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6 Ob 40/23k; OGH; 17. Jänner 2024
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragsteller 1. Dr. K* O* 2. U* S*, 3. MMag. B* S*, als Stiftungsvorstand der T* Privatstiftung, FN *, mit dem Sitz in *, alle vertreten durch Beurle Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Linz, wegen Genehmigung der Änderung der Stiftungserklärung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Stifterin S* T*, vertreten durch Müller Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 11. Jänner 2023, GZ 6 R 163/22s 23, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 18. November 2022, GZ 32 Fr 2944/22g 18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der Beschluss des Rekursgerichts, soweit damit dem Rekurs der Stifterin gegen die Genehmigung der Änderung der Stiftungsurkunde in § 6 und der Änderungen der Stiftungszusatzurkunde in § 3 Abs 2 und § 4 Abs 1 nicht Folge gegeben wurde, als nichtig aufgehoben und der Rekurs in diesem Umfang zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Antrag auf Genehmigung der Änderung des § 12 Abs 4 der Stiftungsurkunde abgewiesen wird.
3. Die Stifterin ist schuldig, der T* Privatstiftung die mit EUR 278,51 (darin EUR 46,42 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
4. Die Stifterin ist schuldig, der T* Privatstiftung die mit EUR 848,20 (darin EUR 141,37 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
[1] Im Firmenbuch ist zu FN ** die T* Privatstiftung (im Folgenden: Stiftung) eingetragen. Die Antragsteller sind die Mitglieder des Stiftungsvorstands.
[2] Mit Stiftungsurkunde (fortan: SU) und Stiftungszusatzurkunde (fortan: SZU) vom 17.08.2001 errichteten der mittlerweile verstorbene Vater sowie dessen Kinder S* T* (Stifterin) und S* S* (Bruder der Stifterin) die Stiftung, deren Zweck unter anderem die Sicherung und Versorgung der in der SU genannten Begünstigten ist. Nach der derzeit geltenden Fassung des § 6 SU und § 3 Abs 2 sowie § 4 Abs 1 SZU, jeweils vom 13.06.2006, war zunächst der Vater Alleinbegünstigter. Aufgrund dessen Ablebens sind die Stifterin und deren Bruder die einzigen aktuell Begünstigten der Stiftung, wobei die jährlichen Ausschüttungen im Verhältnis von 54,5 % an die Stifterin zu 45,5 % an deren Bruder vorzunehmen sind. Nach dem Ableben dieser beiden Begünstigten sind deren jeweilige Nachkommen (nach Stämmen) als Begünstigte eingesetzt. Nach § 4 Abs 2 SZU gehen für den Fall, dass aus welchen in dieser Urkunde genannten Gründen auch immer genannte Begünstigte aus dem Begünstigtenkreis ausscheiden, deren Anteile an der Ausschüttung anteilig auf die Stifterin und deren Bruder, bei deren Ableben auf deren in die Begünstigtenstellung jeweils nachrückende Nachkommen (nach Stämmen) über.
[3] Die Stifter sind mit folgender Maßgabe Mitglieder des Stiftungsbeirats und haben das Recht, weitere Mitglieder des Stiftungsbeirats zu bestellen:
[4] § 12 Abs 4 SU (Fassung 13. 6. 2006):
„Mitglieder des Stiftungsbeirates sind die Stifter und weitere Mitglieder die von den Stiftern jeweils auf eine Funktionsperiode von 4 (vier) Jahren mit Mehrheitsbeschluss bestellt werden.
Nach dem Ableben der Stifter bestellen die Begünstigten mit Mehrheitsbeschluss die Zusammensetzung des Stiftungsbeirates.
Vorsitzender des Stiftungsbeirates ist Herr [Vater]. Sowohl gegenüber den anderen Stiftungsorganen als auch gegenüber Dritten wird der Stiftungsbeirat durch seinen Vorsitzenden, im Verhinderungsfalle durch seinen Stellvertreter vertreten.
Die Stifter haben das Recht, weitere Mitglieder zum Stiftungsbeirat zu bestellen. Sie können auch durch Verfügung für den Todesfall Mitglieder des Stiftungsbeirates im Rahmen der Höchstzahl bestellen.“
[5] Gemäß § 6 Abs 8 SZU hat der Vorstand auf Verlangen eines Begünstigten die Begünstigtenstellung des betreffenden Begünstigten zu widerrufen. § 6 SZU lautet auszugsweise:
„WIDERRUF DER STIFTUNGSBEGÜNSTIGUNG
1) Ein allfälliger Widerruf der Begünstigtenstellung bleibt dem Stiftungsvorstand nach Maßgabe der folgenden Regelungen vorbehalten:
2) Der Widerruf hat durch den Vorstand ausschließlich nach vorheriger Zustimmung des Stiftungsbeirates zu erfolgen. […]
3) Der Stiftungsvorstand hat einen Widerruf der Begünstigung im Sinne der obigen Bestimmungen vorzunehmen, sofern eine oder mehrere der begünstigten Personen aufgrund ihres Verhaltens nach den gesetzlichen Bestimmungen vom Erbrecht beziehungsweise Pflichtteilsrecht nach den Stiftern […] ausgeschlossen wären. Die Begünstigung ist ferner für den Fall zu widerrufen, dass die Privatstiftung als solche, ihre Errichtung oder ihr Bestand, die Stiftungszusatzurkunde oder das Testament der Stifter von einem der begünstigten Personen ganz oder teilweise angefochten wird.
4) Sofern die Begünstigung auf der Grundlage der vorangegangenen Bestimmungen durch den Stiftungsvorstand widerrufen wird, scheidet die betreffende begünstigte Person samt Nachkommen aus dem Begünstigtenkreis aus.
5) Der Stiftungsvorstand ist berechtigt, in jedem Fall des Widerrufes diesen Widerruf auch auf einen bestimmten Zeitraum, der gegebenenfalls auch mehrfach zu verlängern ist, auszusprechen.
6) Der Stiftungsvorstand ist ermächtigt, einen ausgesprochenen Widerruf bei Vorliegen wichtiger Gründe, insbesondere für den Fall, dass das zum Widerruf führende Verhalten des Begünstigten nicht mehr andauert und dadurch der Zweck der Privatstiftung nicht weiter gefährdet erscheint, aufzuheben.
7) Für den in § 3 der gegenständlichen Stiftungszusatzurkunde geregelten Eintritt eines an die Stelle des Begünstigten tretenden leiblichen Kindes gelten die obigen Regelungen über den Widerruf der Begünstigung durch den Stiftungsvorstand sinngemäß.
8) Auf Verlangen eines Begünstigten hat der Vorstand ohne vorherige Zustimmung des Beirates die Begünstigtenstellung des betreffenden Begünstigten jederzeit – auch für eine von Seiten des Begünstigten von vornherein bestimmte Zeitdauer – zu widerrufen.“
[6] Gemäß § 13 Abs 2 SU können seit dem Ableben des Vaters die (verbliebenen) Stifter die Stiftungserklärung nicht mehr ändern.
[7] Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 27.07.2016 wurde über das Vermögen der Stifterin der Konkurs eröffnet. In jenem Verfahren wurde höchstgerichtlich geklärt, dass der Insolvenzverwalter zur Verwertung des Rechts der Schuldnerin auf Verzicht auf die Begünstigtenstellung in der Privatstiftung berechtigt ist und zugunsten der Masse die dafür notwendige Erklärung anstelle der Schuldnerin abgeben kann (8 Ob 101/20s). Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 28.01.2022, GZ 32 Fr 7813/21h 10, wurde die Stifterin über Antrag des Stiftungsvorstands aufgrund der Insolvenzeröffnung gemäß § 27 Abs 2 Z 3 PSG als Mitglied des Stiftungsbeirats abberufen.
[8] Am 03.03.2022 schlossen der Insolvenzverwalter und der Bruder der Stifterin eine Vereinbarung zur Abgabe einer Verzichtserklärung hinsichtlich der Begünstigtenstellung der Stifterin gegen Zahlung eines Geldbetrags.
[9] Am 21.04.2022 fassten die Mitglieder des Stiftungsvorstands unter Bezugnahme auf die entsprechende Verzichtserklärung des Insolvenzverwalters vom 8. 4. 2022 einstimmig den Beschluss auf Widerruf der Begünstigtenstellung der Stifterin ohne zeitliche Beschränkung.
[10] Infolge des Widerrufs der Begünstigtenstellung der Stifterin fasste der Stiftungsvorstand am 16.05.2022 mit schriftlicher Zustimmung sämtlicher Stiftungsbeirats-mitglieder die notariell beurkundeten einstimmigen Beschlüsse auf Änderung der SU in § 6 und § 12 Abs 4 sowie der SZU in § 3 Abs 2 und § 4 Abs 1.
[11] In den geänderten § 6 SU sowie § 3 Abs 2 und § 4 Abs 1 SZU wurden die Stifterin und deren Nachkommen als Begünstigte entfernt, sodass nach dem Ableben des Vaters alleine der Bruder und dessen Nachkommen als Begünstigte verblieben.
[12] Der geänderte § 12 Abs 4 SZU (Fassung 16. 5. 2022) lautet wie folgt (Änderungen unterstrichen):
„Mitglieder des Stiftungsbeirates sind die Stifter, die gleichzeitig Begünstigte der Stiftung sind, und weitere Mitglieder, die von den Stiftern, die gleichzeitig Begünstigte der Stiftung sind, jeweils auf eine Funktionsperiode von 4 (vier) Jahren mit Mehrheitsbeschluss bestellt werden.
Nach dem Ableben der Stifter, die zum Zeitpunkt ihres Ablebens Begünstigte der Stiftung sind, bestellen die Begünstigten mit Mehrheitsbeschluss die Zusammensetzung des Stiftungsbeirates.
Vorsitzender des Stiftungsbeirates ist Herr A* T*. Sowohl gegenüber den anderen Stiftungsorganen als auch gegenüber Dritten wird der Stiftungsbeirat durch seinen Vorsitzenden, im Verhinderungsfalle durch seinen Stellvertreter vertreten.
Die Stifter, die auch gleichzeitig Begünstigte der Stiftung sind, haben das Recht, weitere Mitglieder zum Stiftungsbeirat zu bestellen. Sie können auch durch Verfügung für den Todesfall Mitglieder des Stiftungsbeirates im Rahmen der Höchstzahl bestellen.“
[13] Die Antragsteller beantragten die gerichtliche Genehmigung der am 16.05.2022 beschlossenen Änderungen der SU und SZU gemäß § 33 Abs 2 iVm § 40 PSG. Die Voraussetzungen für die Änderung der Stiftungserklärung durch den Vorstand seien insbesondere deshalb erfüllt, weil sich die Umsetzung des Stifterwillens nach der ursprünglichen Stiftungserklärung aufgrund des Verzichts der Stifterin mit einer Zuwendungsquote von 54,5 % auf ihre Begünstigtenstellung vernünftigerweise nicht mehr verwirklichen lasse. Schon aus Rechtssicherheitserwägungen müsse es zulässig sein, die namentlich in der Stiftungserklärung als Begünstigte angeführte Stifterin zu streichen. Der Widerruf der Begünstigtenstellung wirke sich auch auf die Nachkommen der Stifterin aus, weil die Stellung der Nachkommen von der aufrechten Begünstigung der Vorfahren im Zeitpunkt ihres Todes abhänge. Auch die Bestimmung des § 12 Abs 4 SU sei in Bezug auf die Zusammensetzung des Stiftungsbeirats zu ändern. Die Stifter seien bei Einführung dieser Bestimmung offenbar davon ausgegangen, dass die Stifter immer auch Begünstigte seien. Hätten die Stifter die nunmehr vorliegende Konstellation vor Augen gehabt, so hätten sie vorgesehen, dass nur jene Stifter, die gleichzeitig Begünstigte sind, Mitglieder im Beirat sind bzw diese Personen nominieren dürfen. Es sei weder stimmig noch mit der Funktionsfähigkeit der Stiftung vereinbar, wenn bei vorzeitigem Ableben des Bruders der noch lebenden Stifterin dieser das alleinige Bestellungsrecht für die Wahl der Beiratsmitglieder zukomme, obwohl alle Begünstigtenrechte auf die Nachkommen des Bruders übergingen, sodass letztere keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Beirats hätten.
[14] Die Stifterin beantragte die Antragsabweisung. Es fehle angesichts des anzuwendenden § 6 der SZU schon an „geänderten Verhältnissen“ iSd § 33 Abs 2 PSG. Selbst wenn geänderte Verhältnisse vorlägen, hätten die Antragsteller die inhaltlichen Einschränkungen für eine Änderung gemäß § 33 Abs 2 PSG missachtet, weil diese weit über das unbedingt erforderliche und zulässige Ausmaß hinausgehe. Der Entzug der zukünftigen Begünstigtenstellung der Nachkommen der Stifterin sei vom Verzicht nicht umfasst, sodass deren Streichung überschießend, pflicht- und rechtswidrig sei und den Stiftungszweck verändere. Die Änderungen zum Stiftungsbeirat hätten mit dem Verzicht der Stifterin auf ihre Begünstigtenstellung nichts zu tun.
[15] Das Erstgericht genehmigte die beantragten Änderungen der SU und der SZU. Der Verzicht auf die Begünstigtenstellung und deren Widerruf stellten „geänderte Verhältnisse“ iSd § 33 Abs 2 PSG dar. Die gebotene objektive Auslegung von SU und SZU ergebe, dass bei einem endgültigen Ausscheiden eines Begünstigten auch dessen Nachkommen nicht mehr in die Begünstigtenstellung nachrücken können. In Ansehung der Änderung des § 12 Abs 4 der SU folgte das Erstgericht den Argumenten der Antragsteller; auch diese Anpassung entspreche bei verständiger Würdigung des gesamten Inhalts der Stiftungserklärung dem hypothetischen Stifterwillen.
[16] Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
[17] Die Stifterin sei aufgrund ihres Verzichts nicht mehr Begünstigte; sie sei auch nicht mehr Mitglied des Beirats, sodass sie ihre Rekurslegitimation auf diese Umstände nicht stützen könne. Allerdings komme ihr als Stifterin Rekurslegitimation zu, soweit ihr in der Stiftungserklärung subjektive Rechte eingeräumt worden seien. Dies treffe im Umfang ihrer subjektiven Rechte auf Mitwirkung an der Zusammensetzung des Beirats nach § 12 SU zu, sodass zumindest insofern eine Rekurslegitimation bestehe und der Rekurs daher (insgesamt) nicht zurückzuweisen sei. Das Rekursgericht verwies in der Sache auf die Ausführungen des Erstgerichts. Das Ausscheiden eines von zwei Begünstigten gegen Entgelt begründe „geänderte Verhältnisse“ iSd § 33 Abs 2 PSG. Zur Änderung des § 12 Abs 4 SU enthalte die Stiftungserklärung keine Regelung der Stifterrechte für den Fall des Verzichts auf die Begünstigtenstellung. Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ein redlicher Stifter bei objektiver Betrachtung an Mitwirkungsrechten an der Stiftung festhalten solle, obwohl weder er noch seine Deszendenten aus der Stiftung einen Vorteil ziehen würden. Unter den geänderten Umständen hätten die Stifter vielmehr die nunmehr vom Stiftungsvorstand beschlossene Regelung getroffen.
Rechtliche Beurteilung
[18] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Stifterin ist zulässig, weil die Beurteilung des Rekursgerichts einer Korrektur bedarf. Im Übrigen ist aus Anlass des Revisionsrekurses eine dem Beschluss des Rekursgerichts anhaftende Nichtigkeit wahrzunehmen.
[19] 1. Der Stifterin kommt betreffend die Genehmigung der Änderung der Stiftungsurkunde in § 6 und der Änderungen der Stiftungszusatzurkunde in § 3 Abs 2 und § 4 Abs 1 keine Rekurslegitimation zu:
[20] 1.1. Auch im Genehmigungsverfahren nach § 33 Abs 2 PSG richtet sich das Rekursrecht nach den allgemeinen Grundsätzen des Außerstreitverfahrens (6 Ob 130/19i [ErwGr 1.]; 6 Ob 119/16t). Demnach ist eine Person, deren rechtlich geschützte Stellung durch den anzufechtenden Beschluss unmittelbar berührt wird, auch rechtsmittellegitimiert. Die wirtschaftliche oder ideelle Betroffenheit oder die Betroffenheit durch eine Reflexwirkung der Entscheidung sind von § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG nicht erfasst (6 Ob 130/19i [ErwGr 2.]; RS0123028 [T7]; vgl RS0120841).
[21] 1.2. Da die Stifterin infolge des Beschlusses des Landesgerichts Linz vom 28. 1. 2022 nicht mehr Mitglied des Stiftungsbeirats ist, kann ihr schon deshalb aus einer Organfunktion hieraus (vgl zur Rechtsmittellegitimation von Stiftungsorganen 6 Ob 130/19i [ErwGr 3.2.]; 6 Ob 119/16t [ErwGr 2.4. ff]) keine Rechtsmittellegitimation erwachsen.
[22] 1.3. Eine Rechtsmittellegitimation der Begünstigten setzt voraus, dass durch die Änderung der Stiftungserklärung unmittelbar in deren Rechtsposition eingegriffen wird (vgl 6 Ob 130/19i [ErwGr 3.3., 3.6.]). Die Begünstigtenstellung endet im Falle eines Verzichts durch diesen (vgl Arnold in Arnold, Privatstiftungsgesetz4 [2022] § 5 PSG Rz 27). Nach den Feststellungen ist überdies bereits ein entsprechender Widerruf nach § 6 Abs 8 SZU erfolgt. Ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtsposition der Stifterin aus einer Begünstigtenstellung durch den vorliegenden Antrag ist daher zu verneinen.
[23] 1.4. Die Rekurslegitimation des Stifters hängt auch im Verfahren über die Eintragung einer Änderung der Stiftungsurkunde vom Inhalt der die Organisation der Stiftung festlegenden Stiftungserklärung ab. Es kommt dabei auf die konkreten Bestimmungen der Stiftungserklärung, insbesondere darauf an, ob dem Stifter darin subjektive Rechte eingeräumt werden, die gerade durch die dann bekämpfte Beschlussfassung beeinträchtigt werden (6 Ob 100/22g [ErwGr 1.2.]). Gegenständlich kommt der Antragsgegnerin in ihrer Eigenschaft als Stifterin gemäß § 12 SU nur ein solches subjektives Recht auf Mitwirkung an der Zusammensetzung des Stiftungsbeirats zu, das ihr (nur) insoweit eine entsprechende Rechtsmittellegitimation verschafft (dazu Punkt 2.).
[24] 1.5.1. Gestaltet ein Beschluss über die Änderung der Stiftungserklärung sachlich verschiedene Materien, die bei objektiver Betrachtung keine untrennbare Einheit bilden und deshalb auch Gegenstand mehrerer voneinander gesonderter Beschlüsse sein könnten, so wirkt sich die Unwirksamkeit bloß eines der (trennbaren) Teile nicht auf die anderen Teile desselben Beschlusses aus. Wird dagegen der Beschluss aufgrund eines einheitlichen, nach Materien nicht zerlegbaren Antrags gefasst, kommt Teilunwirksamkeit regelmäßig nicht in Betracht, weil aus der Zusammenfassung von mehreren Beschlussgegenständen in einem einheitlichen Abstimmungsvorgang abgeleitet werden kann, dass der Beschluss eine rechtliche und/oder wirtschaftliche Einheit bilden soll (vgl 6 Ob 178/17v [ErwGr 4.2.] zu Kapitalgesellschaften; zur Anwendung dieser Grundsätze auf Änderungen der Stiftungserklärung 6 Ob 122/16h [ErwGr 2.5.1.]).
[25] 1.5.2. Im vorliegenden Fall sind die gegenständlichen Änderungen nach Materien danach trennbar, dass diese zwischen den Änderungen, die die Begünstigtenstellung der Stifterin und ihrer Nachkommen betreffen einerseits, und jenen, die den Stiftungsbeirat betreffen andererseits, unterscheiden. Hinsichtlich der Stiftungsurkunde liegt zwar ein einheitlicher Abstimmungsvorgang vor. Mit den Ausführungen zu Punkt 1. der Tagesordnung, die der Beschlussfassung laut dem (vorgelegten und insoweit unstrittigen) Protokoll vom 16. 5. 2022 unmittelbar vorausgehen und inhaltlich klar zwischen den Änderungen, die die Begünstigtenstellung betreffen, und jenen, die den Stiftungsbeirat betreffen, unterscheiden, wird aber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass keine rechtliche und/oder wirtschaftliche Einheit der beiden Beschlussgegenstände, sondern eine Abgrenzung nach Materien gezogen werden sollte.
[26] 1.5.3. Vor diesem Hintergrund ist im gegenständlichen Verfahren die Genehmigungsfähigkeit und damit auch die Rekurslegitimation hinsichtlich der genannten trennbaren Materien gesondert zu beurteilen. Daher ist die fehlende Rekurslegitimation der Stifterin hinsichtlich der Genehmigung der Änderung in § 6 der SU und jener in § 3 Abs 2 und § 4 Abs 1 der SZU betreffend die Begünstigtenstellung zu berücksichtigen.
[27] 2. Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen wegen fehlender Rekurslegitimation oder fehlendem Rechtsschutzinteresses unzulässigen Rekurs meritorisch, so ist dieser Mangel der funktionellen Zuständigkeit vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen. Als Folge dessen ist der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz zurückzuweisen. Dieser allgemeine Verfahrensgrundsatz gilt auch im Außerstreitverfahren (§ 45 iVm § 71 Abs 4 AußStrG; 5 Ob 136/23w; 2 Ob 84/23a; 2 Ob 88/18g [ErwGr 2.3.]; RS0121264) und erfasst im vorliegenden Fall den Rekurs, soweit dieser sich gegen die Genehmigung der Änderungen der SU in § 6 und der SZU in § 3 Abs 2 und § 4 Abs 1 richtet.
[28] 3. Die Voraussetzungen für eine Änderung der Stiftungserklärung in § 12 Abs 4 (Beirat) durch den Stiftungsvorstand liegen nicht vor:
[29] 3.1. Der Stiftungsvorstand darf gemäß § 33 Abs 2 PSG Änderungen der Stiftungserklärung nur zur Anpassung an geänderte Verhältnisse und nur unter Wahrung des Stiftungszwecks vornehmen. Ein erkennbarer Stifterwille, der die geänderten Verhältnisse berücksichtigt, muss bei Errichtung der Stiftungserklärung gefehlt haben. Der Stifterwille darf nicht durch die Ausübung des Änderungsrechts des Stiftungsvorstands unterlaufen werden. Es ist auf den (hypothetischen) Stifterwillen im Zeitpunkt der Errichtung der Stiftungserklärung abzustellen. Beim Stifterwillen handelt es sich somit nicht um ein dynamisches (laufenden Änderungen unterliegendes) System (6 Ob 198/13f [ErwGr 6.2.]). Der Stifterwille ist aus der Stiftungserklärung durch Auslegung derselben zu ermitteln. Dabei sind korporative Regelungen, also jedenfalls der Komplex der Stiftungsorganisation (6 Ob 24/21d [ErwGr 1.]), nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen (6 Ob 198/13f [ErwGr 6.3.]).
[30] 3.2. Es reicht nicht aus, dass sich die Verhältnisse allgemein geändert haben. Die Änderungen müssen vielmehr die Stiftung dergestalt betreffen, dass sich die Umsetzung des Stifterwillens nach der ursprünglichen Stiftungserklärung vernünftigerweise nicht mehr verwirklichen lässt, oder dass anzunehmen ist, der Stifter hätte unter den geänderten Umständen eine andere Regelung getroffen (RS0118724). Fälle, die „geänderte Verhältnisse“ iSd § 33 Abs 2 PSG darstellen können, sind etwa, wenn die Funktionsfähigkeit der Stiftung gefährdet ist, wenn ohne Änderung der Stiftungserklärung die Stiftung aufgelöst werden müsste (außer die Auflösung entspricht dem aus der Stiftungserklärung ersichtlichen Stifterwillen) oder wenn – etwa durch oberstgerichtliche Rechtsprechung – nachträglich bekannt wird, dass einzelne Klauseln der Stiftungserklärung gesetzwidrig sind (6 Ob 198/13f [ErwGr 6.5.]).
[31] 3.3. Im vorliegenden Fall befasst sich die Stiftungserklärung in § 6 SZU explizit mit den Fällen des Ausscheidens aus dem Begünstigtenkreis, wobei die einzigen in der Stiftungserklärung namentlich genannten Begünstigten die Stifter sind (§ 6 SU und § 3 Abs 2 sowie § 4 Abs 1 SZU). Die Sonderrechte der Stifter zur Bestellung der Beiratsmitglieder und der Mitgliedschaft im Beirat nach § 12 Abs 4 SU leiten sich dennoch nur aus der Stellung als Stifter ab. Vor diesem Hintergrund ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung nicht erkennbar, dass ein mögliches Auseinanderfallen von (nicht mehr aufrechter) Begünstigtenstellung und (aufrechter) Stifterstellung unbedacht geblieben wäre und ein erkennbarer Stifterwille, der diese Änderung berücksichtigt, bei Errichtung der Stiftungserklärung gefehlt hätte.
[32] Hinzu tritt der Umstand, dass ein Gleichlauf von Stifterrechten und Begünstigtenstellung keineswegs zwingend ist und sich Stifter (ungeachtet ihrer eigenen Begünstigung) etwa auch ein Sonderrecht auf Mitgliedschaft in einem Beirat vorbehalten können (vgl Arnold in Arnold, Privatstiftungsgesetz4 § 14 PSG Rz 82).
[33] Weshalb es im Hinblick auf den Zweck des Beirats, (auch) die Interessen der Begünstigten zu wahren, der Funktionsfähigkeit der Stiftung entgegenstehen sollte, dass – etwa im Falle des vorzeitigen Ablebens des Bruders – der noch lebenden, aber nicht mehr begünstigten Stifterin das alleinige Bestellungsrecht für Beiratsmitglieder zukäme und die Begünstigten keinen Einfluss auf die Beiratszusammensetzung hätten, ist ebenso wenig erkennbar (eine mehrheitliche Besetzung des Beirats mit Begünstigten ist nach § 12 Abs 2 SU ohnedies ausgeschlossen).
[34] 3.4. Insgesamt ist daher das Vorliegen geänderter und regelungsbedürftiger Verhältnisse, die einer Umsetzung des Stifterwillens entgegenstünden, zu verneinen.
[35] 4. Der Revisionsrekurs hat somit in diesem Punkt Erfolg. Der Antrag ist insoweit abzuweisen.
[36] 5. Die Kostenentscheidung sowohl des erstinstanzlichen Verfahrens als auch des Rechtsmittelverfahrens gründet auf § 40 PSG iVm § 78 AußStrG, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 10.000,– (§ 14 lit b RATG). Angesichts der Anzahl der beantragten Änderungen und deren Gewicht waren die Antragsteller mit ihrem Begehren in allen drei Instanzen zu 3/4 erfolgreich. Damit war die Kostenersatzpflicht zugunsten der Privatstiftung auszusprechen. Zwar kommt dem Vorstand als Gesamtorgan im Verfahren nach § 33 Abs 2 PSG Antrags- und Rechtsmittellegitimation zu; materiell schreitet dieser dabei jedoch für die Privatstiftung ein (vgl 6 Ob 119/16t = RS0120927 [T5]). Daher gebührt auch kein Streitgenossenzuschlag nach § 15 RATG.
Leitsätze
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Zur Änderung der Stiftungsurkunde und Stiftungszusatzurkunde
(1) Der Stiftungsvorstand darf Änderungen 1. nur zur Anpassung an geänderte Verhältnisse und 2. nur unter Wahrung des Stiftungszweckes vornehmen. Diese Möglichkeit des Stiftungsvorstandes besteht lediglich subsidiär und ist nur für jene Fälle vorgesehen, in denen sonst keine Möglichkeit einer Änderung bestünde. Sie ist nur in eingeschränktem Maß zulässig. Der im Stiftungszweck dargelegte Stifterwille ist vom Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Abänderungsbefugnis jedenfalls zu beachten.
(2) Es reicht nicht aus, dass sich die Verhältnisse allgemein geändert haben. Die Änderungen müssen vielmehr die Stiftung dergestalt betreffen, dass sich die Umsetzung des Stifterwillens nach der ursprünglichen Stiftungserklärung vernünftigerweise nicht mehr verwirklichen lässt oder dass anzunehmen ist, der Stifter hätte unter den geänderten Umständen eine andere Regelung getroffen.Birgit Zettel | Judikatur | Leitsatz | 6 Ob 40/23k | OGH vom 17.01.2024 | Dokument-ID: 1174354