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6 Ob 210/14x; OGH; 15. Dezember 2014
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Steyr zu FN ***** eingetragenen Privatstiftung E***** mit dem Sitz in H*****, über den Revisionsrekurs der Privatstiftung, vertreten durch Eiselsberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 22. Oktober 2014, GZ 6 R 182/14x-18, womit der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 19. September 2014, GZ 21 Fr 1217/14k-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass dem Erstgericht die Entscheidung über das Firmenbuchgesuch unter Abstandnahme von dem angezogenen Abweisungsgrund aufgetragen wird.
Begründung
I***** S*****, M***** B*****, W***** E*****, S***** E***** und M***** T***** errichteten mit Notariatsakt vom 5. Jänner 1995 die Privatstiftung E*****.
Die Absätze 1 und 2 des § 15 der Stiftungsurkunde vom 5. Jänner 1995 lauten:
§ 15
Änderung der Stiftungserklärung
(1) Die Stifter behalten sich das Recht vor, Änderungen der Stiftungserklärung, gleichgültig ob sie in der Stiftungsurkunde oder in der Stiftungszusatzurkunde beurkundet sind, auch nach Eintragung der Privatstiftung in das Firmenbuch mit Zustimmung des Stiftungsbeirates vorzunehmen.
(2) Jeder der Stifter hat eine Stimme. Solange mehr als vier Stifter am Leben sind, ist zur Änderung der Stiftungserklärung eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich. Sind nur mehr vier Stifter am Leben, können Änderungen der Stiftungserklärung nur einstimmig vorgenommen werden. Das Recht zur Änderung der Stiftungserklärung erlischt, sobald nur noch drei Stifter am Leben sind.
Die Stifterin I***** S***** ist mittlerweile verstorben.
Mit Notariaktsakt vom 6. Mai 2014 änderten die Stifter S***** E*****, M***** T*****, M***** B***** und W***** E***** § 15 (nunmehr § 17) Abs 2 der Stiftungsurkunde wie folgt:
(2) Jeder Stifter hat eine Stimme. Solange mehr als vier Stimmen am Leben sind, ist zur Änderung der Stiftungserklärung eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich. Sind nur mehr vier Stifter am Leben, können Änderungen der Stiftungserklärung nur einstimmig vorgenommen werden. Sind nur mehr drei oder zwei Stifter am Leben, können Änderungen der Stiftungserklärung nur einstimmig vorgenommen werden, wobei der Stiftungszweck und Regelungen im Zusammenhang mit den Begünstigten und Begünstigungen, Letztbegünstigten und Letztbegünstigungen sowie der Besetzung und Beschlussfassung des Beirates und der Zustimmungsvorbehalt des Beirates zu Änderungen der Stiftungserklärung von drei oder zwei Stiftern nicht mehr geändert werden können. Das Recht zur Änderung der Stiftungserklärung erlischt, sobald nur noch ein Stifter am Leben ist.
Mit am 28. Mai 2014 beim Erstgericht eingelangtem Antrag beantragte die Privatstiftung, vertreten durch die vormaligen (mittlerweile zu 21 Fr 1509/14s des Erstgerichts gelöschten) Vorstandsmitglieder, neben der Eintragung weiterer mit Notariatsakt vom 6. Mai 2014 beschlossener Änderungen der Stiftungsurkunde auch die Eintragung der Änderung des § 17 Abs 2 der Stiftungsurkunde.
Mit Schriftsatz vom 11. August 2014 legte der mittlerweile neu bestellte Vorstand der Privatstiftung das notarielle Protokoll über die Sitzung des Beirates vom 31. Juli 2014 vor, in der der Beirat der Änderung der Stiftungsurkunde vom 6. Mai 2014 zugestimmt hatte.
Mit Beschluss vom 4. September 2014 räumte das Erstgericht unter Hinweis auf seine bereits geäußerte, unveränderte Rechtsansicht zur Frage der Gültigkeit der Änderung des § 17 Abs 2 der Stiftungsurkunde der Antragstellerin folgende Möglichkeiten ein: a) teilweise Zurückziehung des Gesuches; b) alternativ die Vorlage entweder einer konsolidierten Fassung der Stiftungsurkunde (ohne die Änderung des § 17) oder c) Entscheidung lediglich hinsichtlich des § 17 – in abweisender Form – und Vorbehalt der übrigen Entscheidungen oder d) (ohne Vorlage einer konsolidierten Fassung) Ergehen der Gesamtentscheidung und Vollzug im Firmenbuch nach Rechtskraft des Beschlusses.
Am 18. September 2014 beantragte die Privatstiftung eine Entscheidung lediglich hinsichtlich des geänderten § 17 der Stiftungsurkunde und den Vorbehalt der Entscheidung über die übrigen Änderungen der Stiftungsurkunde.
Daraufhin wies das Erstgericht den Antrag auf Bewilligung der Änderung der Stiftungsurkunde vom 6. Mai 2014 in § 17 Abs 2 der Stiftungsurkunde ab (Punkt 1. des Spruches) und behielt im Sinne des Antrages vom 18. September 2014 die Entscheidung über die Bewilligung des Antrages auf Änderung der Stiftungsurkunde vom 6. Mai 2014 in den §§ 7 Abs 1 und 5, 8 Abs 1 und 3, 9 Abs 2, 12 Abs 1 und 3 und 16 Abs 3 sowie der Vertretungsbefugnis vor (Punkt 2. des Spruches).
Gegen die Änderung der Stiftungsurkunde in den §§ 7 Abs 1 und 5, 8 Abs 1 und 3, 9 Abs 2, 12 Abs 1 und 3 sowie 16 Abs 3 durch die verbliebenen vier Stifter bestünden keine inhaltlichen Bedenken; auch die erforderliche Zustimmung des Stiftungsbeirates sei nachgewiesen. Die Änderung der Stiftungsurkunde werde daher zu bewilligen sein. Im Sinne des Antrages vom 18. September 2014 sei jene Entscheidung jedoch insbesondere wegen des Fehlens einer konsolidierten Fassung der Stiftungsurkunde unter Entfall des § 17 Abs 2 vorzubehalten.
Die Änderung der Stiftungsurkunde in § 17 Abs 2 sei unzulässig. Eine einmal getroffene Einschränkung des Änderungsrechtes der Stifter in einem in die Stiftungserklärung aufgenommenen Vorbehalt könne nicht nachträglich wieder aufgenommen (beseitigt) werden. Die fünf Stifter seien bei Errichtung der Privatstiftung übereingekommen, dass das Recht zur Änderung der Stiftungserklärung erlösche, sobald nur noch drei Stifter am Leben seien. Die Stifter hätten ihr Änderungsrecht dadurch eingeschränkt. Das Recht der Stifter auf Änderung der Stiftungserklärung im Falle des Todes von zwei Stiftern sei damit erloschen. Die in der Stiftungsurkunde vereinbarte Beschränkung könne nicht nachträglich wieder aufgehoben werden.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.
Im vorliegenden Fall hätten sich die Stifter nicht ein unbeschränktes Änderungsrecht eingeräumt, sondern vereinbart, dass das Änderungsrecht erlösche, sobald nur noch drei Stifter am Leben seien. Damit hätten die Stifter in der Stiftungsurkunde ihren Willen zum Ausdruck gebracht, sich an Änderungen der Stiftungsurkunde durch ein aus weniger als drei Personen bestehendes Gremium nicht binden zu wollen. § 15 der Stiftungsurkunde lasse erkennen, dass die Stifter es als wesentlich erachteten, dass Änderungen der Stiftungsurkunde von zumindest vier Stiftern, daher in einem Gremium beschlossen würden, das zu einer Beschlussfassung nach umfassender Diskussion und Anhörung der Meinungen einer bestimmten Anzahl von Personen in der Lage sei. Der Zweck der Regelung liege darin, eine möglichst große Anzahl an Stiftern am Meinungsbildungsprozess zu beteiligen. Die Stifter hätten daher in die Stiftungsurkunde eine eindeutige inhaltliche Beschränkung dahin aufgenommen, dass nach dem Ableben zweier Stifter keine Änderungen der Stiftungsurkunde mehr möglich sein sollten.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil in der höchstgerichtlichen Judikatur bisher nur Teilaspekte der hier entscheidungsrelevanten Rechtsfrage der Zulässigkeit von Änderungen eines Änderungsvorbehalts behandelt worden seien, diesen jedoch unter dem Gesichtspunkt der Rechtseinheit und Rechtsentwicklung Bedeutung über den vorliegenden Einzelfall hinaus zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
1.1. Nach dem Entstehen einer Privatstiftung kann die Stiftungserklärung vom Stifter nur geändert werden, wenn er sich Änderungen vorbehalten hat (§ 33 Abs 2 Satz 1 PSG). Ist eine Änderung wegen Wegfalls eines Stifters, mangels Einigkeit bei mehreren Stiftern oder deswegen nicht möglich, weil Änderungen nicht vorbehalten sind, so kann der Stiftungsvorstand unter Wahrung des Stiftungszwecks Änderungen in der Stiftungserklärung zur Anpassung an geänderte Verhältnisse vornehmen (dazu jüngst 6 Ob 198/13f). Die Änderung bedarf der Genehmigung des Gerichts (§ 33 Abs 2 Satz 2 und 3 PSG).
1.2. Die Möglichkeit des Vorbehalts einer Änderung der Stiftungsurkunde stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass die Stiftung auf Grundlage der Stiftungserklärung zum vom Stifter losgelösten Rechtsträger wird. Diese ausnahmsweise Berücksichtigung des Stifterwillens nach dem Entstehen der Privatstiftung setzt einen entsprechenden Vorbehalt in der Stiftungserklärung voraus. Bei einem umfassenden, nicht eingeschränkten Änderungsvorbehalt in der Stiftungserklärung ist jede Änderung der Stiftungserklärung zulässig (6 Ob 61/04w). Ist in der Stiftungserklärung hingegen kein Änderungsrecht vorbehalten, so kann dies nach Eintragung der Privatstiftung nicht mehr nachgeholt werden (Arnold, PSG³ § 33 Rz 36; Diregger/Winner in Doralt/Kalss, Aktuelle Fragen des Privatstiftungsrechts 116 f; Wolfgruber in Hasch & Partner, PSG² § 33 Rz 25).
2.1. Die Frage, ob eine Aufhebung von inhaltlichen oder zeitlichen Beschränkungen des Änderungsrechts des Stifters, die er sich selbst auferlegt hat, möglich ist, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet.
2.2. Nach manchen Autoren ist dies nicht der Fall, weil sich der Stifter mit der ursprünglichen Einschränkung endgültig des restlichen Umfangs seines Gestaltungsrechts begeben habe (Berger in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 33 Rz 24; Ch. Nowotny in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen 141 f; Diregger/Winner aaO, 117; Hochedlinger/Hasch, Exekutionssichere Gestaltung von Stiftungserklärungen, RdW 2002, 194 [197]).
2.3. Nach Hochedlinger/Hasch (aaO) kann ein Änderungsrecht in inhaltlicher oder zeitlicher Hinsicht zwar nachträglich vom Stifter beschränkt werden; eine nachträgliche Ausweitung oder Aufhebung komme hingegen nicht in Betracht. Daher sei eine (gänzliche) Rückgängigmachung einer Einschränkung des Änderungsrechts kaum möglich.
2.4. Nach Arnold (PSG³ § 33 Rz 41) habe der Stifter auch bei Aufnahme von inhaltlichen oder zeitlichen Beschränkungen das Gestaltungsrecht erworben, er habe es lediglich freiwillig selbst beschränkt. Das PSG schließe eine freiwillige Beschränkung des Gestaltungsrechts nicht aus, verbiete aber ebenso wenig, dass die Beschränkung wiederum aufgehoben werde. Eine Aufhebung der Beschränkung der Änderung sei daher unter Einhaltung der ursprünglichen Beschränkung zulässig. Hingegen sei eine nachträgliche Aufhebung inhaltlicher Beschränkungen nicht möglich. Bei zeitlichen Beschränkungen sei zu differenzieren: Habe sich der Stifter die Änderung der Stiftungserklärung unbeschränkt vorbehalten, aber (freiwillig und ohne diesbezügliche Bindung an Dritte) festgelegt, dass er dieses Recht nur innerhalb der ersten zehn Jahre nach Entstehen der Privatstiftung ausüben werde, könne er diese freiwillige zeitliche Beschränkung innerhalb dieses Zeitraums auch wieder beseitigen. Nach Ablauf dieses Zeitraums wäre eine Änderung hingegen nicht mehr möglich. Die Modalitäten der Ausübung des Änderungsrechts (§ 3 Abs 2 PSG), die insbesondere bei Stiftermehrheit zumeist zeitliche Abfolgen enthielten, seien keine freiwilligen Selbstbeschränkungen in diesem Sinne und könnten bei unbeschränktem Änderungsvorbehalt auch nachträglich abgeändert werden.
2.5 Nach Arnold (PSG³ § 3 Rz 51) könnte, wenn sich von drei Stiftern lediglich die Stifter A und B ein Widerrufsrecht vorbehalten, der Stifter C aber auf das Widerrufsrecht verzichtet, dem Stifter C auch über eine Änderung der Modalitäten nicht nachträglich das Änderungsrecht zuerkannt werden. Sehr wohl könnte hingegen bei entsprechendem Änderungsvorbehalt auch nachträglich dahingehend differenziert werden, ob die Stifter A und B die Änderung nur gemeinsam vornehmen können bzw ob es zeitliche Abfolgen – etwa zu Lebzeiten und bei Geschäftsfähigkeit ein Alleinentscheidungsrecht des Stifters A – oder auch eine Änderungsmöglichkeit für einen der Stifter – mit Ausnahme des Stifters C – nach Ableben des anderen Stifters gibt.
2.6. Nach Hochedlinger (Verzicht lediglich eines Mitstifters auf gemeinsam vorbehaltenes Änderungsrecht möglich? ecolex 2004, 863) sei die „gedankliche Trennlinie“ zwischen inhaltlichen Beschränkungen des Änderungsrechts einerseits und Beschränkungen der Ausübung des Änderungsrechts (zeitliche oder organisatorische Beschränkungen) andererseits zu ziehen. Während inhaltliche Beschränkungen im Nachhinein nicht mehr aufgehoben werden könnten, sei dies im Falle zeitlicher oder sonstiger Beschränkungen, die lediglich die Art und Weise der Durchführung der Änderung der Stiftungserklärung zum Gegenstand hätten, unter Beachtung der betreffenden Beschränkung sehr wohl möglich. Man sollte in sprachlicher Hinsicht differenzieren und lediglich „inhaltliche“ Restriktionen als „Beschränkung des Änderungsrechts“ qualifizieren. Dem gegenüber sollten „zeitlich“ oder „organisatorisch“ bezeichnete Einschränkungen besser als „Beschränkungen betreffend die Ausübung des Änderungsrechts“ bezeichnet werden. Die Gegenauffassung würde darauf hinauslaufen, dass mehrere Stifter nur anlässlich der Errichtung der Stiftung in der Stiftungsurkunde vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip abweichen dürften, nachträglich aber nicht mehr, selbst wenn sie sich ein inhaltlich umfassendes Änderungsrecht vorbehielten. Die Stifter wären zur Ausübung stifterlicher Gestaltungsrechte auf Lebzeiten aneinander gebunden.
2.7. Ch. Nowotny (in Gassner/Göth/Gröhs/Lang aaO, 134) bezweifelt, ob das Wesen der Privatstiftung eine Einschränkung der Änderungsbefugnis erfordere. Das PSG lasse es an sich zu, dass der Stifter weitgehend privatautonom seiner Stiftung den Willen vorgebe und auch Stifterrechte nachträglich korrigiere oder ändere. Es sei kein Grund zu sehen, warum nicht – sofern nicht Rechtspositionen Dritter betroffen seien – der Stifter auch nachträglich eine entsprechende Erweiterung seiner Stifterrechte vornehmen können solle.
3.1. In der Entscheidung 6 Ob 61/04w sprach der erkennende Senat aus, es sei grundsätzlich zutreffend, dass eine einmal getroffene Einschränkung des Abänderungsrechts des Stifters in dem in die Stiftungserklärung aufgenommenen Vorbehalt nicht nachträglich wieder aufgehoben werden dürfe.
3.2. Die Entscheidung betraf einen Fall, in dem sich zwei Stifter in der Stiftungsurkunde das Recht eingeräumt hatten, die Stiftung zu ihren Lebzeiten zu widerrufen und die Stiftungserklärung in allen Belangen einstimmig zu ändern. In der Folge änderten die Stifter die Stiftungserklärung dahin, dass einem der beiden Stifter das Recht eingeräumt wurde, die Stiftungserklärung in allen Belangen mit Zustimmung des Stiftungsvorstands zu ändern. Der Oberste Gerichtshof hielt diese Vorgangsweise für zulässig. Schranken der Änderungsbefugnis ergäben sich demnach aus der auszulegenden Stiftungserklärung. Hätten sich die Stifter in der Stiftungserklärung „in allen Belangen“ eine Änderung vorbehalten und hiezu – im Sinne der dispositiven gesetzlichen Regelung des § 3 Abs 2 PSG – Einstimmigkeit für erforderlich erklärt, so könnten sie dieses Einstimmigkeitserfordernis nachträglich abändern. Der Hinweis auf das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip in der Stiftungsurkunde sei nicht dahin auszulegen, dass die Stifter vereinbart hätten, auf die Abänderung dieses Prinzips zu verzichten. Aus diesem Grund war in dieser Entscheidung auf die im Schrifttum diskutierte Frage, ob nach Eintragung der Privatstiftung eine vom Stifter bzw von den Stiftern sich selbst auferlegte Beschränkung des Änderungsrechts nachträglich beseitigt werden dürfe, nicht mehr einzugehen.
3.3. In der Entscheidung 6 Ob 18/07a (SZ 2007/84) bekräftigte der erkennende Senat diese Rechtsprechung. Nach dieser Entscheidung kann zwar einer von mehreren Stiftern auf die in der Stiftungserklärung eingeräumten Gestaltungs- und Stifterrechte verzichten, die dadurch ausgelöste Änderung der Stiftungserklärung bedarf jedoch mangels gegenteiliger Vereinbarung im Sinn des § 3 Abs 2 PSG der Zustimmung aller Stifter und der Eintragung der Änderung der Stiftungsurkunde im Firmenbuch.
4.1. Die Entscheidung 6 Ob 49/07k betraf einen Fall, in dem sich die Stifter die – auch allumfassende und wiederholte – Änderung der Stiftungserklärung vorbehalten hatten. Das Änderungsrecht stand nach Entstehen der Privatstiftung ursprünglich ausschließlich der Hauptstifterin zu. Nach ihrem Ableben sollte dieses Recht auf die beiden Nebenstifter übergehen, die eine einstimmige Entscheidung zu treffen hätten. Nach der Neufassung der Stiftungsurkunde sollte, wenn der Hauptstifter verstorben oder geschäftsunfähig sei, das Recht auf Änderung der Stiftungserklärung den Nebenstiftern zustehen. Eine Ausübung des Änderungsrechts durch die Nebenstifter bedurfte der einstimmigen Zustimmung des Beirates, soweit ein solcher eingerichtet sei, sonst des Stiftungsvorstands.
4.2. Der erkennende Senat sprach aus, die Stifter hätten eine von der gesetzlichen dispositiven Regel der gemeinsamen Ausübung vorbehaltener Rechte eines Stifters (§ 3 Abs 2 PSG) abweichende Regelung getroffen. Die von den Stiftern beschlossene Änderung der Stiftungsurkunde gestalte nur die Ausübbarkeit der Stifterrechte, die in der Stiftungsurkunde vorbehalten sein müssten, um überhaupt entstanden zu sein, unter den Stiftern unterschiedlich, indem die Ausübbarkeit an die Bedingung des Ablebens einer Stifterin gebunden werde. Zu deren Lebzeiten hätten die beiden anderen Stifter nur eine Anwartschaft auf die spätere Ausübung der Stifterrechte. In diesem Fall sei nicht das Änderungs- und das Widerrufsrecht bedingt, sondern die Ausübbarkeit dieser im Anlassfall von allen Stiftern unbedingt, unbefristet und inhaltlich nicht beschränkt vorbehaltenen Rechte. Die nachgereihten Stifter hätten auf die Ausübbarkeit des Änderungs- und Widerrufsrechts nicht gänzlich und für immer verzichtet; sie seien vielmehr lediglich zeitlich von der Ausübung dieser Rechte ausgeschlossen.
4.3. Auch unter dem Blickwinkel des § 3 Abs 3 PSG bestünden keine Bedenken, handle es sich doch nicht um eine Übertragung von Stifterrechten unter Lebenden. Die Einräumung eines Zustimmungsrechts an einen Beirat sei keine Einräumung eines höchstpersönlichen (vgl dazu Arnold, PSG³ § 33 Rz 35) Gestaltungsrechts; dadurch binde ein Stifter lediglich sein Änderungsrecht. Dies sei nicht bedenklich, könne doch ein Stifter das vorbehaltene Änderungsrecht inhaltlich beschränken oder überhaupt darauf verzichten.
5.1. Der erkennende Senat hat erwogen:
Nach der Konzeption des Gesetzes ist nach Entstehen der Privatstiftung eine Änderung der Stiftungserklärung nur möglich, wenn alle Stifter noch leben und die Änderung einstimmig erfolgt. Die Regelung des § 3 Abs 2 PSG ist jedoch nach einhelliger Auffassung dispositiv (6 Ob 61/04w; 6 Ob 49/07k; 6 Ob 50/07g; Arnold, PSG³ § 3 Rz 47).
5.2. Der Zweck der ursprünglichen Regelung lag ersichtlich darin, dass die Änderung der Stiftungserklärung an eine bestimmte Mindestzahl der daran mitwirkenden Personen gebunden werden sollte, wodurch offenbar eine Beschlussfassung nach umfassender Diskussion und Anhörung einer Vielzahl von Meinungen sichergestellt werden sollte.
5.3. Damit ist aber die Frage nicht beantwortet, ob bei Einhaltung der in der Stiftungserklärung vorgesehenen Modalitäten von einer derartigen Regelung wieder abgegangen werden kann.
5.4. Die Änderung der Stiftungserklärung hat im vorliegenden Fall zwei von einander zu trennende Konsequenzen. Einerseits wird das ursprüngliche Anliegen, Änderungen der Stiftungserklärung an eine breite Diskussion unter den Mitstiftern und daher an eine entsprechende Mindestzahl von noch lebenden änderungsberechtigten Stiftern zu knüpfen, nur mehr eingeschränkt verwirklicht. Dieser Umstand ist jedoch in Fortführung der in der Entscheidung 6 Ob 61/04w angestellten Überlegungen nicht zu beanstanden. Ein grundlegender Unterschied zu der in der Vorentscheidung 6 Ob 61/04w beurteilten Konstellation ist insoweit nicht zu erblicken. Die Reduktion der Anzahl der für die Änderung der Stiftungsurkunde erforderlichen Mitwirkenden wurde in dieser Entscheidung bereits gebilligt.
5.5. Von der in der Entscheidung 6 Ob 61/04w behandelten Konstellation unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch dadurch, dass nach der Änderung der Stiftungserklärung das Änderungsrecht auch besteht, wenn nur mehr zwei oder drei Stifter am Leben sind. Anders als in dem der Entscheidung 6 Ob 61/04w zugrunde liegenden Fall hat nicht lediglich ein vorher zur gemeinsamen Ausübung des Änderungsrechts berechtigter Stifter auf diese Einflussmöglichkeit verzichtet, sondern wurde das Änderungsrecht auch zwei oder drei Nebenstiftern gemeinsam eröffnet, die nach der ursprünglichen Konzeption der Stiftungserklärung dieses Recht nur gehabt hätten, solange vier Stifter am Leben sind und einstimmig vorgehen. Damit führt die Änderung der Stiftungserklärung im vorliegenden Fall im Ergebnis zu einer Verlängerung der Änderungsbefugnis.
5.6. In diesem Punkt schließt sich der Oberste Gerichtshof der in der Literatur vorgenommenen überzeugenden Unterscheidung zwischen „inhaltlichen“ Beschränkungen und bloßen „Modalitäten“ der Ausübung des Änderungsrechts an. Eine – einer nachträglichen Änderung nicht zugängliche – inhaltliche Beschränkung des Änderungsrechts wäre etwa eine in der ursprünglichen Stiftungserklärung vorgesehene Unmöglichkeit der Änderung der Begünstigtenregelung oder des Zwecks der Privatstiftung.
5.7. Dass in der ursprünglichen Stiftungserklärung eine zeitliche Abfolge hinsichtlich der Ausübung des Änderungsrechts vorgesehen sein kann, ist allgemein anerkannt. Gerade im Bereich der Familienstiftungen ist es oft gewünscht, dass zu Lebzeiten eines bestimmten Stifters Gestaltungsrechte ausschließlich diesem zukommen. Für den Fall seines Ablebens kann die Stiftungsurkunde daher anerkanntermaßen vorsehen, dass die Gestaltungsrechte den übrigen Stiftern zukommen, wobei auch hier wiederum Einstimmigkeit oder Mehrstimmigkeit nach verschiedenen Kriterien vorgesehen werden kann (Arnold, PSG³ § 3 Rz 54; Ch. Nowotny, Stifterrechte – Möglichkeiten und Grenzen, JBl 2003, 778 [780]). Der Zulässigkeit einer derartigen Änderung stehen auch nicht Rechte oder (schutzwürdige) Erwartungen Dritter entgegen.
5.8. Im Sinne der in der Entscheidung 6 Ob 49/07k angestellten Erwägungen haben die Stifter im vorliegenden Fall auf die Ausübbarkeit des Änderungsrechts nicht gänzlich und für immer verzichtet; sie waren vielmehr lediglich bedingt von der Ausübung dieser Rechte ausgeschlossen. Die Frage, in welchem (Präsens-)Quorum und mit welchen Mehrheitserfordernissen die Stifter in Zukunft die Stiftungserklärung ändern können, betrifft im Sinne der vorstehenden Ausführungen keine inhaltliche Frage, sondern lediglich die Modalitäten der Ausübung des Änderungsrechts.
6. Damit erweist sich die Änderung der Stiftungserklärung im (nunmehrigen) § 17 Abs 2 als unbedenklich. Demgemäß waren die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern. Weil das Erstgericht die Entscheidung über die Eintragung der Änderung der Stiftungsurkunde in mehreren Punkten vorbehalten hat, war für eine sofortige Anordnung der Eintragung kein Raum, sondern lediglich auszusprechen, dass das Erstgericht unter Abstandnahme von dem gebrauchten Abweisungsgrund vorzugehen hat.
Leitsätze
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Stiftungsurkunde: Änderung eines Änderungsvorbehalts
Bei der Änderung eines in der Stiftungsurkunde enthaltenen Änderungsvorbehalts ist zwischen inhaltlichen Beschränkungen des Änderungsrechts und Beschränkungen der Ausübung des Änderungsrechts zu differenzieren. Zur letzteren Kategorie zählen Regelungen zur Frage, mit welchem (Präsens-)Quorum und mit welchen Mehrheitserfordernissen die Stifter zukünftig die Stiftungserklärung ändern können – diese sind unbedenklich und stellen eine zulässige Änderung eines Änderungsvorbehalts dar.WEKA (mwo) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 210/14x | OGH vom 15.12.2014 | Dokument-ID: 757490