Dokument-ID: 647043

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

3.1.6.6.3. Stimmrechtsmehrheit

732
Einbringungsfähig sind auch Kapitalanteile, die der übernehmenden Körperschaft unmittelbar die Stimmrechtsmehrheit an einer Zielgesellschaft verschaffen oder diese erweitern. Der Erwerb oder die Erweiterung der Stimmrechte ist quantitativ zu verstehen. Unbeachtlich ist, wenn für Gesellschafterbeschlüsse in der Zielgesellschaft höhere Mehrheitserfordernisse bestehen. Folgende Fälle sind denkbar:

  • Die übernehmende Körperschaft ist ohne Stimmrechtsmehrheit an der Zielgesellschaft beteiligt und erlangt durch die Einbringung des zusätzlichen Anteils die Stimmrechtsmehrheit.

Beispiel:

Die übernehmende Körperschaft ist an der Zielgesellschaft mit 35 % beteiligt und erlangt durch die Einbringung von zB 20 % die Stimmrechtsmehrheit.

  • Die übernehmende Körperschaft ist an der Zielgesellschaft mit Stimmrechtsmehrheit beteiligt und erweitert durch die Einbringung des zusätzlichen Anteils (zB auch einer einzigen Aktie) die Stimmrechtsmehrheit.

Beispiel:

Eine Körperschaft ist zu 70 % an der Ziel-Aktiengesellschaft beteiligt und möchte sie übernehmen. Im Rahmen eines öffentlichen Angebots bietet sie die Übernahme weiterer Aktien gegen Gewährung von Anteilen an. Jegliche Anteilseinbringung, daher auch die Einbringung einer einzelnen Aktie, erweitert die Stimmrechtsmehrheit der übernehmenden Körperschaft an der Ziel-Aktiengesellschaft und stellt damit einen einbringungsfähigen Anteil dar.

  • Die übernehmende Körperschaft ist nicht oder ohne Stimmrechtsmehrheit an der Zielgesellschaft beteiligt und erlangt oder erweitert dadurch die Stimmrechtsmehrheit, dass mehrere Anteilsinhaber der Zielgesellschaft ihre individuell gehaltenen Anteile in einem einheitlichen Vertragswerk auf ein und denselben Stichtag einbringen.

Beispiele:

  1. Die übernehmende Körperschaft ist an der Zielgesellschaft nicht beteiligt. A, B, C und D sind jeweils zu 15 % an der Zielgesellschaft beteiligt und bringen ihre Anteile gemeinsam zu einem Stichtag in die übernehmende Gesellschaft ein, sodass diese nach der Einbringung 60 % der Anteile hält.
  2. Die übernehmende Körperschaft ist an der Zielgesellschaft nicht beteiligt. A ist zu 35 % an der Zielgesellschaft beteiligt. B ist zu 20 % an der Zielgesellschaft beteiligt. A und B bringen ihre Anteile gemeinsam zu einem Stichtag in die übernehmende Gesellschaft ein, sodass diese nach der Einbringung 55 % der Anteile hält.
  3. Die übernehmende Körperschaft ist an der Zielgesellschaft mit 25 % beteiligt und erlangt durch die gemeinsame Einbringung mehrerer Gesellschafter von zB in Summe 30 % die Stimmrechtsmehrheit.

Besitzt eine ausländische Tochtergesellschaft eigene Anteile an der Muttergesellschaft („Kreisbeteiligung“), ist für deren Berücksichtigung bei der Berechnung der Stimmrechtsmehrheit maßgeblich, ob die Anteile nach den jeweiligen ausländischen zivil(gesellschafts-)rechtlichen Bestimmungen Stimmrechte vermitteln.

733
§ 12 Abs. 2 Z 3 UmgrStG sagt im Zusammenhang mit der Einbringung von Minderheitsanteilen an sich nichts über den Zeitpunkt aus, ab dem die Mehrheit der Stimmrechte vermittelt oder erweitert werden kann. Die für den Einbringenden mit dieser Norm verbundene Rückwirkungsfiktion rechtfertigt die Annahme, dass auch bestehende Anteile der übernehmenden Körperschaft an der Zielgesellschaft der übernehmenden Körperschaft zum Einbringungsstichtag zurechenbar sein müssen, weil sich dies nach § 13 Abs. 2 UmgrStG auch für den (die) Einbringende(n) ergibt.

Beispiel:

A möchte seinen

  1. am 1.7.00
  2. am 15.5.02
    erworbenen 15 %-Anteil an der B-GmbH zum 31.12.01 als Sacheinlage nach Art. III UmgrStG in die C-GmbH einbringen. Die C-GmbH hat einen 40-prozentigen Anteil an der B-GmbH erworben
  3. am 1.12.01
  4. am 1.3.02.

Eine Einbringung nach Art. III UmgrStG ist möglich im Falle

a) + c) zum 31.12.01

b) + c) frühestens zum 15.5.02

a) + d) frühestens zum 1.3.02

b) + d) frühestens zum 15.5.02.