Dokument-ID: 377500

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

8.6. Missbräuchliche Umgründungen (§ 44 UmgrStG)

1907
Die Anwendung der Bestimmungen des UmgrStG stellt für sich keinen Missbrauch im Sinne des § 22 BAO dar. Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 22 BAO idF JStG 2018, BGBl. I Nr. 62/2018, liegt dann vor, wenn eine mehrstufige Umgründungsmaßnahme ausschließlich oder fast ausschließlich der Umgehung oder Minderung der Abgabepflicht dient, ohne dass für diese Maßnahme außersteuerliche Gründe vorliegen. Ein einzelner Umgründungsakt für sich stellt keinen Missbrauch im Sinne des § 22 BAO idF JStG 2018, BGBl. I Nr. 62/2018, dar. Daher kann insbesondere ein bloßer Wechsel zwischen den Besteuerungsregimen (Einkommen- und Körperschaftsteuer) keine missbräuchliche Gestaltung begründen.

1908
Als missbrauchsverdächtig können ua folgende Maßnahmen eingestuft werden:

  • Umgründungen, die bei formaler Erfüllung aller Voraussetzungen lediglich als Mittel dienen, um beabsichtigte Realisierungsvorgänge in steuerneutrale Vorgänge zu kleiden. Darunter fällt der kurzfristige Zusammenschluss zweier Einzelunternehmer, die in der Folge durch Realteilung wieder geteilt werden, um jeweils ohne Aufdeckung von stillen Reserven in den Besitz des anderen Betriebes zu gelangen. Darunter kann auch eine das Ausland einschließende Umgründungsfolge fallen, die ganz überwiegend zu einer umgründungsveranlassten Gewinnbelastung inländischer Steuerpflichtiger führt, ohne dass dafür entscheidende wirtschaftliche Gründe erkennbar sind.
  • Mehrfache Umgründungen, die im Ergebnis zum Ausgangspunkt zurückführen. Erfolgt nach einer Einbringung eines Einzelunternehmens nach Art III UmgrStG eine Rückumwandlung der Körperschaft gem Art II UmgrStG auf den Hauptgesellschafter oder nach einer Verschmelzung eine Spaltung, ohne dass sich die wirtschaftlichen Strukturen letztlich sinnvoll geändert haben, wird regelmäßig von Missbrauch auszugehen sein, insb wenn die Umgründungen lediglich einer Verwertung der jeweils übergehenden Verlustvorträge dienen. Ein Missbrauch wird nur dann nicht vorliegen, wenn erwiesen wird, dass das Zurückkehren in die unternehmerische Ausgangsstellung wirtschaftlich begründet ist, bspw, wenn eine Umgründung dem Aufbau einer unternehmerischen Kooperation dient, diese Kooperation aber nicht den gewünschten Erfolg bringt und daher durch eine weitere Umgründung „rückabgewickelt“ wird.

1909
Keine missbräuchliche Gestaltung liegt vor, wenn eine Einbringung auf einen Tag vor dem Regelbilanzstichtag beschlossen wird, um eine Holding-Liquidationsspaltung gemäß Art VI UmgrStG vorzubereiten.

1910
Formell betrachtet ist es zulässig, einem auszulagernden Kleinstbetrieb Vermögensteile zuzuordnen, die nach einkommensteuerlichen Grundsätzen gewillkürtes oder neutrales für sich nicht umgründungsbegünstigtes Betriebsvermögen darstellen. Diese formal unbedenkliche Gestaltungsmöglichkeit kann nur dann eine Gefährdung der Steuerwirkungen der Umgründung hervorrufen, wenn darin ein in § 44 UmgrStG angesprochener Gestaltungsfall zur Umgehung oder Minderung der Abgabepflicht zu erblicken ist. Dieser Verdacht wird umso größer sein, je höher das Missverhältnis zwischen dem Wert des zu übertragenden (Teil-)Betriebes und dem darüber hinausgehenden Wert des beigefügten gewillkürten bzw. neutralen Vermögens ist.

Beispiel:

Eine vermögensverwaltende Kapitalgesellschaft soll Vermögen nach dem SpaltG in Verbindung mit Art. VI UmgrStG abspalten, das nicht den Voraussetzungen eines Vermögens im Sinne des § 12 Abs. 2 UmgrStG entspricht. Es wird daher vorbereitend vor dem Spaltungsstichtag ein Kleinstbetrieb geschaffen, um eine Rechtsgrundlage für die steuerwirksame Abspaltung zu besitzen. Dem Kleinstbetrieb im Verkehrswert von 10.000 werden Vermögensteile im Verkehrswert von 1 Mio. „mitgegeben“. Liegt das Ziel in der Vermeidung der Abgabepflicht, ist der Verdacht einer missbräuchlichen Nutzung des UmgrStG gegeben.

1911
Die Zwischenschaltung ausländischer Gesellschaften ist dann als missbräuchliche Gestaltung zu sehen, wenn für die Errichtung dieser Gesellschaft und deren Einschaltung wirtschaftlich beachtliche Gründe fehlen, wenn bei dieser Gesellschaft keine – über die bloße Vermögensverwaltung hinausgehende – wirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet werden oder wenn die Umgründung der Vermeidung der Steuerpflicht von im Inland steuerpflichtigen Veräußerungstatbeständen dient. Im Regelfall werden die steuerlichen Anerkennungsvoraussetzungen bei Einschalten bloßer funktionsloser ausländischer „Briefkastengesellschaften“ nicht erfüllt sein.

1912
Rechtsfolge einer als missbräuchlich gewerteten Umgründung ist im Sinne des § 22 Abs. 2 BAO, die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären. Die zitierte Norm rechtfertigt allerdings nicht, eine formal rechtsgültige unter Umständen sogar im Firmenbuch eingetragene Umgründung als solche zu negieren. Für die nach § 79 BAO nach bürgerlichem Recht zu beurteilende Frage der Rechts- und Handlungsfähigkeit hat die Beurteilung eines Sachverhaltes als Missbrauch im Sinne des § 22 Abs. 2 BAO keine Bedeutung (VwGH 17.11.2004, 99/14/0254, ergangen zu einer Einbringung gemäß Art. III UmgrStG).