Dokument-ID: 899972

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

1.11.2.1. Allgemeine Grundsätze

379
Die IF-VO regelt die Auswirkungen von

  • Verschmelzungen (siehe dazu Rz 381 f),
  • Umwandlungen (siehe dazu Rz 628 f),
  • Einbringungen (siehe dazu Rz 1266a ff) und
  • Spaltungen (siehe dazu Rz 1800 f)

auf eine nach § 4 Abs. 12 EStG 1988 bereits ermittelte und zum Umgründungsstichtag bei den jeweiligen Körperschaften bereits bestehende Innenfinanzierung. Folglich sind auch die Auswirkungen der jeweiligen Umgründung auf die Ausschüttungssperre des § 235 UGB (siehe Rz 378) erst im Rahmen der laufenden Fortführung der Innenfinanzierung bei der übernehmenden Körperschaft nach der Umgründung zu beurteilen.

Die IF-VO kommt ausschließlich bei Umgründungen mit steuerlicher Buchwertfortführung zur Anwendung. Die Ausübung einzelner steuerlicher Aufwertungswahlrechte (zB § 16 Abs. 6 UmgrStG für Grundstücke des Altvermögens, siehe Rz 928) ist für die Anwendung der IF-VO unschädlich, solange dem Grunde nach eine Buchwertumgründung vorliegt.

Für sämtliche von der IF-VO geregelten Umgründungen gelten die folgenden in § 1 Abs. 1 IF-VO geregelten Grundsätze:

  • Die Innenfinanzierung ist ausschließlich nach Maßgabe des § 2 IF-VO fortzuführen. Die unternehmensrechtlichen Auswirkungen der jeweiligen Umgründung haben hingegen keine Auswirkungen auf die Innenfinanzierung (§ 1 Abs. 1 Z 1 IF-VO), weshalb die unternehmensrechtliche Behandlung der Umgründung und die damit einhergehenden Auswirkungen auf das unternehmensrechtliche Jahresergebnis nicht ausschlaggebend sind. Folglich kommt es auch nicht darauf an, ob die jeweilige Umgründung unternehmensrechtlich als Einlagevorgang oder jahresergebniswirksam abgebildet wird.

Beispiel:

Die A-GmbH (Stand der Innenfinanzierung: 200) wird auf die B-GmbH (Stand der Innenfinanzierung 100) verschmolzen. Unternehmensrechtlich wird das Verschmelzungskapital der A-GmbH zur Gänze in eine Kapitalrücklage eingestellt. Dass unternehmensrechtlich ein Einlagevorgang vorliegt, der die Innenfinanzierung nach Maßgabe von § 4 Abs. 12 Z 4 EStG 1988 nicht berühren würde, ist nach der IF-VO nicht entscheidend. § 2 Abs. 1 IF-VO sieht eine Addition der Innenfinanzierungsstände der A-GmbH und der B-GmbH vor. Folglich beträgt der Stand der Innenfinanzierung der B-GmbH nach der Verschmelzung 300.

  • Entstehen anlässlich von Umgründungen unternehmensrechtlich Buchgewinne und -verluste, haben diese keine Auswirkungen auf die Innenfinanzierung (§ 1 Abs. 1 Z 2 IF-VO).
    Dies gilt auch dann, wenn ein Buchverlust und dessen unternehmensrechtliche Auswirkung durch Ansatz eines Umgründungsmehrwerts bzw. Firmenwerts zunächst unterdrückt wird und sich erst in Folgejahren – insbesondere durch Abschreibungen – im unternehmensrechtlichen Jahresüberschuss/-fehlbetrag und damit grundsätzlich innenfinanzierungswirksam niederschlägt. Für diese Zwecke ist gemäß § 1 Abs. 2 IF-VO der Jahresüberschuss/-fehlbetrag in Folgejahren um Ab- und Zuschreibungen des Umgründungsmehrwerts bzw. Firmenwerts sowie um einen etwaigen Buchwertabgang zu bereinigen. Diese Bereinigung ist erforderlich, weil bei Aktivierung eines Umgründungsmehrwerts bzw. Firmenwerts die Ausschüttungssperre gemäß § 235 UGB idF AbgÄG 2015 nicht zur Anwendung kommt und somit eine sukzessive Bereinigung durch § 235 Abs. 1 letzter Satz UGB iVm § 4 Abs. 12 Z 4 EStG 1988 ausbleibt.

Beispiel:

Anlässlich einer Einbringung nach Art. III UmgrStG mit unternehmensrechtlicher Buchwertfortführung entsteht ein Buchverlust. Um die sofortige Auswirkung des Buchverlustes auf das unternehmensrechtliche Jahresergebnis zu vermeiden, wird dieser gemäß § 202 Abs. 2 Z 3 UGB aktiviert und – soweit der Buchverlust einzelnen Vermögensgegenständen zugeordnet werden kann – als Umgründungsmehrwert angesetzt.

Dabei wird unter anderem einem abnutzbaren Vermögensgegenstand mit einem Buchwert von 10, einer Restnutzungsdauer von 10 Jahren und stillen Reserven von 90 unternehmensrechtlich ein Umgründungsmehrwert von 90 zugeordnet und über die Restnutzungsdauer abgeschrieben. Zu Beginn des fünften Jahres nach dem Umgründungsstichtag wird der Vermögensgegenstand schließlich um 70 veräußert.

Der Umgründungsmehrwert in Höhe von 90 stellt zunächst dem Grunde nach einen bloßen „Buchgewinn“ dar, der gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 IF-VO unabhängig von der Auswirkung im unternehmensrechtlichen Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag die Innenfinanzierung nicht berührt. Allerdings hat die in den Folgejahren laufende (höhere) unternehmensrechtliche Abschreibung bzw. der Buchwertabgang des Umgründungsmehrwerts Einfluss auf den Jahresüberschuss/-fehlbetrag und damit grundsätzlich auch auf die Innenfinanzierung. Um die Auswirkung auf die Innenfinanzierung zu vermeiden, ist für steuerliche Zwecke gemäß § 1 Abs. 2 IF-VO eine laufende Korrektur vorzunehmen. Für den betreffenden Vermögensgegenstand können die Korrektur und deren Auswirkung daher wie folgt dargestellt werden:

Jahr

0

1

2

3

4

5

Steuerlicher Buchwert

10

9

8

7

6

 

Umgründungsmehrwert

90

81

72

63

54

 

Unternehmensrechtlicher Wertansatz

(Buchwert + Umgründungsmehrwert)

100

90

80

70

60

 

Jahresüberschuss/-fehlbetrag

-

-10

-10

-10

-10

(70-60=) 10

(VE-RBW)

Korrektur gemäß § 1 Abs. 2 IF-VO

-

9

9

9

9

54

Auswirkung auf die Innenfinanzierung

-

-1

-1

-1

-1

(70-6=) 64

(VE-BW)

§ 1 Abs. 2 IF-VO gilt auch für unternehmensrechtliche Aufwertungsbeträge insoweit, als durch sie das Entstehen eines Buchverlustes vermieden wird (bis hin zu „null“); soweit sie nicht das Entstehen eines Buchverlustes vermeiden (ab „null“), unterliegen sie in der Regel der Ausschüttungssperre gemäß § 235 UGB und eine Bereinigung der Innenfinanzierung erfolgt sukzessive über § 235 UGB iVm § 4 Abs. 12 Z 4 EStG 1988 (siehe Rz 378). § 1 Abs. 2 IF-VO ist auch anzuwenden, wenn durch einen unternehmensrechtlichen Aufwertungsbetrag ein laufender Bilanzverlust abgedeckt wird und dieser daher insoweit nicht der Ausschüttungssperre unterliegt (AFRAC-Stellungnahme 31: Zur Ausschüttungssperre nach § 235 Abs. 1 UGB, März 2017, Rz 13).

§ 1 Abs. 1 Z 2 IF-VO ist nicht auf Buchgewinne und Buchverluste anwendbar, die im Rahmen einer Anwachsung gemäß § 142 UGB entstehen; derartige Buchgewinne und Buchverluste wirken sich daher auf die Innenfinanzierung aus.

  • Entstehen anlässlich einer umgründungsbedingten Vereinigung von Aktiven und Passiven unternehmensrechtlich Confusiogewinne oder -verluste (zB aus dem Zusammenfallen einer wertberichtigten Forderung und einer Verbindlichkeit), wirken sich diese in der Innenfinanzierung der übernehmenden Körperschaft im Wirtschaftsjahr ihrer Berücksichtigung aus (§ 1 Abs. 1 Z 3 IF-VO), also in der Regel in dem dem Umgründungsstichtag folgenden Wirtschaftsjahr im unternehmensrechtlichen Jahresabschluss. Dabei ist sicherzustellen, dass es im Falle einer unternehmensrechtlich abweichenden Erfassung des Confusiogewinnes oder -verlustes nach Maßgabe des KFS/RL 25 Pkt. 6.1.2. Rz 79 zu keiner doppelten Erfassung in der Innenfinanzierung kommt.

§ 2 IF-VO regelt die Auswirkungen der jeweiligen Umgründungsarten auf die Innenfinanzierung der übertragenden und der übernehmenden Körperschaft, nicht hingegen für die Innenfinanzierung etwaiger Zwischenkörperschaften bei mittelbaren Umgründungen. Zwischenkörperschaften sind jedoch auch von den allgemeinen Grundsätzen gemäß § 1 IF-VO erfasst, weshalb sich auf ihre Innenfinanzierung im Ergebnis keine Auswirkungen ergeben.

Wurde bei der übertragenden Körperschaft eine aus der Innenfinanzierung gespeiste Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln auf Grund des Kapitalberichtigungsgesetzes, BGBl. Nr. 171/1967, vorgenommen, ist dieser Merkposten bis zum Ablauf der zehnjährigen Steuerhängigkeit im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 als Innenfinanzierung zu behandeln. Im Zuge einer Umgründung ist auf den Merkposten daher analog zur Innenfinanzierung § 2 IF-VO anzuwenden. Eine Umqualifizierung in Einlagen erfolgt erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist, wenn auch eine Erhöhung des Einlagenstandes stattfindet (vgl. dazu Abschnitt 5.6. Einlagenrückzahlungs- und Innenfinanzierungserlass des BMF vom 27. September 2017, BMF-010203/0309-IV/6/2017, BMF-AV Nr. 155/2017). Ob bei der übernehmenden Körperschaft nach Ablauf der Frist eine Erhöhung des indisponiblen oder disponiblen Einlagen-Subkontos stattfindet, ist davon abhängig, ob und inwieweit diese Beträge auch bei der übernehmenden Körperschaft im Nennkapital bzw. in der gebundenen Kapitalrücklage einerseits oder in der ungebundenen Kapitalrücklage andererseits ausgewiesen sind (siehe dazu auch Rz 371).

Beispiel:

Die X-GmbH ist zu je 100 % an der A-GmbH und der B-GmbH beteiligt. Die A-GmbH ist ihrerseits wiederum zu 100 % an der C-GmbH beteiligt. Es wird beschlossen, bei der A-GmbH zum 31.12.X0 eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln iSd Kapitalberichtigungsgesetzes durchzuführen, die aus der Innenfinanzierung gespeist wird. Dadurch vermindert sich die Innenfinanzierung der A-GmbH zum 31.12.X0. In den folgenden Jahren ist von der A-GmbH ein Merkposten zu führen, der zum 31.12.X10 aufzulösen und in das indisponible Einlagen-Subkonto umzugliedern ist.

Noch vor Ablauf der 10-Jahres-Frist werden zum 31.12.X5 die von der A-GmbH gehaltenen Anteile an der C-GmbH side-stream auf die B-GmbH abgespalten, wobei bei der B-GmbH eine Kapitalerhöhung erfolgt. Für Abspaltungen sieht § 2 Abs. 6 IF-VO vor, dass die Innenfinanzierung der spaltenden Körperschaft (hier A-GmbH) in dem Ausmaß zu vermindern und im gleichen Ausmaß der Innenfinanzierung der übernehmenden Körperschaft (hier B-GmbH) zuzuschreiben ist, in dem sich der Wert der spaltenden Körperschaft durch die Spaltung vermindert hat (Aufteilung im Verkehrswertverhältnis). In gleicher Weise ist der Merkposten nach Maßgabe der Verkehrswerte auf die A-GmbH und die B-GmbH aufzuteilen. Soweit der Betrag des Merkpostens im Nennkapital der B-GmbH Deckung findet, ist dieser zum 31.12.X10 in das indisponible Einlagen-Subkonto umzugliedern. Wäre im Zuge der Abspaltung keine Kapitalerhöhung erfolgt und sind die Beträge auch nicht als gebundene Kapitalrücklage erfasst, wäre zum 31.12.X10 der Merkposten in das disponible Einlagen-Subkonto umzugliedern.

Die Innenfinanzierungs-Evidenzkonten sind in Anlehnung an die in RL25/KFS für die Vermögenszuordnung vorgesehenen Grundsätze im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Vermögensübergangs unter Berücksichtigung aller Umstände im Rückwirkungszeitraum zu verändern (vgl. dazu Abschnitt 4.3.1 Einlagenrückzahlungs- und Innenfinanzierungserlass des BMF vom 27. September 2017, BMF-010203/0309-IV/6/2017, BMF-AV Nr. 155/2017).

Beispiel:

Die A-GmbH wird mit Verschmelzungsbeschluss vom 15.9.X2 zum 31.12.X1 auf die B-GmbH ohne Kapitalerhöhung verschmolzen.

Die Evidenzkonten der A-GmbH und der B-GmbH wiesen zum 31.12.X1 folgende Stände auf:

A-GmbH: Indisponible Einlagen = 35; Disponible Einlagen = 200; Disponible Innenfinanzierung = –700

B-GmbH: Indisponible Einlagen = 35; Disponible Einlagen = 100; Disponible Innenfinanzierung = 500

Am 15.5.X2 wurde von der B-GmbH eine Ausschüttung in Höhe von 400 beschlossen, die steuerlich als Gewinnausschüttung behandelt werden soll. Da zum 15.5.X2 das Vermögen der A-GmbH wirtschaftlich noch nicht auf die B-GmbH übergegangen ist, kann die Ausschüttung aufgrund der positiven Innenfinanzierung von 500 steuerlich als Gewinnausschüttung qualifiziert werden. Die Evidenzkonten der A- GmbH und der B-GmbH sind verschmelzungsbedingt am 15.9.X2 zu addieren.