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6 Ob 204/23b; OGH; 20. Dezember 2023
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. A*, 2. C*, beide vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, wider die Antragsgegner 1. Dr. C*, 2. Mag. K*, 3. G*, alle vertreten durch Univ. Prof. Dr. Hubertus Schumacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands der zu FN * in das Firmenbuch eingetragenen G* Privatstiftung mit dem Sitz in * gemäß § 27 Abs 2 PSG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 15. September 2023, GZ 3 R 163/22b 82, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Voraussetzung für die Abberufung von Mitgliedern eines Stiftungsorgans wegen grober Pflichtverletzung iSd § 27 Abs 2 Z 2 PSG ist deren grobes Verschulden (RS0059403 [T5]). Zu würdigen ist dabei auch das Schadenspotential der Fehlentwicklung sowie deren vorübergehender oder dauerhafter Charakter (RS0059403 [T6]). Letztlich ist die Frage, ob ein wichtiger Grund iSd § 27 Abs 2 PSG für die Abberufung vorliegt, immer unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens der Privatstiftung, letztlich unter dem Gesichtspunkt zu sehen, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in der Zukunft gewährleistet ist (RS0112248).
[2] Die Vorinstanzen haben sich an diesen Grundsätzen orientiert. In der Verneinung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für die Abberufung der Antragsgegner als Mitglieder des Stiftungsvorstands im vorliegenden Einzelfall liegt keine erhebliche Rechtsfrage.
[3] 2. Beide Antragsteller sind Mitstifter, Mitglieder des Beirats und Begünstigte der Stiftung. In Reaktion auf deren nach dem Ableben des Erststifters gesetzte eigenmächtige und (letztlich) für die Stiftung nachteilige Verhalten begehrten die (nunmehrigen) Antragsgegner die Abberufung der (nunmehrigen) Antragsteller als Beiräte.
[4] Die Antragsteller stehen auf dem Standpunkt, dieses Begehren sei (schon damals) rechtswidrig gewesen und habe der „ständigen Rechtsprechung“ des Obersten Gerichtshofs widersprochen. Es kann von diesem Vorbringen (noch erkennbar) der gegen das Rekursgericht erhobene Vorwurf, (auch) dieses weiche mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Höchstgerichts ab, als eingeschlossen angesehen werden.
[5] Die Prämisse der Antragsteller, es sei dazu schon im Zeitpunkt der (damaligen) Stellung des Begehrens durch den Vorstand Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorgelegen, ist aber unrichtig. Tatsächlich fehlte im Zeitpunkt dieses Handelns (welcher Zeitpunkt für die Prüfung der Frage, ob eine grobe Pflichtverletzung vorliegt, aber maßgeblich ist; vgl RS0059528 [T3]) ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Abberufung von Beiratsmitgliedern (vgl 6 Ob 93/21a [Rz 16]).
[6] Die Stiftungsvorstände entzogen den Antragstellern deren Stellung als Beiräte nicht eigenmächtig, sondern strebten deren Abberufung über ein Gerichtsverfahren an. Darin, dass der Vorstand damals den Rechtsweg beschritt, kann keine grobe Pflichtverletzung erkannt werden, muss es doch – vor allem bei unklarer Sach und Rechtslage – dem Vorstand unbenommen bleiben, das Gericht als dafür berufenes Entscheidungsorgan anzurufen. Gerade vor dem Hintergrund der von den Antragstellern gesetzten Handlungen war die Einleitung eines Verfahrens weder als missbräuchlich noch als schikanös anzusehen.
[7] 3. Im Zeitpunkt der damals aufgetretenen Konfliktsituation fehlte auch eine rechtskräftige Entscheidung zur Frage, ob die Stimm, Informations und Teilnahmerechte der Begünstigten im Beirat wegen Konfliktverfangenheit ruhten, sowie zur Wirksamkeit des Entzugs der Begünstigtenstellung.
[8] Mit Blick auf die von den Antragstellern in einer Gesellschaft der Stiftung gesetzten mehr als kritikwürdigen Rechtshandlungen (die nach etlichen Rechtsstreitigkeiten großteils von diesen wieder rückgängig gemacht wurden [ein deswegen eingeleitetes Strafverfahren behing jedenfalls noch während des nunmehrigen Rekursverfahrens]) war die Beauftragung eines Rechtsgutachtens zur Auslegung von § 2 Abs 10 (Entzug der Zuwendungen) und Abs 11 (Entzug der Begünstigtenstellung) der Stiftungszusatzurkunde sowie zur Beurteilung, ob die Informations und Kontrollrechte des Beirats wegen Konfliktverfangenheit ruhten, sorgfaltsgemäß. Der Vorstand ist nämlich angehalten, rechtliche Zusammenhänge eingehend zu prüfen und bei entsprechender Bedeutung der Fragen internen oder externen Rechtsrat einzuholen (vgl 6 Ob 198/15h). Wenn sich die Antragsgegner als Mitglieder des Stiftungsvorstands in der Folge bei ihrem Vorgehen hinsichtlich jener Fragen am Ergebnis des beauftragten Gutachtens einer Rechtswissenschafterin und Universitätsprofessorin orientierten, bedarf die Beurteilung der Vorinstanzen, ihnen sei dabei kein Verschulden vorzuwerfen, keiner Korrektur.
[9] 4. Eine Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Stiftungsvorstands zur Erreichung des Stiftungszwecks (für welchen Abberufungsgrund es keines Verschuldens bedürfte) ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Zeitnah nach Zugang der höchstgerichtlichen Entscheidung im Verfahren über die Abberufung der Beiratsmitglieder (6 Ob 93/21a) wurden vom Stiftungsvorstand wieder Beiratssitzungen abgehalten, worin sich zeigt, dass dieser adäquat auf die nunmehr geklärte Rechtslage reagierte. Auch die Bereitschaft zur Auszahlung von Zuwendungen nach Zugang der Entscheidungen in verschiedenen Gerichtsverfahren bietet keinen Anlass für die Annahme, die Erfüllung des nachgeordneten Stiftungszwecks – die Leistung von Zuwendungen an die Begünstigten – sei durch den Stiftungsvorstand mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gefährdet.
[10] 6. Insgesamt vermag der Revisionsrekurs nicht darzustellen, dass eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vorliegt (vgl RS0043644), sodass der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.
Leitsätze
-
Abberufung des Stiftungsvorstands, der den Beirat abberufen wollte
Voraussetzung für die Abberufung von Mitgliedern eines Stiftungsorgans wegen grober Pflichtverletzung iSd § 27 Abs 2 Z 2 PSG ist deren grobes Verschulden (RS0059403). Zu würdigen ist dabei auch das Schadenspotenzial der Fehlentwicklung sowie deren vorübergehender oder dauerhafter Charakter (RS0059403). Letztlich ist die Frage, ob ein wichtiger Grund iSd § 27 Abs 2 PSG für die Abberufung vorliegt, immer unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens der Privatstiftung, letztlich unter dem Gesichtspunkt zu sehen, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in der Zukunft gewährleistet ist (RS0112248).Birgit Zettel | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 204/23b | OGH vom 20.12.2023 | Dokument-ID: 1183288