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6 Ob 4/15d; OGH; 27. April 2015
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** N*****, vertreten durch Dr. Andreas Fink und andere Rechtsanwälte in Imst, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Ebert Huber Swoboda Oswald & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses (Streitwert 36.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. September 2014, GZ 30 R 16/14i-19, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Jänner 2014, GZ 47 Cg 98/12g-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 1.961,64 (darin EUR 326,94 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die zu FN ***** des Handelsgerichts Wien eingetragene beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung (in der Folge kurz: Gesellschaft) wurde 1993 als D***** Gesellschaft mbH gegründet. Der Kläger war zunächst ihr – vorübergehend alleiniger – Geschäftsführer und praktisch von der Gründung weg auch ihr alleiniger Gesellschafter.
2004 erwarb die beim AG Offenbach am Main (Deutschland) eingetragene P***** AG & Co KG (in der Folge kurz: Mehrheitsgesellschafterin) mehrheitlich die Geschäftsanteile an der Gesellschaft, deren Firma in der Folge auf ihren heutigen Wortlaut geändert wurde. Seit März 2012 entspricht die Beteiligung des Klägers an der Gesellschaft einer voll einbezahlten Stammeinlage von EUR 27.550,80 (10,2 %) und jene der Mehrheitsgesellschafterin einer solchen von 242.449,20 EUR (89,8 %).
Bis zum – in diesem Verfahren strittigen – Generalversammlungsbeschluss vom 04.09.2012 enthielt der Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft unter anderem folgende Bestimmungen:
§ 9 Teilung, Übertragung und Belastung von Geschäftsanteilen
9.1. Die Geschäftsanteile der Gesellschaft sind im Rahmen der Bestimmungen dieses Vertrages nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung teilbar, übertragbar und verpfändbar. Dies gilt jedoch nicht für den Erwerb eines Geschäftsanteiles durch einen Dritten bei Einhaltung des in § 10 (Paragraph zehn) geregelten Prozedere.
9.2. Jeder Gesellschafter kann seinen Geschäftsanteil ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung nur an eine erwerbsberechtigte Person übertragen und nur zugunsten einer erwerbsberechtigten Person belasten. Weiters ist jeder Gesellschafter berechtigt, seine Geschäftsanteile an der Gesellschaft an Konzernunternehmungen im Sinne des § 15 (Paragraph fünfzehn) Aktiengesetz (verbundene Unternehmungen) entgeltlich oder entgeltfrei zu übertragen.
9.3. Jeder Gesellschafter kann erwerbsberechtigten Personen ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung ein Fruchtgenussrecht an seinem Geschäftsanteil einräumen oder bei Abtretung seines Geschäftsanteils ein solches Recht für sich in Anspruch nehmen.
9.4. Erwerbsberechtigte Personen sind die Eltern, die Nachkommen, die Geschwister oder der Ehegatte eines Gesellschafters sowie die bereits bestehenden Mitgesellschafter. Ist ein Mitgesellschafter eine juristische Person, sind auch die Gesellschafter dieser juristischen Person erwerbsberechtigt.
§ 10 Vorkaufsrecht (Aufgriffsrecht), Call Option
10.1. Beabsichtigt ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil ganz oder teilweise an nichterwerbsberechtigte Personen zu übertragen oder geht ein Geschäftsanteil von Todes wegen auf nichterwerbsberechtigte Personen über, so steht den übrigen Gesellschaftern im Falle einer Übertragung ein Vorkaufsrecht im Sinn der §§ 1072 – 1078 ff (Paragraphen tausendzweiundsiebzig bis tausendachtundsiebzig) des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zu, wobei dieses Vorkaufsrecht (Aufgriffsrecht) ausdrücklich auf jede entgeltliche und unentgeltliche Übertragung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen anzuwenden ist.
10.2. Beabsichtigt ein Gesellschafter einen Geschäftsanteil ganz oder teilweise, entgeltlich oder unentgeltlich, unter welchem Rechtstitel auch immer zu übertragen, so hat er seine Übertragungsabsichten sämtlichen vorkaufsberechtigten Gesellschaftern mittels eingeschriebenen Briefes zur Ausübung des Vorkaufsrechtes im Verhältnis seiner bzw ihrer Beteiligung (pro rata) bekanntzugeben. Dazu ist das Angebot, welches das Vorkaufsrecht auslöst, unter Nennung des Übernehmenden und aller Modalitäten der Übernahme urkundlich nachzuweisen (nachfolgend auch „Anzeige“ genannt). Dieses Anbot kann durch einen oder sämtliche Vorkaufsberechtigte binnen 2 (zwei) Monaten ab Absendung der Anzeige mittels eingeschriebenen Briefes an den anbietenden Gesellschafter schriftlich durch Erklärung angenommen werden (nachfolgend „Eintrittserklärung“ genannt).
[...]
10.5.1. Im Falle der Ausübung des Vorkaufsrechtes richtet sich das Abtretungsentgelt nach dem in der Anzeige offengelegten Übernahmspreis.
[...]
10.8. Wird der Geschäftsanteil von den vorkaufsberechtigten Gesellschaftern nicht oder nicht gänzlich übernommen, kann ihn der übertragende Gesellschafter zur Gänze an Dritte innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Frist gemäß Punkt 10.2. übertragen. Der Preis und die Bedingungen, zu denen ein Dritter den Geschäftsanteil erwirbt, dürfen jedoch nicht günstiger sein, als zu den in der Anzeige offengelegten Bedingungen.
[...]
§ 12 Rechtsnachfolge von Todes wegen
12.1. Im Falle des Todes eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit dessen Erben fortgesetzt.
12.2. Den Mitgesellschaftern steht ein Erwerbsrecht zu, wenn zu den Erben oder Vermächtnisnehmern nicht erwerbsberechtigte Personen gemäß § 9 gehören. Dies ist entsprechend dem Vorkaufsrecht gemäß § 10 ausübbar, wobei für den Ankaufspreis folgendes gilt:
Im Falle der Ausübung des Erwerbsrechtes erhält der oder die nichterwerbsberechtigten Gesellschafter eine Abfindung in Höhe des Anteils am Unternehmenswert, der ihrem oder ihren Kapitalanteilen im Verhältnis zum Gesamtkapital der Gesellschaft entspricht. Kommt eine Einigung über den Unternehmenswert zwischen den Beteiligten nicht zustande, gilt Punkt 10.5.2. entsprechend.
Die Mehrheitsgesellschafterin beabsichtigte im Jahr 2012, die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft, die jedenfalls seit 01.07.2006 defizitär gewesen war, im Zuge eines Sanierungskonzepts zu verbessern. Am 23.07.2012 besprach daher H***** L***** für die Mehrheitsgesellschafterin - er ist auch Mitglied des Vorstands der P***** AG, der persönlich haftenden Gesellschafterin der Mehrheitsgesellschafterin - die wirtschaftlich schwierige Situation der Gesellschaft mit dem Kläger. Die dabei erörterten Umstrukturierungs- beziehungsweise Sanierungsmaßnahmen erschienen dem Kläger äußerst riskant, weshalb er H***** L***** mitteilte, das Unternehmen verlassen zu wollen.
Aus diesem Grund unterbreitete die Mehrheitsgesellschafterin dem Kläger am 03.08.2012 einen schriftlichen Trennungsvorschlag, zu dem der Kläger mit Schreiben vom 28.08.2012 einen Gegenvorschlag machte. Zugleich erklärte er, er müsste seinen Geschäftsanteil Dritten anbieten, sofern seine Bedingungen nicht akzeptiert würden. Am selben Tag kündigte er seinen Geschäftsführervertrag mit der Gesellschaft per 30.09.2012 auf.
Die Mehrheitsgesellschafterin akzeptierte die Preisvorstellungen des Klägers für dessen Geschäftsanteil nicht. Im Hinblick auf dessen Ankündigung, seinen Geschäftsanteil an Dritte zu veräußern, befürchtete sie, dass auf diese Weise ein Konkurrenzunternehmen Zugang zu Interna beziehungsweise zu Geschäftsgeheimnissen des P*****-Konzerns erhalten könnte und dass der Kläger im Hinblick auf die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags den Preis für seinen Geschäftsanteil nach oben treiben könnte. Aus dieser Motivation der Mehrheitsgesellschafterin heraus beantragte H***** L***** als Vorsitzender bei der am 04.09.2012 abgehaltenen Generalversammlung der Gesellschaft die Änderung deren Gesellschaftsvertrags unter anderem dahin, dass dessen Punkte 9.1. zweiter Satz, 9.2. bis 9.4., 10. und 12.2. ersatzlos entfallen. Diesem Antrag stimmte zwar die Mehrheitsgesellschafterin, nicht jedoch der Kläger zu, wobei letzterer gegen die Änderung Widerspruch erhob. Der Vorsitzende stellte die Beschlussfassung unter Hinweis auf das 75 %-ige Mehrheitserfordernis im zuvor aufgezeigten Sinn fest.
Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung dieses Beschlusses. Dieser schränke die Verfügungsfähigkeit der Gesellschafter über ihren Geschäftsanteil massiv ein, weil der Geschäftsanteil nunmehr nur mehr mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung übertragen werden könne. Im Ergebnis könne der Kläger daher seinen Geschäftsanteil ohne Zustimmung der Mehrheitsgesellschafterin nicht an Dritte übertragen, was im Zusammenhalt mit der Einschränkung des § 12 des Gesellschaftsvertrags auf eine generelle Unübertragbarkeit der Geschäftsanteile hinauslaufe; die noch verbleibende Möglichkeit zur Aufkündigung des Gesellschaftsvertrags eröffne den fortsetzungswilligen Gesellschaftern hingegen die Möglichkeit, den Geschäftsanteil des Klägers zu dessen Buchwert abzufinden, der aber nur einen Bruchteil des Verkehrswerts darstelle. Der Beschluss der Generalversammlung hätte deshalb der Zustimmung des Klägers bedurft.
Im Übrigen sei der Beschluss rechtsmissbräuchlich. Die Änderung habe vor dem Hintergrund der unmittelbar vorangehenden Geschehnisse (Bekundung des Klägers, aus der Gesellschaft ausscheiden zu wollen; nicht erzielbare Einigung über den Abtretungspreis) doch lediglich den Zweck gehabt, den Kläger zu schädigen, indem der Wert seines Geschäftsanteils durch weitgehende Eliminierung einer Übertragungsmöglichkeit vernichtet wird.
Die beklagte Gesellschaft wendet demgegenüber ein, für die nachträgliche Einführung einer Vinkulierung sei keine Einstimmigkeit erforderlich, andernfalls § 76 GmbHG im Wesentlichen nur bei der GmbH-Gründung gelten und die Gesellschaft auf geänderte Rahmenbedingungen durch nachträgliche Einführung der Vinkulierung nicht reagieren könnte; damit würde das Interesse des nicht zustimmenden Gesellschafters über jenes der Gesellschaft gestellt. Es lägen auch keine Sonderrechte des Klägers vor, deren Änderung nach § 50 Abs 4 GmbHG zustimmungspflichtig wäre, weil die getroffenen Änderungen alle Gesellschafter gleichermaßen beträfen.
Da eine Überschuldung der Gesellschaft nur aufgrund von Patronats- und Rangrücktrittserklärungen der Mehrheitsgesellschafterin nicht gegeben sei, sei der Geschäftsanteil des Klägers tatsächlich wertlos, weshalb die Vertragsänderung auch nicht eine wirtschaftliche Vernichtung dessen Wertes zur Folge haben könne.
Den von der Mehrheitsgesellschafterin erarbeiteten Sanierungsplan habe der Kläger nicht mittragen wollen; diese sei aber zu weiteren Zuschüssen nur gegen Sicherstellung ihres Einflusses auf die Gesellschaftsstruktur der beklagten Gesellschaft bereit, vor allem wenn sie diese ohne Kostenbeteiligung des Klägers saniert. Das Vorkaufsrecht des Gesellschaftsvertrags hätte nicht verhindert, dass nicht dennoch ein Konkurrent nach erfolgter Sanierung als Gesellschafter einsteigt beziehungsweise die Mehrheitsgesellschafterin einen hohen Preis für den durch eigenes finanzielles Engagement wieder werthaltigen Geschäftsanteil des Klägers bezahlt. Zudem würde es die Gesellschaft massiv schädigen, könnte sich ein Konkurrent in diese einkaufen, um dann über die Ausübung der Minderheitsrechte an die Geschäftsgeheimnisse und Kalkulationsgrundlagen der Gesellschaft und des P*****-Konzerns zu gelangen. Die Mehrheitsgesellschafterin habe deshalb weder treuwidrig und rechtsmissbräuchlich ihr Stimmrecht ausgeübt noch sei einziger Zweck der Änderung des Gesellschaftsvertrags die Schädigung beziehungsweise Knebelung des Klägers gewesen.
Die Vorinstanzen erklärten übereinstimmend den Beschluss der Generalversammlung vom 04.09.2012 für nichtig. Das Berufungsgericht sprach darüber hinaus aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 30.000,– übersteigt und dass die ordentliche Revision zulässig ist; die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Zustimmungserfordernis aller betroffenen Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu einer nachträglichen (Verschärfung einer) Vinkulierung von Geschäftsanteilen sei uneinheitlich beziehungsweise fehle es an einer solchen Rechtsprechung nach dem Inkrafttreten des EU-GesRÄG 1996.
Rechtliche Beurteilung
Die ordentliche Revision ist zwecks Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. In der Entscheidung 5 Ob 103/65 (SZ 38/87) wurde eine Einschränkung der Übertragbarkeit durch eine mit Mehrheitsbeschluss eingeführte Vinkulierung noch gebilligt. In dieser Entscheidung wurde ausgeführt, dass die Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Rücksicht auf ihre Zwecke ein berechtigtes Interesse haben könne, das Eindringen von anderen Personen als solchen, die den Gesellschaftsvertrag errichtet haben, oder deren Erben zu verhindern; darauf beruhe die Bestimmung des § 76 GmbHG.
Der Oberste Gerichtshof erklärte aber bereits in der Entscheidung 1 Ob 38/67 (SZ 40/73) den Beschluss der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, die ausschließlich Inhaberaktien ausgegeben hatte, auf Änderung der Satzung dahin, dass die Aktien auf Namen lauten und deren Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden werde, für rechtsunwirksam. Nach den Vorschriften des ABGB für bürgerlich rechtliche Gesellschaften gelte zwar für die Geschäftsführung grundsätzlich das Mehrheitsprinzip, nicht aber dort, wo dem Mitglied bestimmte, nicht mehr entziehbare Rechte eingeräumt wurden oder wo es sich um die Ausübung der Mitgliederrechte handelt. Im angefochtenen Beschluss gehe es nicht etwa um einen Akt der Geschäftsführung, sondern um die Veränderung von Rechten, die von den einzelnen Aktionären bereits erworben worden seien. Durch die Satzung könne die Übertragung der Mitgliedschaft grundsätzlich nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden. Das Gesetz mache nur eine Ausnahme, nämlich die Bindung der Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft durch die Satzung. Durch den vor einer allfälligen Satzungsänderung in dieser Richtung erfolgten Erwerb der Aktien habe der Aktionär im Rahmen seiner übrigen Mitgliedschaftsrechte aber bereits das Recht auf freie Verfügbarkeit über die Aktie erworben. Er könne seine Mitgliedschaftsrechte nicht zurücklegen. Diese könnten ihm aber auch grundsätzlich nicht entzogen werden, soweit das Gesetz keine Ausnahme vorsehe. Eine solche Ausnahme sei der Fall des § 192 Abs 1 AktG, der eine Zwangseinziehung von Aktien nur dann für zulässig erkläre, wenn sie in der ursprünglichen Satzung oder durch eine Satzungsänderung vor Übernahme oder Zeichnung der Aktie angeordnet oder gestattet war. Gerade dieser Fall zeige, dass das Aktiengesetz eine Vernichtung des Mitgliedschaftsrechts oder seine Beeinträchtigung durch Zwang nur im Ausnahmsfall zulassen will, nämlich wenn diese in der Satzung oder in einer Satzungsänderung vorgesehen gewesen sei, die schon vor Zeichnung der Aktie erfolgt war, wenn also die Aktionäre schon beim Erwerb der Aktie damit rechnen konnten. [...] Aufgrund dieser Erwägungen ergebe sich, dass das Aktiengesetz selbst einem Eingriff in die bereits erworbenen Mitgliedsrechte des einzelnen Aktionärs grundsätzlich ablehnend gegenübersteht und eine Beeinträchtigung derselben nur in Ausnahmsfällen zulässt. Das einmal dem Aktionär zugebilligte Mitgliedschaftsrecht, sei auch soweit es die dem Wesen der Aktie entsprechende freie Übertragbarkeit betrifft, ein wohlerworbenes Recht, das dem einzelnen Aktionär durch Majorisierung nicht entzogen werden könne.
In der Entscheidung 6 Ob 31/94 (SZ 67/199) hielt der Oberste Gerichtshof diese Ausführungen trotz der gegenteiligen Entscheidung (5 Ob 103/65 SZ 38/87) auch für den Fall einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für „überzeugend“.
2. Mit dem EU-GesRÄG 1996 führte der Gesetzgeber unter anderem § 99 Abs 4 GmbHG und § 10 Abs 3 SpaltG ein. Nach der erstgenannten Bestimmung bedarf der Verschmelzungsbeschluss der Zustimmung aller Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft, wenn die Geschäftsanteile der übertragenden Gesellschaft frei übertragbar sind und der Gesellschaftsvertrag der übernehmenden oder neu gegründeten Gesellschaft die Übertragung von bestimmten Voraussetzungen, insbesondere von der Zustimmung der Gesellschaft, abhängig macht. Nach der zweitgenannten Bestimmung bedarf auch der Spaltungsbeschluss der Zustimmung aller Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft, wenn die Aktien (Geschäftsanteile) der übertragenden Gesellschaft frei übertragbar sind und die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) einer neuen Gesellschaft die Übertragung von bestimmten Voraussetzungen, insbesondere von der Zustimmung der Gesellschaft, abhängig macht.
Die ErläutRV 32 BlgNR XX. GP 115 und 123 führen dazu zum einen aus, die Vinkulierung sei zweifach einer Regelung unterworfen: Im Abs 2 werde der Fall erfasst, dass das Zustimmungsrecht eines Gesellschafters unterlaufen werden könnte, im Abs 4 werde hingegen der Fall geregelt, dass bisher „freie“ Geschäftsanteile durch die Verschmelzung einer Übertragungsbeschränkung unterworfen werden. Eine derartige Gestaltung bedürfe der Zustimmung der betroffenen Gesellschafter; die Zustimmungspflicht könne als analoger Fall zu § 50 Abs 4 GmbHG angesehen werden. Zum anderen wird ausgeführt, die hier – wegen der nun möglichen Mehrstimmigkeitsspaltung – neu geregelten besonderen Zustimmungserfordernisse entsprächen inhaltlich den Bestimmungen über die Verschmelzung in § 99 GmbHG idF des vorliegenden Entwurfs. Die Gefährdung für die Sonderberechtigten sei ähnlich gelagert wie bei der Verschmelzung; wenn es sich um eine verhältniswahrende Spaltung handelt, werde die gleichmäßige Aufrechterhaltung der Sonderrechte in allen beteiligten Gesellschaften dem Gleichwertigkeitserfordernis entsprechen.
3. Die praktisch einhellige österreichische Literatur geht jedenfalls seit dem Inkrafttreten des EU-GesRÄG 1996 davon aus, dass § 99 Abs 4 GmbHG, § 10 Abs 3 SpaltG als „klares Wort des Gesetzgebers“ für eine Zustimmungspflicht aller Gesellschafter zu einer nachträglichen Einführung einer Anteilsvinkulierung zu verstehen seien; es sei kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, die Frage außerhalb der Verschmelzung und Spaltung anders zu behandeln (Tichy, Einführung und Aufhebung von Vinkulierungsklauseln und statutarischen Aufgriffsrechten mittels Mehrheitsbeschlusses? RdW 1998, 55; ders, Syndikatsverträge bei Kapitalgesellschaften [2000] 76; ebenso Schmidsberger, Beschränkungen der Übertragung von Geschäftsanteilen, in Kalss/Rüffler, Satzungsgestaltung in der GmbH – Möglichkeiten und Grenzen [2005] 93 [102]; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 76 Rz 4; Weismann, Übertragungsbeschränkungen bei GmbH-Geschäftsanteilen [2008] 52; Gellis/Feil, GmbH-Gesetz7 [2009] Rz 5.4; Keller, Zur Beschränkung der Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, ecolex 2012, 789; Schopper in Gruber/Harrer, GmbHG [2014] § 76 Rz 20; Zollner in U. Torggler, GmbHG [2014] § 77 Rz 5; Rauter in Straube, GmbHG [2014] § 76 Rz 62; ähnlich auch Ettmayer, Form und Mehrheitserfordernisse bei Begründung von Aufgriffsrechten, ecolex 2011, 715).
Dies gilt nach herrschender Auffassung nicht nur für die Neueinführung von Vinkulierungsklauseln, sondern auch für deren Verschärfung (Weismann aaO, 53; Schopper aaO; Rauter aaO, Rz 63).
4. Im Hinblick auf die seit der Entscheidung 5 Ob 103/65 erfolgte Gesetzesänderung durch das EU-GesRÄG 1996, die mit dieser Änderung deutlich hervorgekommene gesetzgeberische Wertung und die seitdem praktisch einhellige Meinung in der Literatur hält der Oberste Gerichtshof an der bereits in den Entscheidungen 1 Ob 38/67 und 6 Ob 31/94 vertretenen Auffassung fest, wonach sowohl nachträgliche Vinkulierungen von Geschäftsanteilen als auch deren Verschärfung der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen. Da im vorliegenden Fall der Kläger der Beschlussfassung in der Generalversammlung vom 04.09.2012 nicht zugestimmt, sondern gegen diese Widerspruch erhoben hat, haben die Vorinstanzen zu Recht dem Klagebegehren stattgegeben und die Beschlussfassung für unwirksam erklärt.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Leitsätze
-
Zustimmungserfordernis aller betroffenen Gesellschafter zu einer nachträglichen (Verschärfung einer) Vinkulierung
Sowohl nachträgliche Vinkulierungen von Geschäftsanteilen als auch deren Verschärfung erfordern die Zustimmung aller Gesellschaften.WEKA (mpe) | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 4/15d | OGH vom 27.04.2015 | Dokument-ID: 763951