Über 800 Verträge und Mustervorlagen, Fachinformation, aktuelle Judikatur
» Mehr Infos zum Portal Gesellschaftsrecht
Umgründungssteuerrichtlinien 2002
4.1.7.4.6. Reserven- und/oder Firmenwertvorbehalt
1327
Eine besondere Form des Kapitalkontenzusammenschlusses ist der Vorbehaltszusammenschluss (zum Zusammenschluss auf Basis starrer Kapitalkonten siehe Rz 1309 f). Bei dieser Vorsorgemethode behält sich derjenige, der Vermögen mit stillen Reserven und/oder einen Firmenwert überträgt, die zum Zusammenschlussstichtag bestehenden Reserven bzw den Firmenwert vor, dh er überträgt nur den Buchwert des Vermögens auf die Mitunternehmerschaft. An den stillen Reserven einschließlich Firmenwert, die ab diesem Stichtag in der Personengesellschaft entstehen, sind die Gesellschafter ihrem Anteil entsprechend beteiligt.
Wird der Vorbehalt an den stillen Reserven einschließlich Firmenwert vertraglich auf Teile des Vermögens beschränkt, ist für das restliche Vermögen eine Vorsorgemaßnahme gegen eine endgültige Steuerlastverschiebung zu treffen (siehe Rz 1319 ff und Rz 1324 ff).
Im Gegensatz zum Kapitalkontenzusammenschluss mit Gewinn- oder Liquidationsvorab, bei dem der zum Gewinnverzicht verpflichtete Partner auf Grund der Ersatzausgleichsverpflichtung das Risiko hinsichtlich allfälliger untergehender stiller Reserven trägt, liegt das Risiko des anteiligen oder vollständigen Wegfalls der vorbehaltenen stillen Reserven bei dem den Vorbehalt aussprechenden Partner.
1328
Werden sämtliche stille Reserven des übertragenen Vermögens zurückbehalten, entspricht der Buchwert des übertragenen Vermögens dem Verkehrswert; der Zusammenschluss kann daher nur zu Buchwerten erfolgen. Die Beteiligungsverhältnisse in der übernehmenden Personengesellschaft orientieren sich damit an den Einlagen der übrigen Zusammenschlusspartner im Verhältnis zum Buchwert des die Gesamtreserven vorbehaltenden Partners.
Steuerliche Voraussetzung für die Anwendung dieser Zusammenschlussmethode ist das Vorliegen von positiven Buchwerten.
Beispiel:
A überträgt zum 31.12.01 seinen Betrieb mit einem steuerlich maßgebenden Buchwert von 1.400. Der Verkehrswert beträgt 3.800. A behält sich den gesamten den Buchwert übersteigenden Teil der stillen Reserven und des Firmenwertes in Höhe von 2.400 zurück. B leistet eine Geldeinlage von 600, um das vereinbarte Beteiligungsverhältnis von 70 : 30 sicherzustellen. Da die am Zusammenschlussstichtag bestehenden Reserven des A nicht auf B übergehen können, erübrigt sich eine Vorsorge. An den nach dem Zusammenschlussstichtag entstehenden neuen Reserven sind A und B nach Maßgabe der Beteiligungsverhältnisse beteiligt.
1329
Die zum Zusammenschlussstichtag vorhandenen aber dem Übertragenden vorbehaltenen stillen Reserven einschließlich eines Firmenwertes haben nur insofern Bedeutung, als im Fall der Beendigung der Personengesellschaft oder bei Ausscheiden eines Gesellschafters geprüft werden muss, ob und wie weit diese Reserven noch vorhanden sind. Es ist daher auch bei dieser Vorsorgemethode erforderlich, im Zusammenschlussvertrag die vorbehaltenen Gesamtreserven betragsmäßig zu definieren und festzulegen, da sonst deren weitere Entwicklung bzw eine eventuelle Verschiebung dieser zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr nachvollzogen werden kann und damit keine ausreichende Vorsorge getroffen wird.
Es ist daher bei jeder (Teil)Realisierung im Rahmen der Gewinnaufteilung die Aufteilung des Restbestandes der vorbehaltenen Gesamtreserven und der gemeinsam erwirtschafteten Reserven in Form einer von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden Gewinnverteilung durchzuführen (zum Ergebnis eines doppelten Wechsels der Gewinnermittlung siehe Rz 1400). Die Zuteilung des Restbestandes der vorbehaltenen Reserven ist Teil des Veräußerungsgewinnes. Eine dem Fremdvergleich nicht entsprechende Zuteilung stellt eine Einkommensverwendung des anspruchsberechtigen Partners nach Besteuerung bei ihm dar.
Fortsetzung des Beispiels:
Das Unternehmen der Mitunternehmerschaft wird zum 31.12.05 veräußert. Von den vorbehaltenen Reserven von 2.400 ist noch ein Betrag von 1.000 vorhanden. A verzichtet auf den ihm zustehenden Betrag, sodass der Veräußerungsgewinn 70 : 30 verteilt wird. Dies ändert nichts daran, dass A die restlichen vorbehaltenen Reserven von 1.000 und den danach verbleibenden Teil des Veräußerungsgewinnes zu versteuern hat.
1330
Der Vorbehaltszusammenschluss schließt im Standardfall den Zusammenschlusspartner zur Gänze von den am Zusammenschlussstichtag vorhandenen stillen Reserven einschließlich jener eines Firmenwertes (Kundenwertes, Mandantenwertes) aus.
Diese Regelung schließt aber nicht aus, dass der den Betrieb übertragende Partner den Vorbehalt später ganz oder zum Teil entgeltlich oder unentgeltlich aufgibt. Eine entgeltliche Aufgabe kann durch Zahlung der im betreffenden Jahr vorhandenen restlichen Reserven erfolgen; diesbezüglich ist eine Veräußerung von stillen Reserven gegeben, die wie die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils zu behandeln ist. Im Falle der Tilgung im Wege eines Gewinnverzichtes zugunsten des den Vorbehalt aufgebenden Partners liegt eine Veräußerung gegen Ratenzahlung vor.
Beispiel:
A überträgt zum 31.12.01 seinen Betrieb mit einem steuerlich maßgebenden Buchwert von 1.400. Der Verkehrswert beträgt 3.800. A behält sich die gesamten den Buchwert übersteigenden stillen Reserven sowie den Firmenwert von insgesamt 2.400 zurück. B leistet eine Geldeinlage von 600, um das vereinbarte Beteiligungsverhältnis von 70 : 30 (1.400 : 600) herzustellen.
Zum 31.12.04 wird festgestellt, dass von den vorbehaltenen Reserven noch 2.000 vorhanden sind. Mit 31.12.04 leistet B an A eine Zahlung von 600, im Gegenzug verzichtet A zur Gänze auf die noch vorhandenen vorbehaltenen stillen Reserven. Damit gehen auf B 30 % = 600 über, welche in einer entsprechenden Ergänzungsbilanz zu berücksichtigen sind. B könnte alternativ zur Einmalzahlung von 600 auch ab dem Jahre 05 zB 10 % seines jährlichen Gewinnanteiles an A leisten, bis 600 erreicht sind. In beiden Fällen liegt eine im Jahr 04 zu erfassende Quotenverschiebung der Mitunternehmeranteile bzw. eine teilweise Veräußerung des Mitunternehmeranteils von A vor.
1330a
Eine Variante des Vorbehaltszusammenschlusses (siehe Rz 1327 ff) ist dergestalt möglich, dass weder bei Eintritt noch bei Austritt in/aus der Gesellschaft stille Reserven einschließlich jene des Firmenwertes ermittelt und abgegolten werden, indem der jeweilige Partner bei Eintritt/Zusammenschluss nach Art. IV UmgrStG innerhalb von neun Monaten nach dem Zusammenschlussstichtag entweder
- das buchmäßige Eigenkapital oder
- nur das feste Kapitalkonto (sog. naked in/naked out)
entsprechend der vereinbarten Substanzbeteiligungsquote aufbringt und bei Austritt – abgesehen von seinen noch nicht ausbezahlten Gewinnanteilen – nur Anspruch auf Abgeltung seines ursprünglich aufgebrachten Kapitals hat. Die Angabe der vorbehaltenen Gesamtreserven ist diesfalls nicht erforderlich. Es bestehen keine Bedenken, wenn in solchen Fällen im jeweiligen Zusammenschlussvertrag vereinbart wird, dass der eintretende Partner bei feststehender Substanzbeteiligungshöhe erst sukzessive am Ergebnis beteiligt wird („Lockstep“). Ein Ersatzausgleich kommt bei dieser Methode nicht in Betracht.
Beispiel:
In die bestehende Partnerschaft mit 3 Altpartnern tritt ein neuer Partner zum 31.12.01 im Wege eines Vorbehaltszusammenschlusses auf Basis fixer Kapitalkonten ein und zahlt innerhalb von neun Monaten sein anteiliges fixes Kapitalkonto ein. Der neue Partner soll mit 25 % sofort an der Substanz und letztlich am Gewinn beteiligt werden. Es wird vereinbart, dass bei Austritt - abgesehen von den noch nicht ausbezahlten Gewinnanteilen - nur Anspruch auf das fixe Kapitalkonto besteht. In der Partnerschaft ist für alle Partner ein Schema festgelegt worden, nach dem neue Partner nach einem Punktesystem sukzessive am Gewinn der Partnerschaft beteiligt werden, bis sie nach fünf Jahren den der Beteiligung entsprechenden Gewinnanteil erhalten.
Gewinnbeteiligung in % | 3 Altpartner | 1 Neupartner |
Jahr 1 | 90 | 10 |
Jahr 2 | 86 | 14 |
Jahr 3 | 82 | 18 |
Jahr 4 | 78 | 22 |
Jahr 5 | 75 | 25 |
Die obigen Ausführungen gelten für Zusammenschlüsse mit Lockstep-Vereinbarung, die nach dem 31.12.2014 (an)gemeldet werden.