Dokument-ID: 022000

Vorschrift

Körperschaftsteuergesetz 1988 (KStG 1988)

Inhaltsverzeichnis

§ 6b. Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften

idF BGBl. I Nr. 104/2019 | Datum des Inkrafttretens 01.07.2020

(1) Bei Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften bleiben im Finanzierungsbereich (Z 3 lit. a) Veräußerungsgewinne, Veräußerungsverluste und sonstige Wertänderungen aus Beteiligungen (Abs. 2 Z 4) bei der Ermittlung der Einkünfte außer Ansatz, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft ist eine Aktiengesellschaft, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder eine vergleichbare ausländische Körperschaft.
  2. Die Satzung der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft kann die Ausgabe von Genussrechten gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 zweiter Teilstrich vorsehen, wenn der Gesamtnennbetrag der Genussrechte mit der Höhe des aufgebrachten Grund- oder Stammkapitals beschränkt ist.
  3. Der Geschäftsgegenstand der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft umfasst den Finanzierungsbereich und den Veranlagungsbereich sowie damit zusammenhängende Nebenleistungen und ist wie folgt beschränkt:
    1. Der Finanzierungsbereich umfasst die Investition des Eigenkapitals der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft nach Maßgabe des Abs. 2 und beträgt nachhaltig mindestens 75 % des Eigenkapitals.
    2. Der Veranlagungsbereich umfasst die Veranlagung des Eigenkapitals der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft und beträgt nachhaltig höchstens 25 % des Eigenkapitals. Die Veranlagung erfolgt ausschließlich in Form von Geldeinlagen, sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten oder Forderungswertpapieren; mit dem Finanzierungsbereich zusammenhängende Sicherungsgeschäfte sind innerhalb der 25 %-Grenze zulässig. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Voraussetzungen für die nachhaltige Investition und Veranlagung des Eigenkapitals in einer Verordnung näher festzulegen.
  4. Die Investitionsstrategie der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft ist wirtschaftlich solide und umfasst eine nach Maßgabe der Rz 67 der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen, ABl. C 19 vom 22.1.2014 (Leitlinien 2014) geeignete Risikodiversifizierungsstrategie.
  5. Am Grund-oder Stammkapital und an den Stimmrechten der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft sind mindestens fünf Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar beteiligt, wobei die Beteiligung eines Gesellschafters nicht mehr als 49 % beträgt. Die Befreiung umfasst auch Erträge aus der Annexfinanzierung gemäß Abs. 2 Z 3 lit. f.
  6. Bei Veräußerung einer Beteiligung (Abs. 2 Z 4) wird im folgenden Wirtschaftsjahr mindestens ein Betrag in Höhe der sich aus der Steuerfreiheit ergebenden Steuerersparnis an die Anteilsinhaber der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft ausgeschüttet. (BGBl. I Nr. 103/2019)

Die Befreiung umfasst auch Erträge aus der Annexfinanzierung gemäß Abs. 2 Z 3 lit. f.

(2) Die Investition des Eigenkapitals (Finanzierungsbereich) erfolgt ausschließlich in Form von Beteiligungen an operativen Unternehmen in der Frühphase und Unternehmen in der Wachstumsphase nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen:

  1. Unternehmen in der Frühphase sind zu Beginn der Finanzierung durch die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft nicht börsennotiert und erfüllen eine der folgenden Voraussetzungen:
    1. sie sind noch auf keinem Markt tätig;
    2. sie sind seit ihrem ersten kommerziellen Verkauf noch keine sieben Jahre gewerblich tätig;
    3. sie benötigen eine erste Risikofinanzierung, die ausgehend von einem mit Blick auf den Eintritt in einen neuen sachlich oder räumlich relevanten Markt erstellten Geschäftsplan mehr als 50 % ihres durchschnittlichen Jahresumsatzes in den vorangegangenen fünf Jahren beträgt. Die Investition umfasst auch eine Anschlussfinanzierung nach Ablauf des in lit. b genannten Zeitraums, wenn die Möglichkeit dafür bereits im ursprünglichen Geschäftsplan vorgesehen war und nicht bereits eine Risikofinanzierung durch ein mit dem Unternehmen in der Frühphase verbundenes Unternehmen im Sinne des Anhang 1 Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr 65 1/2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden: AGVO 2014), ABl. Nr. L 187 vom 26.06.2014 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 283 vom 27.9.2014 S. 65, erfolgt.
  2. Unternehmen in der Wachstumsphase sind zu Beginn der Finanzierung durch die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft nicht börsennotiert, fallen nicht unter Z 1, sind seit ihrem ersten kommerziellen Verkauf noch keine zehn Jahre gewerblich tätig und sind (BGBl. I Nr. 103/2019)
    1. nach Maßgabe des Art. 2 Abs. 80 der AGVO 2014 innovativ oder
    2. in einem stark risikobehafteten Sektor (zB Biotechnologie) im Sinne der Rz 73 der Leitlinien 2014 tätig.
  3. Als Beteiligungen an Unternehmen gemäß Z 1 oder Z 2 gelten
    1. Aktien, Geschäftsanteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Genossenschaftsanteile;
    2. Genussrechte gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 zweiter Teilstrich;
    3. Anteile an einer Kommanditgesellschaft, wenn damit die Stellung als Mitunternehmer gemäß § 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 verbunden ist;
    4. stille Beteiligungen im Sinne des § 179 des Unternehmensgesetzbuches, wenn damit die Stellung als Mitunternehmer gemäß § 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 verbunden ist;
    5. Anteile an ausländischen Gesellschaften, die den in lit. a bis d genannten vergleichbar sind, wenn von deren Ansässigkeitsstaat bzw. Belegenheitsstaat das Vorliegen eines Marktversagens auf Grundlage der Leitlinien 2014 erfolgreich nachgewiesen wurde;
    6. Geldveranlagungen neben Beteiligungen im Sinne der lit. a bis e in Form von Darlehen, Schuldverschreibungen, nicht unter lit. d fallenden stillen Beteiligungen oder nicht unter lit. b fallenden Genussrechten, sowie in Form von Zuzahlungen in wirtschaftlich begründeten Fällen (Annexfinanzierung).
  4. Eine Investition darf nicht in Unternehmen erfolgen, die zu Unrecht staatliche Beihilfen erhalten und diese noch nicht zurückgezahlt haben. (BGBl. I Nr. 103/2019)

(3) Im Finanzierungsbereich gilt für die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft Folgendes:

  1. Das Gesamtinvestitionsvolumen ist ausschließlich in
    1. kleine und mittlere Unternehmen im Sinne des Anhang I Art. 2 der AGVO 2014,
    2. kleine Unternehmen mittlerer Kapitalisierung im Sinne der Rz 52 der Leitlinien 2014 und
    3. innovative Unternehmen mittlerer Kapitalisierung im Sinne der Rz 52 der Leitlinien 2014 zu investieren. Dabei müssen mindestens 70 % in Unternehmen gemäß lit. a investiert werden.
  2. Die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft darf in ein einzelnes Unternehmen
    1. höchstens 20 % ihres Eigenkapitals und
    2. höchstens 15 Millionen Euro einschließlich Anschluss- und Annexfinanzierung investieren. Der Betrag von 15 Millionen Euro vermindert sich, soweit das Unternehmen bereits Investitionen, einschließlich Anschluss- und Annexfinanzierung, von anderen Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften erhalten hat. (BGBl. I Nr. 103/2019)
  3. Die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft darf sich an einem ein zelnen Unternehmen zu höchstens 49 % des Grund- oder Stammkapitals bzw. des fixen Kapitals beteiligen und keine beherrschende Stellung ausüben.

(4) Wird bei Beteiligungen gemäß Abs. 2 Z 3 lit. e eine Option zur Steuerwirksamkeit gemäß § 10 Abs. 3 ausgeübt, sind Veräußerungsgewinne, Veräußerungsverluste und sonstige Wertänderungen steuerwirksam.

(5)Die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft hat das Vorliegen der Voraussetzungen jährlich durch Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nachzuweisen und Informationen über die getätigten Investitionen entsprechend den Anforderungen in Rz 166 lit. v der Leitlinien 2014 offenzulegen. Die Bestimmungen des § 275 des Unternehmensgesetzbuches gelten dabei sinngemäß. Das Finanzamt für Großbetriebe hat das Vorliegen der Voraussetzungen zu bescheinigen und sämtliche Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften, die diese Voraussetzungen erfüllen, einmal jährlich elektronisch zu veröffentlichen (Liste der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften); dabei ist das Datum der Veröffentlichung auf der Liste anzugeben. Davon abweichend ist im Fall der erstmaligen Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers oder einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft das Vorliegen der Voraussetzungen binnen acht Wochen zu bescheinigen und die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft auf die zuletzt veröffentlichte Liste aufzunehmen; dabei ist zusätzlich zum Datum der Veröffentlichung der Zusatz „neu aufgenommen“ anzuführen.
(BGBl. I Nr. 104/2019)

(6) Verletzt eine Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft nachhaltig die genannten Voraussetzungen, hat sie den Bruttobetrag aller Ausschüttungen für von der Verletzung der Voraussetzungen betroffene Geschäftsjahre, die bei den Anteilsinhabern eine Steuerbefreiung gemäß § 27 Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 vermitteln können, neben ihrem Einkommen mit dem besonderen Steuersatz gemäß § 27a Abs. 1 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 zu versteuern; dabei ist zudem eine von der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft für die Anteilsinhaber übernommene Kapitalertragsteuerpflicht zu berücksichtigen.