Dokument-ID: 868096

Judikatur | Entscheidung

2013/15/0245; VwGH; 29. Juni 2016

GZ: 2013/15/0245 | Gericht: OGH vom 29.06.2016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Beschwerde des K L S e.U. in L, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Neutorgasse 51/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Graz, vom 3. Juli 2013, Zl RV/0718-G/10, betreffend Haftungs- und Abgabenbescheide hinsichtlich Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag samt Säumniszuschlägen für die Jahre 2004 und 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Beschwerdeführer ist im Firmenbuch als Einzelunternehmer mit einer Firma eingetragen gewesen, die aus seinem Vor- und Nachnamen (X.Y.) und dem Zusatz „Sicherheitsunternehmen“ sowie dem Hinweis auf das Einzelunternehmen „e.U.“ besteht.

2 Mit Haftungs- und Abgabenbescheiden vom 15. Juni 2009 wurde der Beschwerdeführer seitens des Finanzamts für die Jahre 2004 und 2005 als Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer in Anspruch genommen. Zudem wurden ihm der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Säumniszuschläge vorgeschrieben. Begründend wurde auf den beiliegenden Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung verwiesen, wonach die Nachversteuerung von Schwarzlöhnen laut Berechnungsbeilagen erfolge. Für einige Kalendermonate seien die bei einer Hausdurchsuchung vorgefundenen Belege vorgelegen. Die für diese Zeiträume ermittelten unversteuerten Löhne würden die Grundlagen für die Schätzung der Jahreslohnsumme bilden.

3 Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte vor, er sei für die vorgeschriebenen Abgaben nicht passivlegitimiert bzw haftbar. Die gegenständlichen Bescheide seien an ihn als Rechtsnachfolger der Z KEG gerichtet. Die Behörde spreche daher den Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger der KEG an. Die Z KEG sei am 15. Oktober 2003 entstanden. Persönlich haftender Gesellschafter sei T gewesen, er sei lediglich Kommanditist gewesen. Im gegenständlichen Zeitraum sei er ex lege sowohl von der Geschäftsführung als auch von der Vertretung der Z KEG ausgeschlossen gewesen. Für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum könne er als bloßer Kommanditist daher schon von Gesetzes wegen nicht als in dieser Zeit abgabenpflichtiger Arbeitgeber angesehen werden. Mit Vereinbarung vom 10. Jänner 2007 habe der Beschwerdeführer als damaliger Kommanditist vom damaligen Komplementär das Unternehmen zum 1. Jänner 2007 übernommen. Das übernommene Unternehmen sei dann als „(X.Y.) Sicherheitsunternehmen e.U.“ geführt worden. Vor dem Hintergrund dieses Unternehmensüberganges hätte die belangte Behörde bei rechtsrichtiger Vorgangsweise die Regelung des § 14 Abs 1 lit a BAO berücksichtigen müssen. Dabei hätte sie erkennen müssen, dass das letzte vor der Übereignung liegende Kalenderjahr das Jahr 2006 sei und schon deswegen eine Haftung des Beschwerdeführers für Abgabenverbindlichkeiten des von ihm übernommenen Unternehmens für die Zeit 1. Jänner 2004 bis 31. Dezember 2005 ausscheide. Eine derartige Haftung scheide im Übrigen umso mehr aus, als er im Zeitpunkt der Übereignung des Unternehmens die in Betracht kommenden Abgaben weder gekannt habe, noch kennen hätte müssen. Er habe darauf vertrauen können, dass der Komplementär – seinen Zusagen entsprechend – alle abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Z KEG immer ordnungsgemäß erfüllt habe. Die erstinstanzlichen Verfahren seien zudem ohne Information und ohne Involvierung des Beschwerdeführers geführt worden, sodass ihm weder von der Einleitung der Verfahren, noch von der Durchführung der Verfahren und von den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Kenntnis verschafft worden sei. Er habe auch nicht die Möglichkeit gehabt, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung oder Akteneinsicht zu nehmen und Beweisanträge zu stellen. Hätte die Abgabenbehörde erster Instanz den Beschwerdeführer über Einleitung, Durchführung, Verfahrensstand, etc. des gegenständlichen Verfahrens informiert, so hätte er letztlich auch dartun können, dass offenbar die den Bescheiden zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage unrichtig sei. Im Übrigen beantrage er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor Erlassung der Berufungsentscheidung.

4 Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung – nach einer Berufungsvorentscheidung des Finanzamts und dem Antrag des Beschwerdeführers auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz – als unbegründet ab. Begründend führte sie aus, im Firmenbuch sei am 15. Oktober 2003 die Z KEG eingetragen worden. Gemäß § 907 Abs 2 UGB habe die ursprüngliche KEG mit Stichtag 1. Jänner 2007 als KG gegolten. Einziger Komplementär der Gesellschaft sei T und einziger Kommanditist der Beschwerdeführer gewesen. Mit der am 16. Jänner 2007 beim Firmenbuchgericht eingelangten Eingabe sei mitgeteilt worden, dass der bisherige persönlich haftende Gesellschafter mit Ablauf des 31. Dezember 2006 ausgeschieden sei und der Beschwerdeführer als verbleibender Gesellschafter mit 1. Jänner 2007 „das bisherige Geschäft dieser KEG, dies ohne Liquidation und mit allen Aktiven und allen Passiven im Sinne von §§ 142, 38 UGB, dies als eingetragener Einzelunternehmer unter der Firma (X.Y.) Sicherheitsunternehmen e.U.“ übernehme. Im Firmenbuch sei am 8. Februar 2007 die Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB durch „(X.Y.) Sicherheitsunternehmen e. U.“ eingetragen worden. Die Gesellschaft sei aufgelöst und gelöscht worden. Eine Abwicklung (Liquidation) des Unternehmens habe nicht stattgefunden, eine Eintragung im Sinne des § 3 Abs 1 Z 12 Firmenbuchgesetz sei nicht vorgenommen worden.

5 Gemäß § 142 Abs 1 UGB erlösche die Gesellschaft ohne Liquidation, wenn nur noch ein Gesellschafter verbleibe. Das Gesellschaftsvermögen gehe im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über. Da sowohl bei einer Übernahme gemäß § 142 Abs 1 HGB in der Fassung vor dem Handelsrechts-Änderungsgesetz – HaRÄG, BGBl I Nr 120/2005, (Hinweis auf VwGH vom 21. Dezember 2000, 2000/16/0563), als auch bei einer Übernahme gemäß § 142 Abs 1 UGB in der Fassung des HaRÄG das Gesellschaftsvermögen im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter übergehe, habe es keiner Erwägungen bedurft, welche Fassung dieser Rechtsvorschrift die Grundlage für den Vermögensübergang bilde. Gesamtrechtsnachfolger sei im Beschwerdefall der Beschwerdeführer und Kommanditist der aufgelösten Gesellschaft.

6 Die bloße Löschung und Auflösung einer Kommanditgesellschaft bedeute noch nicht deren Vollbeendigung, weshalb die Kommanditgesellschaft, solange nicht eine Abwicklung ihrer Rechtsverhältnisse ua zum Abgabengläubiger erfolgt sei, auch im Abgabenverfahren ihre Angelegenheiten betreffend die Parteifähigkeit beibehalte. Allerdings treffe dies nicht zu, wenn die Kommanditgesellschaft beendet werde und ein Gesamtrechtsnachfolger vorhanden sei (Hinweis auf VwGH vom 19. September 2007, 2004/13/0097). Der Beschwerdeführer als Gesamtrechtsnachfolger trete an die Stelle der beendeten Z KEG. Bei einer Gesamtrechtsnachfolge gingen unabhängig von § 38 UGB auch alle Passiven über.

7 Gemäß § 19 Abs 1 BAO gingen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Der Gesamtrechtsnachfolger trete sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht an die Stelle des Rechtsvorgängers (Hinweis auf VwGH 19. Dezember 1996, 94/16/0263). Bei der Gesamtrechtsnachfolge gingen die abgabenrechtlichen Ansprüche und Schulden des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für die beim Rechtsvorgänger entstandenen Abgabenschulden werde der Gesamtrechtsnachfolger nicht als Haftender, sondern als Abgabenschuldner in Anspruch genommen. Die gegenständlichen Abgabenbescheide waren daher an den Beschwerdeführer als Gesamtrechtsnachfolger zu richten.

8 Gemäß § 82 EStG 1988 hafte der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Auch Haftungen gehen im Wege des § 19 BAO auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Da die Haftung gemäß § 82 EStG 1988 der Z KEG gegenüber vor der Vermögensübernahme durch den Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden sei, sei der Beschwerdeführer als Gesamtrechtsnachfolger in dieselbe Haftungsstellung wie seine Vorgängerin gerückt. Die verfahrensgegenständlichen Haftungsbescheide seien daher dem Beschwerdeführer gegenüber zu erlassen. Ergänzend sei festzuhalten, dass, wenn die Haftung bereits der Z KEG gegenüber geltend gemacht worden wäre und dadurch für sie die Abgabenschuld entstanden wäre, die Abgabenschuld auf den Beschwerdeführer als Gesamtrechtsnachfolger übergegangen wäre.

9 Die Bestimmung des § 14 BAO sei im verfahrensgegenständlichen Fall nicht einschlägig, sie gelte nur für den als Einzelrechtsnachfolge anzusehenden Erwerb von Betrieben. Diese Bestimmung gelte daher nicht bei einer Gesamtrechtsnachfolge, bei einer Gesamtrechtsnachfolge trete nach § 19 BAO selbsttätiger Schuldübergang ein. Es habe daher keiner Erwägungen darüber bedurft, ob die Voraussetzungen für eine Haftung gemäß § 14 BAO vorlägen, und auch keiner darüber, ob der Beschwerdeführer Einfluss auf die Geschäftsführung gehabt habe, ob von ihm die Schwarzgeldlohnauszahlungen getätigt worden seien oder ob im Rahmen des § 14 BAO auch eine Haftung für den Dienstgeberbeitrag bestehe.

10 Begründungsmängel im erstinstanzlichen Verfahren könnten im Rechtsmittelverfahren saniert werden. Selbst wenn die angefochtenen Bescheide keine Begründung enthalten hätten, wäre durch die Begründung in der Berufungsvorentscheidung eine Sanierung des Mangels vorgelegen. Gemäß § 115 Abs 2 BAO sei den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Eine etwaige Verletzung des Rechts auf Parteiengehör sei im Berufungsverfahren sanierbar und könne durch die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides saniert werden. Selbst wenn – wie in der Berufung vorgebracht werde – der Beschwerdeführer über „Einleitung, Durchführung, Verfahrensstand, etc.“ nicht informiert gewesen sein sollte, so habe er spätestens mit der Zustellung der verfahrensgegenständlichen Bescheide Kenntnis darüber erlangt. Der Beschwerdeführer hätte im Berufungsverfahren (nach Ergehen der Haftungs- und Abgabenbescheide und auch nach Ergehen der Berufungsvorentscheidung) ausreichend Gelegenheit gehabt darzutun, „dass offenbar die den berufungsgegenständlichen Bescheiden zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage unrichtig ist.“ Er hätte auch in der mündlichen Berufungsverhandlung, die auf seinen Antrag hin stattgefunden habe, das vorhin zitierte Vorbringen konkretisieren können. Er habe betreffend die Höhe der Bemessungsgrundlage jedoch weder konkrete Angaben gemacht, noch diesbezügliche Unterlagen vorgelegt, der mündlichen Berufungsverhandlung sei er fern geblieben. Ergänzend sei festzuhalten, dass der Vertreter der Rechtsvorgängerin zum Zeitpunkt der Prüfung auch Vertreter des Beschwerdeführers gewesen sei. Die den verfahrensgegenständlichen Bescheiden zugrunde liegende Lohnsteuerprüfung sei beim Vertreter durchgeführt und die Niederschrift über die Schlussbesprechung mit dem Vertreter aufgenommen worden. Dieser lasse sich auch entnehmen, dass die bei einer Hausdurchsuchung vorgefundenen Belege der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen gedient hätten. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe die Niederschrift unterfertigt und somit Kenntnis von deren Inhalt erlangt. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer am 4. Juni 2009 und somit vor Erlassung der angefochtenen Bescheide von der Steuerfahndung vernommen worden. Gegenstand der Vernehmung sei der mit den Schwarzgeldlohnauszahlungen der Z KEG zusammenhängende Verdacht der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs 2 lit b FinStrG gewesen; dabei seien dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Lohnsteuerprüfung mitgeteilt und die Aussagen der übrigen Beteiligten zur Kenntnis gebracht worden. Der Beschwerdeführer habe im Zuge der Vernehmung zwar seine Verantwortung für die Schwarzgeldzahlungen, jedoch nicht die Tatsache, dass es diese gegeben habe, bestritten. Die Staatsanwaltschaft Graz habe laut der vom Beschwerdeführer vorgelegten Benachrichtigung vom 19. August 2010 das Verfahren gegen ihn wegen §§ 12 zweite Alternative, 105 Abs 1 StGB eingestellt, jedoch nicht das wegen § 33 Abs 2 lit b FinStrG.

11 Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Gemäß § 19 Abs 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über.

Gesamtrechtsnachfolge liegt insbesondere bei einer Übernahme gemäß § 142 UGB vor (vgl. – unter Hinweis auf Entscheidungen des OGH sowie auf hg. Rechtsprechung – Ritz, BAO5 § 19 Rz 1 sowie beispielsweise VwGH vom 13. April 2005, 2005/13/0004).

14 Im Verfahren ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer Rechtsnachfolger der Z KG ist. Damit gingen gemäß § 19 Abs 1 BAO die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten der Z KG auf ihn über. Insbesondere ist der Beschwerdeführer damit dazu verpflichtet, Abgaben der Z KG zu tragen; dem Beschwerdeführer stehen anderseits die sich aus nachträglichen Herabsetzungen von Abgaben betreffend die Z KG ergebenden Gutschriften zu (vgl. VwGH vom 26. November 2014, 2012/13/0114).

15 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass der angefochtene Bescheid – im Gegensatz zum erstinstanzlichen Bescheid – nicht an ihn selbst, sondern an das von ihm geführte Einzelunternehmen „(X.Y.) Sicherheitsunternehmen e.U.“ und daher an „ein im Firmenbuch eingetragenes Unternehmen, das eine eigene Rechtspersönlichkeit hat und somit nicht ident mit dem tatsächlichen Adressaten der berufungsgegenständlichen Bescheide und dem tatsächlichen Berufungswerber“ gerichtet gewesen sei, ist ihm Folgendes entgegen zu halten: Gemäß § 17 Abs 2 UGB kann „ein

Unternehmer … in Verfahren vor Gerichten oder

Verwaltungsbehörden seine Firma als Parteibezeichnung führen und mit seiner Firma als Partei bezeichnet werden“. Durch die Verwendung dieser Firma iSd § 17 UGB zur Bezeichnung des Bescheidadressaten hat die belangte Behörde den Bescheid gegenüber dem Beschwerdeführer erlassen; denn die Firma des Einzelunternehmers ist keine juristische Person und nicht die Firma als bloßer Name (Parteibezeichnung) ist der Träger von Rechten und Pflichten, sondern die damit angesprochene Rechtspersönlichkeit, nämlich der Einzelunternehmer (vgl. VwGH vom 17. Februar 1997, 93/10/0034).

16 Der Beschwerdeführer rügt ferner, dass er zur mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Im Zuge einer nach Zustellung des angefochtenen Bescheids vorgenommenen Akteneinsicht habe sich herausgestellt, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit einer mit 3. Juni 2013 datierten Ladung zu Handen des Steuerberaters A zu einer für den 1. Juli 2013 anberaumten mündlichen Verhandlung geladen habe. Mit Eingabe vom 5. Juni habe der Steuerberater der belangten Behörde daraufhin mitgeteilt, dass er den Brief irrtümlich übernommen habe und ungeöffnet retourniere, weil er den Beschwerdeführer schon seit Jahren nicht mehr vertrete. In weiterer Folge sei eine mit 12. Juni 2013 datierte Ladung des Beschwerdeführers für die am 1. Juli 2013 anberaumte mündliche Verhandlung abgefertigt worden. Diese sei laut Übernahmebestätigung am 17. Juni 2013 von einer Person namens B, die am Übernahmeschein als Arbeitnehmerin gekennzeichnet ist, übernommen worden. Bei nachfolgender Prüfung habe sich herausgestellt, dass es sich dabei um eine Person handle, die nicht beim Beschwerdeführer, sondern bei einem anderen Unternehmen beschäftigt sei. Frau B sei am 17. Juni 2013 vertretungsweise im Infobereich des allgemeinen Sekretariates tätig gewesen und habe dort offenbar – ohne dazu bevollmächtigt zu sein – das Schriftstück übernommen und dann verabsäumt, es dem Beschwerdeführer auszuhändigen. Der Beschwerdeführer habe daher keine Kenntnis vom Termin der mündlichen Verhandlung gehabt.

17 In der von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift bringt diese vor, der Beschwerdeführer sei sehr wohl ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen worden. In der Berufung vom 15. Juli 2009 (und im Vorlageantrag) sei der Beschwerdeführer unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht von Dr. A (Steuerberater) vertreten gewesen. Eine allgemeine Vollmacht umfasse nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die Zustellungsbevollmächtigung. Dies gelte auch dann, wenn sich ein Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht berufe (Hinweis auf VwGH vom 3. Juli 2009, 2008/17/0154). Dem Vertreter des Beschwerdeführers sei die Vorladung vom 3. Juni 2013 für die am 1. Juli 2013 anberaumte (und durchgeführte) Berufungsverhandlung laut Zustellnachweis am 5. Juni 2013 zugestellt worden. In dieser Zustellung an den Vertreter liege keine Rechtswidrigkeit (Hinweis auf VwGH vom 28. September 2004, 2002/14/0021). Mit Schreiben vom 5. Juni 2013 habe der Vertreter die ihm (zuvor) zugestellte Vorladung vom 3. Juni 2013 zurückgesandt und angegeben, dass diese irrtümlich übernommen worden sei und der Beschwerdeführer von der Kanzlei steuerlich nicht mehr vertreten werde. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs werde die Kündigung der Vollmacht eines Parteienvertreters der Behörde gegenüber, bei welcher der Vertreter eingeschritten sei, erst wirksam, wenn sie ihr mitgeteilt werde. Im gegenständlichen Fall sei die Mitteilung der Vollmachtskündigung erstmals mit dem Schreiben vom 5. Juni 2013 erfolgt, das am 6. Juni 2013 bei der belangten Behörde eingelangt sei. Die Kündigung der Vollmacht sei somit der belangten Behörde gegenüber erst nach Zustellung der Ladung wirksam geworden. Das bedeute, dass die Zustellung der Ladung zur mündlichen Berufungsverhandlung dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei (Hinweis auf VwGH 29. Juni 1994, 94/03/0098).

18 Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer mit (weiterer) Ladung vom 12. Juni 2013 zu der mündlichen Verhandlung geladen worden. Auf Grund des Rückscheins betreffend die Zustellung stehe fest, dass der Beschwerdeführer als Empfänger ausgewiesen gewesen sei, die Ladung am 17. Juni 2013 übernommen worden sei und der Rückschein von B mit dem Vermerk „Arbeitnehmer“ unterschrieben worden sei (unter der Angabe „Arbeitnehmer“ sei zusätzlich zu der Unterschrift der Name der Übernehmerin in Blockbuchstaben angegeben worden). Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass es sich dabei um Frau B gehandelt habe, die nicht bei ihm beschäftigt gewesen sei. Fest stehe, dass Frau B im Zeitpunkt der fraglichen Zustellung Arbeitnehmerin der L GmbH gewesen sei. Damit sei aber noch nicht die Frage beantwortet, ob Frau B nicht trotzdem als Ersatzempfängerin im Sinne des § 16 Abs 2 ZustellG in Betracht komme. Für die dort geforderte Arbeitnehmereigenschaft sei die Rechtsgrundlage des Beschäftigungsverhältnisses ebenso unerheblich wie die Frage, ob die Beschäftigung entgeltlich oder unentgeltlich erfolge; die Leistung müsse bloß einvernehmlich, also mit Wissen und Willen des Arbeitgebers erbracht werden. Es komme nur darauf an, ob Abhängigkeit und Unselbständigkeit des Übernehmers der Postsendung vom Adressaten vorliege (Hinweis auf VwGH 13. November 2012, 2010/05/0027). Der Beschwerdeführer habe angegeben, Frau B sei am Tag der Zustellung der Ladung im Sekretariat des Beschwerdeführers tätig gewesen und habe die Ladung übernommen und es verabsäumt, sie ihm auszuhändigen. Fest stehe auch, dass die Berufungsentscheidung vom 3. Juli 2013, die an die selbe Abgabestelle gerichtet gewesen sei wie die Ladung, von Frau R mit dem Vermerk „Arbeitgeber/Arbeitnehmer“ übernommen worden sei. Auch Frau R sei Arbeitnehmerin der L GmbH. Betreffend die Zustellung der Berufungsentscheidung gehe auch der Beschwerdeführer von einer wirksamen Zustellung aus. Es sei daher davon auszugehen, dass die bei der L GmbH beschäftigten Arbeitnehmerinnen die Obliegenheit gehabt hätten, die Post für den Beschwerdeführer zu übernehmen. Vom Beschwerdeführer sei daher akzeptiert worden, dass die Übernahme von für ihn bestimmten Postsendungen von Arbeitnehmern der L GmbH erfolge. Dies bedeute eine Einbindung der Arbeitnehmer in die innerbetriebliche Organisationsstruktur des Beschwerdeführers. Frau B sei daher als Arbeitnehmerin des Beschwerdeführers im Sinne des § 16 Abs 2 ZustellG zu qualifizieren. Für ein Verlangen beim Zustelldienst, dass an Frau B nicht zugestellt hätte werden dürfen, lägen keine Anhaltspunkte vor.

19 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits wiederholt ausgesprochen hat, wird – worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht hinweist – die Kündigung der Vollmacht eines Parteienvertreters der Behörde gegenüber, bei welcher der Vertreter eingeschritten ist, erst wirksam, wenn sie dieser mitgeteilt wird (vgl. jeweils mwN beispielsweise VwGH vom 29. Juni 1994, 94/03/0098; vom 18. Oktober 1996, 95/09/0103, sowie vom 19. März 2009, 2007/18/0112).

20 Die erste Ladung wurde daher – wie von der belangten Behörde angenommen – rechtswirksam zugestellt. Allerdings wurde diese Ladung der belangten Behörde ungeöffnet zurückgestellt, sodass die belangte Behörde wusste, dass der ehemalige Beschwerdeführervertreter nicht einmal Kenntnis vom Inhalt der Sendung hatte und daher an den Beschwerdeführer auch keine Mitteilung darüber erstatten konnte. Der mündlichen Verhandlung kommt allerdings grundsätzliche Bedeutung für die Wahrung der Parteienrechte zu. Dieser Bedeutung hat die BAO auch bereits in ihrer Fassung vor dem FVwGG 2012 Rechnung getragen, indem sie grundsätzlich ein unbedingtes Recht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorsieht, wenn dies der Berufungswerber – was im vorliegenden Fall unstrittig gegeben war – rechtzeitig beantragt. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung zu einem Termin, wobei der belangten Behörde von Vornherein bewusst ist, dass weder der Partei noch ihrem (ehemaligen) Vertreter der Termin bekannt ist, zeitigt für die Partei grob nachteilige Folgen, weil sie de facto den Verlust seiner in der mündlichen Verhandlung vorgesehenen Verteidigungsrechte bewirkt und seine Mitwirkung an der Sachaufklärung (insbesondere mündlich die für seinen Standpunkt sprechenden Fakten vorzubringen und zu Beweisergebnissen Stellung zu nehmen) hindert.

21 Gemäß § 284 Abs 4 BAO idF vor dem FVwGG hat der Vorsitzende des Berufungssenates bzw der Referent „den Ort und den Zeitpunkt der Verhandlung zu bestimmen“. Gemäß § 285 Abs 1 BAO idF vor dem FVwGG hat er die mündliche Verhandlung „erforderlichenfalls zu vertagen“ und dafür „Sorge zu tragen, dass die Sache vollständig, erforderlichenfalls in Rede und Gegenrede, erörtert wird.“ Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits festgehalten, dass eine Vertagung der mündlichen Berufungsverhandlung auch vor dem Hintergrund der gesetzlichen Bestimmung des § 280 BAO idF vor dem FVwGG 2012 geboten sein kann, weil die Abgabenbehörde zweiter Instanz danach auf neue Tatsachen, Beweise und Anträge Bedacht zu nehmen hat, die ihr im Laufe des Berufungsverfahrens, dh gegebenenfalls auch noch in der mündlichen Berufungsverhandlung, zur Kenntnis gelangen. Dies gilt unabhängig davon, ob die am Verfahren beteiligten Parteien ihr Vorbringen schon früher hätten erstatten können (vgl. VwGH vom 24. Februar 1993, 92/13/0045). Muss die belangte Behörde aber gegebenenfalls eine Vertagung der mündlichen Verhandlung vornehmen, wenn dies für die weitere Sachaufklärung notwendig ist, so gilt dies umso mehr, wenn ihr von Vornherein mit Sicherheit bekannt ist, dass die Verständigung über einen anberaumten Verhandlungstermin den Berufungswerber gar nicht erreicht hat.

22 Im Lichte der obigen Ausführungen besteht daher – ungeachtet einer rechtswirksamen Ladung des Berufungswerbers – in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, in der aufgrund eines offensichtlichen Informationsdefizits von Vornherein die Möglichkeit einer Teilnahme und Mitwirkung des Berufungswerbers (oder seines Vertreters) ausgeschlossen ist, eine Vertagungspflicht der belangten Behörde, sofern nicht eine neuerliche rechtswirksame rechtzeitige Verständigung des Berufungswerbers oder seines neuen Parteivertreters vom ursprünglichen Termin der mündlichen Verhandlung erfolgt. Kommt die Berufungsbehörde dem nicht nach, ist dies dem rechtswidrigen Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung gleichzuhalten (vgl. VwGH vom 23. Jänner 2013, 2010/15/0196).

23 Die belangte Behörde hat in diesem Sinne auch einen zweiten Ladungsversuch unternommen, dieser hat aber nicht zu einer rechtswirksamen Zustellung geführt. Die Übernehmerin B war – wie auch die belangte Behörde auf Grundlage eines Versicherungsdatenauszuges der Österreichischen Sozialversicherung in ihrer Gegenschrift einräumt – keine Arbeitnehmerin des Beschwerdeführers. Dass eine gemeinsame „Einlaufstelle“ mehrere Unternehmen vorgelegen wäre, ist allerdings nur eine Mutmaßung der belangten Behörde in der Gegenschrift, die nicht auf unter Wahrung von Parteiengehör getroffenen näheren Feststellungen beruht. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer rechtswirksamen Zustellung ausgegangen werden. Damit verbleibt aber nur die erste Ladung, die zwar rechtswirksam war, die aber in der besonderen Konstellation des Beschwerdefalls eine Vertagungsverpflichtung (bzw. ergänzende Verständigungspflicht) der belangten Behörde ausgelöst hat, der sie im Ergebnis nicht nachgekommen ist.

24 Das Unterbleiben einer gesetzmäßig beantragten Berufungsverhandlung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes außerhalb des Anwendungsbereichs der Europäischen Grundrechtecharta ein Verfahrensmangel, der nur dann zur Aufhebung eines vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides führt, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, was der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof so weit darzustellen hat, dass ein solches Ergebnis vom Verwaltungsgerichtshof nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. etwa VwGH vom 31. Juli 2002, 98/13/0011, m.wN). Welches Vorbringen der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung hätte erstatten können, zeigt er in der Beschwerde auf, wenn er auf Einwände hinsichtlich der Bemessungsgrundlage hinweist und dazu ein Schreiben der Abgabenbehörde erster Instanz vom 22. März 2012 vorlegt, in dem dieses gegenüber dem Landesgericht für Strafsachen im parallel geführten Finanzstrafverfahren seine ursprüngliche Schätzung im Hinblick auf die Geringfügigkeit von einzelnen Beschäftigungsverhältnissen und eine dadurch fehlende Lohnsteuerpflicht zurücknimmt und deutlich reduziert.

25 Mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers ungeachtet der aufgezeigten Vertagungs- bzw Verständigungsverpflichtung hat die belangte Behörde somit ihren Bescheid mit einer Verfahrensverletzung belastet, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können.

26 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der als Rechtsnachfolger gemäß § 19 BAO herangezogene Beschwerdeführer schon in seiner Berufung angegeben hat, dass er auch dartun hätte können, dass offenbar die den Bescheiden zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage unrichtig sei, wenn die Abgabenbehörde erster Instanz ihn über Einleitung, Durchführung, Verfahrensstand, etc. des gegenständlichen Verfahrens informiert hätte. Damit war für die belangte Behörde offenbar, dass der Beschwerdeführer diesbezügliche Bedenken in der mündlichen Verhandlung thematisieren möchte. Vor diesem Hintergrund hätte sich die belangte Behörde mit der Bemessungsgrundlage beschäftigen müssen. Die Begründung des angefochtenen Bescheids enthält dazu jedoch keinerlei Ausführungen, sondern beschränkt sich auf die Erörterung der Heranziehung des Beschwerdeführers im Wege des § 14 oder des § 19 BAO. Auch in der in Abwesenheit des Beschwerdeführers geführten mündlichen Verhandlung hat die belangte Behörde gegenüber der Abgabenbehörde erster Instanz die Bemessungsgrundlage nicht thematisiert und sich diesbezüglich nach dem Stand des Finanzstrafverfahrens erkundigt. Damit hat die belangte Behörde ihren Bescheid auch mit einem wesentlichen Begründungsmangel belastet.

27 Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

28 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

29 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 29. Juni 2016

Leitsätze