gelten auch Kur- und Erholungsaufenthalte, Aufenthalte in Heil- und Pflegeanstalten und Rehabilitationszentren, die von der Sozialversicherung bewilligt wurden.

Arbeitsunfall

Im Fall der Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit ist die volle Lehrlingsentschädigung bis zur Dauer von acht Wochen und ein Teilentgelt bis zur Dauer von weiteren vier Wochen in der Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der vollen Lehrlingsentschädigung und dem aus der gesetzlichen Krankenversicherung gebührenden Krankengeld zu gewähren.

Dieser Anspruch besteht vollkommen unabhängig vom Entgeltanspruch bei normaler Erkrankung und ohne Anrechnung auf diesen.

Wechsel vom Lehr- ins Arbeitsverhältnis

Wechselt der Lehrling vom Lehr- ins Arbeitsverhältnis (durch Lehrzeitende) gelten ab diesen Zeitpunkt die Bestimmungen der Entgeltfortzahlung für Arbeiter oder Angestellte.

Befindet sich der Lehrling zum Zeitpunkt der Übernahme als Arbeiter oder Angestellter im Krankenstand, bestehen ab dem Zeitpunkt der Übernahme auch die Bestimmungen der Entgeltfortzahlung für Arbeiter oder Angestellte, dh es beginnt ein neues Arbeitsjahr.

Beispiel:

Das Lehrverhältnis eines Lehrlings begann am 01.09.2016. Mit 01.08.2019 wird der Lehrling in ein Angestelltendienstverhältnis übernommen.

Bei einem Wechsel vom Lehr- ins Arbeitsverhältnis ist nicht das Eintrittsdatum des Lehrlings, sondern der erste Tag als Angestellter relevant; dh ab 01.08.2019 entsteht ein neuer voller Entgeltfortzahlungsanspruch nach dem AngG.

Dienstvertrag

Die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung sind gesetzlich zwingend geregelt, sie bedürfen keiner zusätzlichen vertraglichen Regelung. Trotzdem enthalten viele Dienstverträge Klauseln über die Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung.

Eine häufig in Dienstverträgen enthaltene Klausel ist die Verpflichtung zur sofortigen Meldung einer Dienstverhinderung sowie zur Vorlage einer Krankenbestätigung. Unterlässt der Dienstnehmer die Meldung bzw die Vorlage der ärztlichen Bestätigung, verliert er für die Zeit seiner Säumigkeit seinen Fortzahlungsanspruch. Zu beachten ist allerdings, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Einzelfall zur Vorlage auffordern muss. Die generelle Verankerung einer Vorlageverpflichtung im Arbeitsvertrag reicht für den Verlust des Fortzahlungsanspruchs nicht aus, da eine solche Bestimmung im Arbeitsvertrag im Vergleich zur gesetzlichen Regelung ungünstiger wäre und somit ungültig ist.

Die Säumnis des Dienstnehmers bei Vorlage der Krankenbestätigung stellt keinen Entlassungsgrund dar!

Hinweis: Freie Dienstnehmer

Freie Dienstnehmer haben mangels Anwendbarkeit des AngG keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Falle der Dienstverhinderung durch Krankheit oder Arbeitsunfall.

Höhe der Entgeltfortzahlung

Es ist das regelmäßige Entgelt zu leisten, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre, das so genannte Ausfallsprinzip.

Bei einem schwankenden Entgelt, ist ein Durchschnitt (meist drei oder 12 Monate) heranzuziehen. So gebühren dem Angestellten auch regelmäßige Überstunden und Zuschläge, die vor der Dienstverhinderung angefallen sind.

Bei der Ermittlung des Ausfallsprinzips sind folgende Entgeltanteile für die Berechnung der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen:

  • Laufende Überstunden, auch laufende Überstundenpauschale
  • Zulagen, Zuschläge
  • Laufende Prämien, Provisionen
  • Freiwillige Leistungen mit Entgeltcharakter

Bei Akkord-, Stück- und Gedinglöhnen, akkordähnlichen oder sonstigen leistungsbezogenen Prämien oder Entgelten bemisst sich das fortzuzahlende Entgelt nach dem Durchschnitt der letzten 13 voll gearbeiteten Wochen (in der Praxis werden auch gerne drei Monate herangezogen).

Aufwandsentschädigungen, wie Diäten, Reisekosten sind nicht zu berücksichtigen.

Bei Provisionsangestellten ist neben dem Fixum der Durchschnittsverdienst der Provision der letzten zwölf Monate vor dem Krankheitsfall heranzuziehen.

Steuerfreie Essensmarken in Höhe von EUR 4,40 pro Arbeitstag sind nicht in die Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall miteinzubeziehen.

Auch geringfügig beschäftigte Angestellte haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Entgeltfortzahlung bei Erkrankung an Feiertagen

In der Regel bricht ein Feiertag den Krankenstand während eines aufrechten Dienstverhältnisses.

Ein an einem Feiertag erkrankter Arbeitnehmer erhält ein Feiertagsentgelt, wenn an diesem Tag keine Arbeitspflicht bestand. Feiertage, die daher auf einen Arbeitstag fallen, verlängern den Entgeltfortzahlungszeitraum. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Dienstverhältnis eines Arbeitnehmers während seines Krankenstandes beendet wird. Feiertage, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegen, sind daher in die Entgeltfortzahlungsdauer einzuberechnen und verlängern nicht die Anspruchsdauer nach § 2 Abs 1 EFZG (vgl OGH 9 ObA 13/18d).

Fällt ein Feiertag in einen Entgeltfortzahlungszeitraum, in dem nur noch ein Anspruch auf 50 % Entgeltfortzahlung besteht, gebührt trotzdem das Feiertagsentgelt zu 100 % (vgl NÖDIS, Nr 9/Juni 2018).

Entgeltfortzahlung für Katastrophenhelfer

Seit 01.09.2019 haben Dienstnehmer, die an der Dienstleistungleistung wegen eines Einsatzes als freiwilliges Mitglied einer Katastrophenhilfsorganisation, eines Rettungsdienstes oder einer freiwilligen Feuerwehr bei einem Großschadensereignis oder als Mitglied eines Bergrettungsdienstes verhindert sind, Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn das Ausmaß und die Lage der Dienstfreistellung mit dem Dienstgeber vereinbart wird (vgl § 8 Abs 3a AngG).

Ein Großschadensereignis ist eine Schadenslage, bei der während eines durchgehenden Zeitraumes von zumindest acht Stunden insgesamt mehr als 100 Personen notwendig im Einsatz sind (vgl § 3 Z 3 lit b KatFG).

Dem Dienstgeber steht als Entschädigung für die gewährte Entgeltfortzahlung eine Prämie in Höhe von EUR 200,00 pro im Einsatz befindlichen Dienstnehmer und Tag aus dem Katastrophenfonds zu.