Dokument-ID: 647027

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

3.1.6.3.1. Allgemeines

687
Mangels einer eigenständigen Begriffsbestimmung verweist § 12 Abs. 2 Z 1 UmgrStG hinsichtlich des Vermögensbegriffes „Betrieb“ auf die Bestimmungen des EStG. Demnach ist ein Betrieb eine selbständige organisatorische Einheit zur Erzielung von Einkünften. Dabei ist wesentlich, dass betriebliche Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 erzielt werden. Einbringungsfähig sind daher jene organisatorischen Einheiten, die als Betriebe der Erzielung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, selbständiger Arbeit und Gewerbebetrieb dienen. Siehe dazu § 24 EStG 1988 und die EStR 2000 Rz 5501 ff.

688
Der Betrieb in seiner konkreten Konfiguration muss auf die übernehmende Gesellschaft als funktionsfähige Einheit übergehen, dh. die bestehende Betriebseigenschaft muss erhalten bleiben. Jene wesentlichen Aktiva, die für die Führung des Betriebes notwendig waren, tatsächlich der Erfüllung des Betriebszweckes gedient haben und nach der Umgründung weiterhin dienen sollen, müssen von ihr, zumindest in Form eines rechtlich abgesicherten Nutzungsrechtes, übernommen werden (siehe dazu weiters Rz 694). Die Anwendungsvoraussetzungen von Art. III UmgrStG werden folglich nicht verletzt, wenn zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörende Anlagegüter zurückbehalten werden, im Rahmen des Betriebes aber weiterhin durch ein rechtlich abgesichertes Nutzungsrecht von der übernehmenden Gesellschaft genutzt werden können (zB auf Grund eines Mietverhältnisses) und gleichzeitig zumindest eine wesentliche Betriebsgrundlage übergeht. Dies wird insbesondere bei Liegenschaften eine Rolle spielen (siehe dazu auch Rz 1358).

Aktiva oder Passiva, die nicht aus dem eigentlichen Geschäftsbetrieb stammen und sohin gewillkürtes Betriebsvermögen darstellen, sind nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu rechnen. In solchen Fällen ist das Zurückbehalten, also die Nichtübernahme in die Einbringungsbilanz, abgesehen von der ertragsteuerlichen Beurteilung beim Einbringenden, ohne Verletzung der Voraussetzungen des Art. III UmgrStG möglich.

689
Wurde ein betriebliches Aktivum mittels Fremdfinanzierung angeschafft, sind grundsätzlich beide Vermögensteile gemeinsam in die übernehmende Körperschaft zu übertragen (siehe Rz 917 ff).

690
Die Einbringungsfähigkeit eines Betriebes ist unabhängig davon gegeben, nach welcher Gewinnermittlungsart der Betrieb bis zur Einbringung geführt worden ist. Erfolgt die Gewinnermittlung gemäß § 5 Abs. 1 EStG 1988 (vgl. EStR 2000 Rz 426 ff sowie KStR 2013 Rz 399 ff), kommt bei der Betriebseinbringung der Eigenschaft von notwendigem und gewillkürtem Betriebsvermögen für die Beurteilung der Sacheinlage keine Bedeutung zu, dh. der Einbringende kann Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb nicht unmittelbar dienen, mit einbringen oder zurückbehalten. Im Falle des Miteinbringens sind sie unselbständige Teile des eingebrachten Vermögens. Eine anlässlich der Einbringung vorgenommene Vermögensteilung ist allerdings darauf zu prüfen, ob das eingebrachte Vermögen tatsächlich noch als begünstigtes Vermögen im Sinn des § 12 Abs. 2 UmgrStG (Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil, qualifizierter Kapitalanteil) angesehen werden kann. Auch in diesem Zusammenhang kommt aber der Eigenschaft des einzubringenden Teilvermögens als notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen keine entscheidende Bedeutung zu.

691
Hat der einzubringende Betrieb einen Buchwert von Null oder ist dieser negativ, besteht weder unternehmensrechtlich noch steuerrechtlich ein Hindernis, diesen Betrieb einzubringen, wenn der positive Verkehrswert dieses Betriebes zumindest 0,01 Euro beträgt und die übrigen Voraussetzungen des § 12 UmgrStG erfüllt sind.

692
Tätigkeiten, die für sich betrachtet zu außerbetrieblichen Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1988 führen würden, können nur dann Gegenstand der Einbringung werden, wenn die Tätigkeit unselbstständiger Teil eines Betriebes ist. Weiters ist zu prüfen, ob es sich bei der als außerbetriebliche Einkünfte erklärten Tätigkeit tatsächlich um eine vermögensverwaltende oder nicht doch eine betriebliche Aktivität handelt. Vermögen einer nicht gewerblich tätigen vermögensverwaltenden Personengesellschaft oder das Vermögen einer Körperschaft mit bloßer Besitz- oder Holdingfunktion, soweit es sich nicht um Kapital- oder Mitunternehmeranteile handelt, ist mangels steuerlicher Betriebseigenschaft von der Anwendung des Art. III UmgrStG ausgeschlossen.

Beispiel:

Herr und Frau X sind je zur Hälfte Miteigentümer eines Mietshauses. Sie bringen das Miethaus zum 31.12.08 in die ihnen je zu 50 % gehörige A-GmbH ein. Wenn es sich bei der Vermietung des Mietshauses um eine bloß vermögensverwaltende Tätigkeit handelt (vgl. EStR 2000 Rz 5433 ff), fällt die Einbringung nicht unter Art. III UmgrStG, sondern es kommt § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 zur Anwendung (Tauschbesteuerung zum Vertragstag bei Einbringung gemäß § 30 EStG 1988 idF 1. StabG 2012; keine Anwendung des § 22 Abs. 5 UmgrStG hinsichtlich der Grunderwerbsteuer).

693
Allein aus dem Umstand, dass der einbringende Unternehmer „einziger Leistungsträger“ ist, kann die Einbringungsfähigkeit eines Betriebes nicht verneint werden. Auch rein tätigkeitsbezogene Betriebe, die Beratungsleistungen gegenüber einem einzigen Kunden erbringen, sind einbringungsfähig, sofern nach der Verkehrsauffassung keine höchstpersönliche, nur vom Einbringenden zu erbringende Leistung vorliegt und die Zurechenbarkeit des Betriebes (Einkunftsquelle) zur übernehmenden Körperschaft infolge der Einbringung nach allgemeinen Einkünftezurechnungsgrundsätzen (Markteinkommenstheorie, Sonderregeln des § 2 Abs. 4a EStG 1988) gegeben ist (VwGH 17.12.2020, Ra 2019/15/0096).

Nicht einbringungsfähig ist der rein tätigkeitsbezogene „Geschäftsführerbetrieb“, dessen wesentliche Betriebsgrundlagen ausschließlich in den persönlichen Eigenschaften des Betriebsinhabers begründet sind, weil die Geschäftsführertätigkeit gerade nicht von beliebigen anderen Personen als dem Geschäftsführer erbracht werden kann. Die (Mit)Übertragung der GmbH-Beteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers qualifiziert nicht als Übertragung eines Kundenstocks, weil keine tatsächliche Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit im Hinblick auf Kundendaten verschafft wird, die der übernehmenden Körperschaft schon für sich genommen eine Erwerbschance eröffnen und als solche einen selbstständig übertragbaren Vermögenswert darstellen (OGH 2.2.2022, 6Ob219/21f; Bestätigung der Abweisung der Firmenbucheintragung einer „Geschäftsführer-Betriebsübertragung“ nach § 3 Abs. 1 Z 15 FBG).