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Gesellschaftsbezogene Änderungen im Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 (IRÄG 2017)
Die Gastautoren Dr. Schermaier und Mag. Schönberg stellen die fürs Gesellschaftsrecht relevanten Änderungen durch das IRÄG 2017 vor. Änderungen ergeben sich vor allem bei Insolvenzen im Konzern und für Gesellschaften ohne gesetzlichen Vertreter.
Durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2017 (IRÄG) kommt es zu umfassenden Änderungen im Bereich des Privatinsolvenzrechts. Insbesondere soll die Entschuldung von Privatpersonen und Einzelunternehmern erleichtert werden. Neben diesen auch in zahlreichen Medien bereits diskutierten Änderungen betreffend die Privatinsolvenzen enthält das IRÄG 2017 aber auch Änderung, welche aus gesellschaftsrechtlicher Sicht beachtenswert sind:
1. Gesellschaft ohne gesetzlichen Vertreter
Seit dem GesRÄG 2013 trifft den Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine subsidiäre Pflicht ein Insolvenzverfahren zu beantragen. Nicht geregelt war aber bisher, ob dem Mehrheitsgesellschafter auch im Insolvenzverfahren eine Vertretungsbefugnis zukommt, wenn die Kapitalgesellschaft unvertreten ist. Nach bisheriger Rechtsprechung kommt dem Mehrheitsgesellschafter keine Vertretungsbefugnis zu (OLG Wien 28 R 300/15s) und war es für das Insolvenzverfahren deshalb erforderlich, einen Notgeschäftsführer zu bestellen. Für Gläubiger, einer Kapitalgesellschaft führte die Beantragung und Bestellung eines Notgeschäftsführers einerseits zu Verzögerungen, andererseits aber auch zu einer Kostenbelastung, hat doch der Notgeschäftsführer einen Kostenersatzanspruch gegenüber den die Insolvenz beantragenden Gläubiger, sodass vielfach Gläubiger schon alleine deshalb die Insolvenz nicht beantragt haben.
Durch das IRÄG 2017 wurde nunmehr die Zustellung an unvertretene Kapitalgesellschaften im neu eingefügten § 258a IO gänzlich neu geregelt. Zustellungen können nunmehr durch Aufnahme in die Ediktsdatei ohne Bestellung eines Kurators erfolgen. Die Bekanntmachung im Edikt soll auch die Information enthalten, dass künftige Zustellungen an die zuletzt dem Gericht bekannte Anschrift der Gesellschafter erfolgt und sind in diesem Zusammenhang die Gesellschafter von der Bekanntmachung im Edikt zu verständigen. Bei Aktiengesellschaften erfolgt die Verständigung über die Bekanntmachung und die weitere Zustellung an die zuletzt bekannte Anschrift des Vorstands und des Aufsichtsrats. Für den Fall, dass die Aktiengesellschaft einen Alleinaktionär hat, muss dieser ebenfalls verständigt werden.
Die Neuregelung schien aus Gläubigerschutzgründen schon deshalb geboten, weil es nunmehr zu keinen Verzögerungen kommt, die mit einem gesonderten Verfahren zur Bestellung eines Notgeschäftsführers verbunden sind. Durch die zeitliche Verkürzung bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird einer weiteren Schmälerung des Vermögens sowie einer Verringerung der Insolvenzquote vorgebeugt. Da kein Notgeschäftsführer bestellt werden muss, entfällt auch der Kostenersatzanspruch gegenüber jenem Gläubiger, welcher die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hat. Künftig sollte dieser Umstand Gläubiger nicht mehr davon abhalten, einen Insolvenzantrag bei einer nicht vertretenen Kapitalgesellschaft zu stellen.
2. Insolvenzen im Konzern
Bereits jetzt enthält die Europäische Insolvenz Verordnung (EuInsVO) Regelungen betreffend der Insolvenzen von Unternehmensgruppen, wenn mehrere Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind. Gemäß Artikel 56 EUInsVO werden die Gerichte in den jeweiligen Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit und Kommunikation verpflichtet. Weiters werden in Artikel 57 EuInsVO auch die Verwalter und in Artikel 58 EuInsVO die Verwalter und Gerichte untereinander zur Zusammenarbeit und Kommunikation verpflichtet. Neben diesen Pflichten wird in den Artikeln 61 ff ein Gruppenkoordinationsverfahren bei Insolvenzen von Unternehmensgruppen mit Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten vorgesehen. Ziel dieser Bestimmungen ist es, Insolvenzverfahren betreffend Unternehmensgruppen, bei denen Gesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten beteiligt sind, möglichst effizient zu gestalten. Da die EuInsVO nur auf Sachverhalte mit Auslandsbezug anwendbar war, eine entsprechende gesetzliche Regelung in der IO bisher fehlte und es oft unterschiedliche örtliche Zuständigkeiten gibt, kam es aufgrund von parallel laufender Insolvenzverfahren in Bezug auf mehrere (österreichischer) Konzerngesellschaften zu Effizienzverlusten.
Durch die nunmehr eingefügten §§ 180b bis 180c IO sind die Regelungen der EUInsVO über die Zusammenarbeit und Kommunikation nach den Artikeln 56 bis 60 EuInsVO sowie die Koordinierung nach den Artikeln 61 bis 77 EuInsVO auch auf Sachverhalte ohne Auslandsbezug anzuwenden.
Neben den nunmehr bereits oben beschriebenen Zusammenarbeits- und Kommunikationsverpflichtungen für Gerichte und Verwalter ist nunmehr auch das Gruppenkoordinationsverfahren in Österreich bei Konzerninsolvenzen ohne Auslandsbezug anwendbar. Gemäß Artikel 61 EuInsVO ist ein Verwalter berechtigt, ein Gruppenkoordinationsverfahren unter Nennung eines geeigneten Koordinators zu beantragen. Sofern keine berechtigten Einwände der übrigen Verwalter und des zuständigen Gerichts bestehen, hat dieses den Koordinator zu bestellen. Werden von Verwaltern bei mehreren Gerichten Anträge eingereicht, entscheidet das Prioritätsprinzip. Der Koordinator hat keine Verwaltungs- oder Vertretungsbefugnisse; vielmehr nimmt dieser lediglich Koordinierungsaufgaben wahr. Für seine Tätigkeit hat der Koordinator einen Anspruch auf Vergütung gegenüber jedem an der Koordination teilnehmenden Mitglied. Ergänzend legt § 180c Abs 4 IO daher fest, dass es sich beim Vergütungsanspruch um eine Masseforderung handelt.
Bezogen auf das Koordinierungsverfahren regelt § 180c IO welche Handlungen des Koordinators der Genehmigung des Gläubigerausschusses bedürfen.
- Artikel 56 Absatz 2 EuInsVO sieht vor, dass die Verwalter unter sich, jeweils im gesetzlichen Rahmen, sich gegenseitig Aufgaben untereinander aufteilen bzw Befugnisse zuweisen. Derartige Vereinbarungen bedürfen der Zustimmung des Insolvenzgerichts und des Gläubigerausschusses.
- Weiters bedarf der Antrag auf Eröffnung eines Gruppenkoordinationsverfahrens der Genehmigung des Gläubigerausschusses.
- Der Genehmigung des Gläubigerausschusses bedarf auch die Teilnahme oder Nicht- Teilnahme an einem Gruppenkoordinationsverfahren sowie ein nachträglicher Beitritt.
- Auch die Wahl des für das Gruppenkoordinierungsverfahren zuständigen Gerichts bedarf jeweils der Zustimmung des Gläubigerausschusses.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass, auch wenn im Mittelpunkt des IRÄG 2017 die Änderung des Privatinsolvenzverfahrens steht, vor allem das neu geschaffene Instruments des Koordinationsverfahrens eine praxisrelevante Änderungen bei (häufiger vorkommenden) Insolvenzen von Konzerngesellschaften ist. Es ist gespannt abzuwarten, wie der neu geschaffene „Koordinator“ als neuer Akteur im Insolvenzverfahren seine Rolle anlegen wird.
Über die Autoren
Dr. Stefan Schermaier ist Rechtsanwalt und Partner, Mag. Florian Schönberg Rechtsanwaltsanwärter bei Tonninger | Schermaier & Partner Rechtsanwälte (http://www.ts.at). Schwerpunkttätigkeiten der Autoren sind Unternehmens- und Gesellschaftsrecht, M & A, Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Vertragsrecht.