Dokument-ID: 514394

Judikatur | Entscheidung

6 Ob 157/12z; OGH; 15. Oktober 2012

GZ: 6 Ob 157/12z | Gericht: OGH vom 15.10.2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin H***** G*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin G***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Abberufung von Vorstandsmitgliedern gemäß § 27 Abs 2 PSG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 20. Juni 2012, GZ 4 R 140/12h-12, womit der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. April 2012, GZ 65 Fr 603/11f-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Ing. G***** G***** (Erststifter), die nunmehrige Antragstellerin und Revisionsrekurswerberin H***** G***** (Zweitstifterin) sowie die G***** GmbH (Drittstifterin) errichteten mit Notariatsakt vom 1. Oktober 1999 die zu FN ***** im Firmenbuch des Erstgerichts eingetragene G***** Privatstiftung auf unbestimmte Zeit. Der Erststifter behielt sich das - zu seinen Lebzeiten - alleinige Recht zur Änderung der Stiftungserklärung sowie zur Bestellung und Abberufung von Stiftungsvorstandsmitgliedern vor. Die Stiftung dient mehreren Zwecken, darunter der Erhaltung und Vermehrung des Stiftungsvermögens, der Sicherung der mit der Privatstiftung verbundenen Unternehmen und der Versorgung der Begünstigten. Begünstigt waren nach der Stammfassung und auch noch in den Fassungen der Stiftungsurkunde vom 14. April 2009, vom 14. April 2011 und vom 20. Mai 2011 der Erststifter, die Zweitstifterin und ihre gemeinsamen Deszendenten (drei volljährige Kinder) in jener Weise, wie dies die Stiftungszusatzurkunde näher bestimmte. Noch in den Fassungen der Stiftungsurkunde vom 14. April 2009 und vom 14. April 2011, aber nicht mehr in der Fassung vom 20. Mai 2011 war als weiteres Organ ein Familienbeirat eingerichtet, dem unter anderem der Erststifter- und die Zweitstifterin auf Lebenszeit angehörten.

Zuletzt änderte der Erststifter die Stiftungsurkunde mit Notariatsakt vom 11. November 2011; die geänderte Fassung wurde am 25. November 2011 in das Firmenbuch eingetragen. Diese lautet auszugsweise wie folgt:

SECHSTENS:

BEGÜNSTIGTE:

(1) Begünstigter der Privatstiftung ist der Erststifter in jener Weise, wie dies die Stiftungszusatzurkunde näher bestimmt. Die Drittstifterin kann nicht als Begünstigte festgestellt werden.

(2) Weitere Begünstigte können nach den Bestimmungen der Stiftungszusatzurkunde in der dort näher bestimmten Weise festgestellt werden.

(3) Als Stelle, die die Begünstigten und Letztbegünstigten feststellt, wird die Drittstifterin berufen, die dazu nur unter den in der Stiftungszusatzurkunde genannten Voraussetzungen befugt ist; ansonsten ist Stelle zur Feststellung der Begünstigten und Letztbegünstigten der Stiftungsvorstand.

(4) Die Stiftungszusatzurkunde enthält auch nähere Bestimmungen zu den weiteren im Zusammenhang mit den in Punkt „VIERTENS“ festgelegten Stiftungszwecken in Betracht kommenden Zuwendungsempfängern.

(5) Die Stiftungszusatzurkunde enthält auch die Bestimmung der Letztbegünstigten.

(6) Ist kein von den Stiftern bestimmter Begünstigter und/oder Letztbegünstigter mehr vorhanden, so ist der Stiftungsvorstand die zur Bestimmung des/der Begünstigten und des/der Letztbegünstigten im Einklang mit den Regelungen der Stiftungserklärung berufene Stelle.

[…]

ZEHNTENS:

BEIRAT:

(1) Nach dem endgültigen Erlöschen der Stifterrechte des Erststifters Ingenieur G***** G***** ist ein Beirat zu bestellen, der aus mindestens zwei, höchstens aber aus fünf Mitgliedern besteht.

(2) Die Bestellung der Mitglieder des Beirates erfolgt durch die Drittstifterin G***** GMBH als deren höchstpersönliches Recht, sohin auch nach dem allfälligen Erlöschen der Stifterrechte, die der Drittstifterin G***** GMBH zukommen.

(3) Die Bestellung der Mitglieder des Beirates erfolgt für eine Funktionsperiode von längstens fünf Jahren. Bei Vorliegen eines wichtigen, gesetzlichen Grundes kann die Abberufung vor Ablauf der Funktionsperiode erfolgen.

[…]

(14) Über Wunsch des Erststifters Ingenieur G***** G***** ist ein Beirat bereits zu seinen Lebzeiten einzurichten. Der Erststifter Ingenieur G***** G***** gehört dem Beirat auf Lebzeiten an.

Mitglieder des Stiftungsvorstandes sind derzeit R***** H***** (Vorsitzender), Prof. Dr. J***** L***** und Mag. Dr. K***** T*****.

Mit Eingabe vom 16. Dezember 2011 regte die Zweitstifterin die amtswegige Löschung aller Stiftungsvorstandsmitglieder gemäß § 10 Abs 2 FBG wegen Erlöschens ihrer Funktionen infolge Unvereinbarkeit gemäß § 15 PSG an. Wenn und soweit das Gericht dieser Anregung nicht folgen sollte, stellte sie den Antrag auf gerichtliche Abberufung der Stiftungsvorstandsmitglieder gemäß § 27 Abs 2 PSG aus einer Reihe von – näher dargestellten – Gründen. Sie stützte ihre Antragslegitimation auf (die Nachwirkung) ihre(r) Begünstigtenstellung noch in der Stiftungsurkunde vom 20. Mai 2011 und auf ihre Mitgliedschaft zum Familienbeirat der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin bestritt die Aktivlegitimation der Antragstellerin mangels (Nachwirkung ihrer ehemaligen) Begünstigtenstellung und mangels der Einrichtung eines Familienbeirats in der aktuell gültigen Stiftungsurkunde und beantragte die Zurückweisung des Antrags auf Abberufung ihrer Stiftungsvorstandsmitglieder. Inhaltlich wendete sie sich gegen die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Abberufungsgründe und beantragte die Einstellung des Verfahrens nach Prüfung durch das Erstgericht.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Abberufung der Stiftungsvorstandsmitglieder gemäß § 27 Abs 1 (richtig: Abs 2) PSG mangels Antragslegitimation der Zweitstifterin zurück (Punkt 1), hielt fest, dass ein amtswegiges Enthebungsverfahren mangels des Vorliegens schwerwiegender Abberufungsgründe nicht stattfinde (Punkt 2), und wies den Antrag der Antragsgegnerin auf Zuerkennung von Kostenersatz ab (Punkt 3).

Die Antragstellerin sei in der aktuellen Stiftungsurkunde vom 11.11.2011 nicht als Begünstigte genannt. Durch die Änderung der Stiftungsurkunde sei die Grundlage für den Familienbeirat weggefallen. Damit finde sich kein Anhaltspunkt für ein rechtliches Interesse der Antragstellerin am Funktionieren der Privatstiftung. Bei Würdigung der umfassenden Äußerung der Antragsgegnerin komme das Firmenbuchgericht zu dem Ergebnis, dass den Argumenten der Antragsgegnerin zu folgen sei. Soweit darüber hinaus die Antragstellerin verschiedene am Landesgericht Klagenfurt anhängige Zivilverfahren anführe, werde sie auf den Ausgang dieser Prozesse verwiesen.

Nur gegen die Zurückweisung ihres Antrags erhob die Antragstellerin Rekurs.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge. Die Änderung der Stiftungsurkunde sei nach § 33 Abs 3 Satz 2 PSG mit der Eintragung in das Firmenbuch wirksam geworden. Die Eintragung wirke konstitutiv. In der aktuellen Stiftungsurkunde vom 11.11.2011 sei die Zweitstifterin nicht mehr als Begünstigte genannt. Es liege auch kein Fall der Nachwirkung einer früheren Begünstigtenstellung vor. Diese ende vielmehr durch eine Änderung der Stiftungserklärung. Der Eintragungsbeschluss sei formell und materiell rechtskräftig geworden. Davon ausgehend sei die Zweitstifterin im Zeitpunkt ihrer Antragstellung nach § 27 Abs 2 PSG nicht mehr aktuell Begünstigte der Privatstiftung und damit nicht antragslegitimiert. Der Umstand, dass mehrere streitige Zivilverfahren anhängig seien, in denen die Zweitstifterin die Ungültigkeit der Änderung der Stiftungsurkunde anstrebe, verschaffe ihr keine Antragslegitimation.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

1. Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; er ist auch berechtigt.

2.1. Nach § 27 Abs 2 PSG hat das Gericht ein Mitglied eines Stiftungsorgans auf Antrag oder von Amts wegen abzuberufen, wenn dies die Stiftungserklärung vorsieht oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt. Nach den Gesetzesmaterialien sind jene Beteiligten antragsberechtigt, die ein rechtliches Interesse am ordnungsgemäßen Funktionieren der Privatstiftung haben. Dazu gehörten die Stiftungsorgane und deren Mitglieder, aber auch Begünstigte.

2.2. In diesem Zusammenhang hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen, dass im Interesse der Vermeidung eines Kontrolldefizits für Begehren auf Abberufung von Vorstandsmitgliedern nicht nur den Stiftungsorganen, sondern auch einzelnen Organmitgliedern Parteistellung zukommt, weil dies nicht dem Schutz von Individualinteressen, sondern dem Ausgleich eines bei der Privatstiftung bestehenden strukturellen Kontrolldefizits dient (6 Ob 195/10k JBl 2011, 321 [Karollus] = ecolex 2011/176 [Rizzi]; 6 Ob 82/11v; vgl auch 6 Ob 240/10b ZfS 2011, 28). In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass diese Überlegungen auch für andere Organe der Stiftung gelten würden, also etwa für einen Beirat mit Organqualität (so auch Arnold, PSG² [2007] § 27 Rz 29; Karollus, JBl 2011, 321 [Entscheidungsanmerkung zu 6 Ob 195/10k]). In der Folge hat der erkennende Senat die Antragslegitimation eines Beiratsmitglieds ausdrücklich bejaht (6 Ob 98/11x ZfS 2011, 172 (Oberndorfer) = PSR 2011/48 [dazu Zollner/Paulsen, PSR 2012, 6] = RdW 2011/685 = JEV 2011, 141 = GesRz 2012, 142 [Arnold] = AnwBl 2012, 305).

3.1. Die Vorinstanzen verneinten die Antragslegitimation der Revisionsrekurswerberin schon deshalb, weil diese nach der Änderung der Stiftungsurkunde nicht mehr Begünstigte sei.

3.2. Dem kann nicht gefolgt werden:

Zwar wird nach § 33 Abs 3 Satz 2 PSG die Änderung der Stiftungsurkunde mit der Eintragung in das Firmenbuch wirksam. Insofern trifft auch zu, dass die Eintragung konstitutiv wirkt (RIS-Justiz RS0123556; 6 Ob 101/11b; Arnold PSG² § 33 Rz 71). Die Eintragung ist jedoch stets nur notwendige, nicht auch hinreichende Bedingung für die Wirksamkeit einer Änderung der Stiftungsurkunde. Zwar kann eine Änderung der Stiftungsurkunde ohne Eintragung in das Firmenbuch keine Wirksamkeit entfalten; dies bedeutet jedoch nicht, dass jede eingetragene Änderung damit automatisch auch materiell-rechtlich wirksam wäre. Vertrauensschutzerwägungen kommen im vorliegenden Zusammenhang nicht zum Tragen.

3.3. So könnte etwa eine Änderung der Stiftungserklärung dann, wenn der Stifter geschäftsunfähig ist, auch dann keine Wirkungen entfalten, wenn sie im Firmenbuch eingetragen wäre. Ein anderer Fall wäre der Verstoß der Stiftungserklärung gegen ein gesetzliches Verbot. Dazu hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass die Bestellung der Tochter der Stifterin und Alleinbegünstigten zum Mitglied des Stiftungsvorstands trotz Eintragung im Firmenbuch absolut unwirksam war (6 Ob 180/04w GeS 2005, 154 [Arnold] = SZ 2004/177).

3.4. Im vorliegenden Fall hat sich die Revisionsrekurswerberin darauf berufen, dass sie in einem anhängigen Streitverfahren vor dem Erstgericht die Feststellung der Gültigkeit der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde jeweils in der Fassung vom 14. April 2009 und der Unwirksamkeit aller später erfolgten Änderungen, insbesondere jener vom 14. April 2011, vom 20. Mai 2011 und vom 11. November 2011, begehrt.

3.5. Die materiell-rechtliche Gültigkeit der Stiftungsurkunde bzw der späteren Änderungen stellt daher im vorliegenden Fall eine Vorfrage dar, deren Lösung sich nicht schon durch die Eintragung in das Firmenbuch erübrigt, zumal eine umfassende Prüfung der materiellen Wirksamkeit der Änderungen der Stiftungsurkunde bzw Zusatzurkunde im Eintragungsverfahren gar nicht erfolgen kann, sondern das Firmenbuch auf das Aufgreifen jener Umstände beschränkt ist, hinsichtlich derer es von Amts wegen oder aufgrund der Eingaben eines Beteiligten Bedenken hegt (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 18 ff).

3.6. Damit hätten die Vorinstanzen die maßgebliche Vorfrage entweder selbst beurteilen müssen oder das Verfahren nach § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG unterbrechen müssen (Fucik/Kloiber AußStrG § 25 Rz 2).

3.7. Schon deshalb erweist sich die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen als unabweislich.

4.1. Die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen ist aber noch aus einer weiteren Erwägung gerechtfertigt:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen (6 Ob 195/10k JBl 2011, 321 [Karollus] = ecolex 2011/176 [Rizzi] = ZfS 2011, 68 [Kalss]; 6 Ob 82/11v PSR 2011/30, 117 [Hofmann] = ZfS 2011, 130 [Oberndorfer] = GesRz 2011, 380 [Hochedlinger]; 6 Ob 244/11t ZfS 2012, 45 (Haslwanter) = PSR 2012/10 S = GeS 2012, 142 = ZUS 2012/11 = EvBl-LS 2012/77 = RdW 2012/285 = wbl 2012, 349/129 = JEV 2012, 71/18 = AnwBl 2012, 358) auf das besondere, sich bei der Privatstiftung aus dem Fehlen von Eigentümern ergebende Kontrolldefizit verwiesen, wo mangels Vorliegens von Eigentümern kein Äquivalent etwa zur Hauptversammlung im Aktienrecht besteht (vgl dazu Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 7/35 mwN). Diesem Kontrolldefizit ist durch rechtschutzfreundliche Auslegung jener Bestimmungen zu begegnen, die einzelnen Personen die Legitimation zur Stellung von Anträgen an das Gericht einräumen, kann doch nur auf diese Weise das tendenziell bestehende Kontrolldefizit durch eine umfassende Prüfung und Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht ausgeglichen werden.

4.2. Nach den Materialien zu § 27 PSG kommt den Begünstigten Antragslegitimation für Anträge auf Bestellung oder Abberufung von Organmitgliedern zu. Zu der Frage, ob diese Rechte daran gebunden sind, dass der Betreffende noch aktuell Begünstigter (zum Begriff vgl etwa Arnold, PSG² § 5 Rz 26) ist, ist den Materialien jedoch nichts zu entnehmen. Die an anderer Stelle der Materialien, nämlich bei § 5 PSG, anzutreffende Aussage, die Dauer der Begünstigtenstellung hänge vom Stiftungszweck ab, bezieht sich nicht auf Informations- und Kontrollrechte.

4.3. In der Literatur wird eine Nachwirkung der Begünstigtenstellung für die Ausübung ihrer Überwachungsrechte und zugunsten der in regelmäßigen Abständen von der vom Stifter dazu berufenen Stelle oder vom Stiftungsvorstand nach § 5 Satz 2 PSG festgestellten Begünstigten zumindest bis zur nächsten Feststellung vertreten (Arnold PSG² § 5 Rz 39). Arnold (aaO) weist zu Recht darauf hin, dass, wenn man annähme, dass Personen, die lediglich einmal eine Zuwendung erhalten, mit Leistung derselben ihre Begünstigtenstellung sofort verlieren, man deren Überwachungsrechte (insbesondere den Auskunftsanspruch nach § 30 PSG) ad absurdum führen würde. Außerdem wäre eine Unvereinbarkeit dann nur für jeweils eine logische Sekunde gegeben. Es sei daher davon auszugehen, dass die Begünstigtenstellung durch eine angemessene Frist hindurch nachwirke.

4.4. Nach Kalss/Zollner (Die gesetzlichen Rechte der Begünstigten, GesRz 2008, 125 ff) sei demgegenüber für Einmalbegünstigte gerade keine Nachwirkung der Begünstigtenstellung erforderlich, weil diesen mangels konkreter Chance auf weitere Zuwendungen durch die Privatstiftung regelmäßig das Kontrollinteresse fehlen werde. Von der Nachwirkung des Informationsrechts strikt zu unterscheiden sei jedoch die Frage, wie lange Begünstigte ihre aus der Begünstigtenstellung resultierenden Auskunftsrechte nach Beendigung der Begünstigtenstellung noch geltend machen können; dies sei vor allem dann von Bedeutung, wenn sich nachträglich herausstelle, dass ertragsabhängige Ausschüttungen an Begünstigte von der Stiftungsverwaltung unrichtig berechnet wurden. Dem Grunde nach handle es sich dabei um eine Frage der Verjährung von Auskunftsrechten und Rechenschaftspflichten und habe mit dem „Nachwirken“ einer Rechtsposition gerade nichts gemeinsam. Mangels spezieller Verjährungsvorschriften verjähre der Auskunftsanspruch binnen 30 Jahren.

4.5. Der Auskunftsanspruch würde kaum Sinn machen, wenn bestimmte Begünstigte zwar das Recht hätten, Einsicht in bestimmte Unterlagen zu nehmen und Auskünfte zu verlangen, um Kontrolle auszuüben, es diesen aber für den Fall, dass pflichtwidriges Organverhalten zutage gefördert wird, nicht gestattet wäre, weitere Schritte zu setzen (Kalss/Zollner aaO). Das Recht zur Stellung eines Antrags auf Abberufung sei als logisches Folgerecht des Einsichtsrechts zu versehen und somit denselben Adressaten wie das Informationsrecht zu gewähren. Alle Personen, die zur Einsicht berechtigt seien, hätten auch ein rechtliches Interesse, einen Antrag auf Abberufung zu stellen; widrigenfalls wäre das Einsichtsrecht ein völlig sanktionsloser Kontrollmechanismus und das intendierte Regelungsanliegen – nämlich die Etablierung von wirksamer Kontrolle in der Privatstiftung – könne nicht erreicht werden.

4.6. Für den Einmalbegünstigten vertreten Kalss/Zollner (aaO), dass, soweit diese auch nach Erhalt der Zuwendung Auskünfte verlangen können, auch das Abberufungsrecht entsprechend auszudehnen sei, um das informationsbezogene Kontrollrecht wirksam abzusichern; denn ergebe sich etwa durch die Ausübung des Informationsrechts, dass die Zuwendungen an die Einmalbegünstigten vom Stiftungsvorstand zu gering bemessen wurden, könnten sich diese nur durch dessen Abberufung wehren.

5.1. Dieser Auffassung ist beizupflichten. Andernfalls würden jene in der Praxis verbreiteten Gestaltungen der Stiftungsurkunde, wonach der Begünstigte teilweise nur für einen äußerst kurzen Zeitraum, etwa einen Tag, eingesetzt ist, dazu führen, dass die Antrags- und Kontrollrechte des Begünstigten praktisch nie zum Tragen kämen. Eine derartige Auslegung kann dem Gesetzgeber aber nicht zugesonnen werden. Diese Erwägungen gelten aber nicht nur für den Einmalbegünstigten oder Begünstigte, die diese Stellung – wenn auch wiederholt – nur für ganz kurze Zeit innehaben, sondern auch bei allen anderen Begünstigten zumindest gegen Ende ihrer Stellung als Begünstigte, weil dann rein faktisch die Ausübung der Kontrollmöglichkeiten der Begünstigten nicht rechtzeitig möglich wäre.

5.2. Dies gilt umso mehr, als mit dem BudgetbegleitG 2011 die Abberufungsmöglichkeiten durch Begünstigte sogar erweitert wurden. Dieses Abberufungsrecht als zentrales Absicherungsinstrument der Kontrollmöglichkeiten des Begünstigten würde andernfalls bei all jenen Begünstigten leerlaufen, die wegen Ablaufs ihrer Begünstigtenstellung ihre damit zusammenhängenden Informations- und Kontrollrechte nicht ausüben könnten.

5.3. Zusammenfassend ist § 27 Abs 2 PSG daher dahin auszulegen, dass die dort statuierte Antragslegitimation auch ehemaligen aktuellen Begünstigten zukommt, soweit als Abberufungsgründe Gründe angeführt werden, die sich auf die Verletzung von Pflichten gegenüber dem Begünstigten beziehen.

5.4. Die Entscheidung 6 Ob 180/04w GeS 2005, 154 (Arnold) = SZ 2004/177 steht dem nicht entgegen. In dieser Entscheidung findet sich zwar – im Anschluss an Arnold, PSG § 5 Rz 27 – die Aussage, dass die Stellung als Begünstigter jedenfalls durch eine entsprechende Änderung der Stiftungserklärung ende. Die Entscheidung betrifft jedoch eine lediglich potentiell Begünstigte, im vorliegenden Fall war die Revisionsrekurswerberin jedoch aktuell Begünstigte. Im Übrigen wurde auch in dieser Entscheidung eine Nachwirkung der Begünstigtenstellung insoweit anerkannt, als der Begünstigte Auskunft darüber begehren kann, ob seine Stellung als Begünstigter noch aufrecht ist.

5.5. Der Vollständigkeit halber ist schließlich darauf hinzuweisen, dass auch bei der GmbH nach herrschender Auffassung das Bucheinsichtsrecht auch ehemaligen Gesellschaftern zukommt, soweit es um den ihnen zustehenden Bilanzgewinn aus ihrer Zeit als Gesellschafter geht (vgl nur Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 22 Rz 28).

5.6. Entgegen der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Auffassung kann auch keine Rede davon sein, dass die Revisionsrekurswerberin ihre Stellung als Begünstigte gemäß Punkt 4. der Stiftungsurkunde verloren hätte, weil sie die Nachwidmungen der Geschäftsanteile der G***** GmbH und die Wirksamkeit der Änderungen der Stiftungsurkunde bzw Stiftungszusatzurkunde bestreitet. Ebenso wie bei § 720 ABGB ist eine derartige kassatorische Klausel ohne Wirkung, soweit nur der wahre Wille des Stifters bzw Erblassers festgestellt werden soll, soweit Echtheit und Sinn der Anordnung geklärt werden sollen und soweit damit die Bekämpfung verbotener oder sittenwidriger Anordnungen verhindert werden soll (Knechtel in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 720 Rz 3; Welser, FS Demelius 503 ff). Gleiches muss aber auch dann gelten, wenn die Revisionsrekurswerberin – wie im vorliegenden Fall – die Gültigkeit der Nachwidmungen bzw der Stiftungsurkunde unter Berufung auf ihre Stellung als Mitstifterin und eine mit dem Stifter getroffene Vereinbarung bestreitet, kann doch dem Stifter nicht unterstellt werden, dass er mit einer derartigen Klausel auch die Durchsetzung berechtigter Ansprüche aus von ihm selbst mit einer Mitstifterin abgeschlossenen Vereinbarung ausschließen wollte.

5.7. Daraus folgt aber, dass die Vorinstanzen zu Unrecht die Antragslegitimation der Revisionsrekurswerberin verneint haben.

6. Im fortgesetzten Verfahren werden auch nähere Feststellungen zum Tatsachenvorbringen der Revisionsrekurswerberin zu treffen sein. Die bloße Wiedergabe des Vorbringens der Antragsgegnerin mit dem Hinweis, dass diesen Argumenten zu folgen sei, vermag zwar allenfalls eine ausreichende Begründung für die Unterlassung weiteren amtswegigen Vorgehens bieten, stellt aber keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über einen strittigen Parteiantrag dar.

7. Der Vollständigkeit halber ist auf einen weiteren Gesichtspunkt hinzuweisen: Der Revisionsrekurswerberin kommen zwar in Nachwirkung ihrer Begünstigtenstellung zur Absicherung ihrer Begünstigtenrechte Informations- und Kontrollrechte einschließlich der Legitimation zur Stellung eines Abberufungsantrags zu. Allerdings unterscheidet sich der Antrag nach § 27 Abs 2 PSG von einer – der Revisionsrekurswerberin im vorliegenden Fall offenbar nicht eingeräumten – klagsweisen Geltendmachung der Begünstigtenrechte durch den unterschiedlichen Prüfungsmaßstab: Der Stiftungsvorstand schuldet ebenso wie die anderen Stiftungsorgane keinen bestimmten Erfolg, sondern lediglich sorgfältiges Bemühen (vgl Arnold, PSG² § 17 Rz 50 ff). Daher kann bei einem auf Verletzung der Begünstigtenrechte auf Zuwendung gestützten Antrag auf Abberufung des Vorstands nicht geprüft werden, ob das diesbezügliche Handeln des Vorstands richtig war, sondern – vergleichbar dem Amtshaftungsverfahren – nur, ob dieses vertretbar war (vgl RIS-Justiz RS0049979; RS0049955).

8. Weil eine endgültige Beurteilung des Verfahrenserfolgs im vorliegenden Verfahrensstadium noch nicht möglich ist, war mit Kostenvorbehalt vorzugehen.

Leitsätze