Dokument-ID: 647107

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

3.4.2.6.1.3. Zweifelsfragen

885
Soweit rückwirkende Korrekturen vom Ansatz eines Postens oder vom Nichtansatz eines Aktivums oder Passivums in der Einbringungsbilanz abhängig sind, hat der Bilanzausweis Bindungswirkung. Liegt ein offenkundiger Widerspruch zwischen dem umgründungssteuerrechtlich maßgebenden Einbringungsvertrag und der Darstellung in der Einbringungsbilanz vor, ist zu prüfen, ob ein vertragswidriger und damit fehlerhafter Ausweis vorliegt, der eine steuerwirksame Korrektur rechtfertigt.

886
Im Falle einer Einbringung mit Anteilsgewährung ist die Prüfung insofern einfach, als aus den Unterlagen (zB Gutachten) und der Vertragsdarstellung das für die beabsichtigte Anteilsgewährung maßgebende Umtauschverhältnis erkennbar sein muss. Es kann daher auch ein im Vertrag zitiertes steuerliches Einbringungskapital, das konform mit der Einbringungsbilanz die Entnahme nicht einbezieht, kein Beweis für die Nichtberücksichtigung sein, wenn das Umtauschverhältnis auf Basis eines um die Entnahme verminderten Buch- und Verkehrswertes bestimmt wurde.

887
Im Falle einer Einbringung ohne Anteilsgewährung im Sinne des § 19 Abs. 2 Z 5 UmgrStG wird ein eindeutiger Nachweis erbracht werden müssen, ob Gegenstand der Sacheinlage das um die rückbezogene Entnahme geminderte Vermögen war. Dabei wird nicht von Absichtserklärungen vor dem Einbringungsvertrag, sondern von dem im Vertrag und den sonstigen Unterlagen festgelegten Vermögen auszugehen sein.

888
Werden Entnahmen oder Einlagen nicht rückbezogen, wandeln sich:

  • Entnahmen in eine Kreditaufnahme des Einbringenden und damit in eine Verrechnungsforderung der übernehmenden Kapitalgesellschaft gegen den Einbringenden und
  • Einlagen in eine Kreditgewährung des Einbringenden und damit in eine Verrechnungsverbindlichkeit der übernehmenden Kapitalgesellschaft gegen den Einbringenden.

Für diese Positionen kommen die allgemeinen Grundsätze über rechtsgeschäftliche Beziehungen zur Anwendung. Dabei ist gleichzeitig mit dem Einbringungsvertrag über die Entnahmen eine dem Fremdvergleich standhaltende Kreditvereinbarung mit klarem Inhalt abzuschließen, die auch nach außen hin in Erscheinung tritt (vgl. KStR 2013 Rz 571). Eine allfällige Verzinsung ist auf den Zeitpunkt des Einbringungsvertrages zu beziehen. Fehlt es an einer klaren Kreditvereinbarung, liegt eine verdeckte Ausschüttung hinsichtlich des entnommenen Betrages vor.

Die obigen Aussagen gelten gleichermaßen für Einlagen.

Soweit sich rückwirkende Korrekturen auf tatsächliche Vorgänge beziehen, müssen sie mit dem Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages abgeschlossen sein. Sie können nach diesem Zeitpunkt nicht mehr geändert werden. Dies gilt auch im Falle von Feststellungen der Abgabenbehörde im Veranlagungsverfahren oder der Betriebsprüfung im Erstverfahren oder wieder aufgenommenen Verfahren.

889
Nicht unter den Begriff der rückwirkenden Korrekturen im Sinne des § 16 Abs. 5 UmgrStG fällt die Disposition des Einbringenden, einzelne den einzubringenden (Teil)Betrieb betreffende nach dem geplanten Einbringungsstichtag getätigte Rechtsgeschäfte nicht der übernehmenden Körperschaft zurechnen zu wollen. Voraussetzung für eine steuerneutrale Disposition ist, dass das betreffende Rechtsgeschäft im Einbringungsvertrag von der Zurechnung zur übernehmenden Körperschaft ausgenommen wird (siehe auch Rz 965).

Dies ist auch für einzelne Kundenbeziehungen möglich, soweit die (Teil)Betriebseigenschaft des eingebrachten Vermögens nicht verloren geht.

Zur Zurückbehaltung von Teilen des Kunden-, Klienten- bzw. Patientenstockes anlässlich der Einbringung freiberuflicher Betriebe siehe die Ausführungen in Rz 1358a, fünfter Bulletpoint.

Beispiel 1:

A möchte seinen Einzelbetrieb zum 31.12.01 in die A-GmbH einbringen. A erwirbt am 1.6.02 eine für betriebliche Zwecke gewidmete Liegenschaft. Nach Vollzug der Einbringung wäre der Liegenschaftserwerb der übernehmenden A-GmbH zuzurechnen. A kann demgegenüber vertraglich dahingehend disponieren, dass der Liegenschaftserwerb nicht als Anschaffungsvorgang der A-GmbH gewertet, sondern weiterhin dem A zugerechnet wird, da A die Liegenschaft der A-GmbH in Bestand geben will.

Beispiel 2:

Die B-GmbH möchte zum 30.6.01 einen Teilbetrieb in die C-GmbH einbringen. Sie möchte einen dem Teilbetrieb dem Grunde nach zuzurechnenden Großauftrag, der nach dem Einbringungsstichtag abzuwickeln ist, nicht auf die übernehmenden Körperschaft übertragen und behält sich vertraglich eine Nichtüberbindung dieses Rechtsgeschäftes vor.