Dokument-ID: 356585

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

1.4.2.1.2. Betriebsführende (operative) Körperschaft

202
Bei betriebsführenden Körperschaften ist für die Frage, ob der Wegfall von Vermögensteilen des übertragenen Betriebes vor der Verschmelzung zu einer Kürzung übergehender vortragsfähiger Verluste führt, auf (weggefallene) Teilbetriebe als kleinste wirtschaftliche Einheit abzustellen. Der Wegfall eines unter Umständen auch bedeutsamen betriebsbezogenen Wirtschaftsgutes (etwa auf Grund der Veräußerung oder des konkursbedingten Untergangs einer betriebszugehörigen qualifizierten Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft) führt daher nicht zu einer entsprechenden Kürzung des übergehenden vortragsfähigen Verlustes. Ein Mitunternehmeranteil stellt für Zwecke der Verlustzurechnung stets einen eigenständigen Betrieb und damit ein eigenständiges Verlustzuordnungsobjekt dar. Wurde ein vormals (teil-)betriebszugehöriger Mitunternehmeranteil veräußert und ist er folglich am Verschmelzungsstichtag nicht mehr vorhanden, ist ein Übergang der auf den Mitunternehmeranteil entfallenden Verlustvorträge nicht möglich (siehe Rz 1191 und Rz 1711a).

Beteiligungen an ARGEN, die zur Abwicklung einzelner (Bau-)Projekte eingerichtet werden und für steuerliche Zwecke als Mitunternehmerschaft behandelt werden (§ 2 Abs. 4 Z 2 EStG 1988), stellen für sich genommen keine eigenständigen Verlustzuordnungsobjekte dar.

203
Bei betriebsführenden Gesellschaften ist im Hinblick auf die Eigenschaft als unter § 7 Abs 3 KStG 1988 fallenden Körperschaften in Verbindung mit der Gewinnermittlung nach § 5 Abs 1 EStG 1988 davon auszugehen, dass Vermögensteile bzw Wirtschaftsgüter, die nicht unmittelbar einem Betrieb dienen, als gewillkürtes Betriebsvermögen keine eigenständige für den Verlustvortragsübergang relevante Bedeutung haben. Bei betriebsführenden Gesellschaften ist daher auf den Betrieb bzw Teilbetrieb abzustellen.

Sollte ausnahmsweise ein Vermögensteil von nicht untergeordneter Bedeutung vor dem Verschmelzungsstichtag weggefallen sein, der dem (den) übertragenen Betrieb(en) objektiv überhaupt nicht zurechenbar war und auch nicht unter den einkommensteuerlichen Begriff des gewillkürten Betriebsvermögens (als ein außerhalb des Betriebszwekkes stehendes, aber ertragbringendes Vermögen) subsumiert werden konnte, ist diesbezüglich der Verlustvortragsübergang ausgeschlossen (Erläuterungen zur Novellierung des § 4 Z 1 lit a UmgrStG im AbgÄG 1998), dh, eine Zuordnung der Verlustvorträge differenziert nach den (Teil-)Betrieben und den (separaten) Vermögensteilen von nicht untergeordneter Bedeutung vorzunehmen.

Beispiel:

Die A-GmbH betreibt einen Papierhandel. Im Jahr 01 erwirbt sie ein Patent betreffend die Gestaltung von Abrisskanten an Flugzeugtragflächen vom Erfinder, da eine starke Wertsteigerung erwartet wird. Im Jahr 02 beginnt hinsichtlich des Patentes ein Patentrechtsstreit, der in den Jahren 02, 03 und 04 hohe Verluste erzeugt. Als Ergebnis des Streites muss das Patent unter den Anschaffungskosten an den Prozessgegner abgetreten werden. Im Jahr 05 wird die A-GmbH auf die B-AG verschmolzen. Die zum Verschmelzungsstichtag vorhandenen Verluste sind ausschließlich aus dem Patentrechtsstreit und dem Veräußerungsverlust entstanden. Da das verlusterzeugende Vermögen, das in keinerlei Zusammenhang mit dem Papierhandelsbetrieb steht, am Verschmelzungsstichtag nicht mehr vorhanden ist, kommt ein verschmelzungsbedingter Übergang des Verlustes auf die B-AG nicht in Betracht.

Eine vom übertragenen mit vortragsfähigen Verlusten verbundenen Vermögen gesonderte Beurteilung ist auch bei Mitübertragung von Vermögen oder Vermögensteilen gegeben, die die Eigenschaft von Voluptuar oder von außerbetrieblichem (gesellschaftsrechtlichem) Vermögen besitzen.

Beispiele:

  1. Erfolgt bei einem (bisherigen) Betrieb ein Wechsel der Bewirtschaftung, die steuerlich zu einer Einstufung als Liebhaberei führt, fehlt es ab dem Wechsel der Bewirtschaftung an einem Betrieb. Mangels Betrieb kommt ein verschmelzungsbedingter Übergang von Verlusten nicht bzw nur für unter eine Einkunftsquelle darstellende Betriebe in Betracht (siehe LRL 2012 Rz 157a).
  2. Fällt eine dem Gesellschafter-Geschäftsführer zur privaten Nutzung überlassene Liegenschaft nach den besonderen Umständen des Einzelfalles nicht unter das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft (VwGH 20.6.2000, 98/15/0169), sind die zum Verschmelzungsstichtag auf dieses Vermögen entfallenden Verluste vom Übergang auf eine übernehmende Kapitalgesellschaft ausgeschlossen.

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Die Eigenschaft einer ausschließlich betriebsführenden Gesellschaft mit sonstigem dem einkommensteuerrechtlichen Begriff des gewillkürten Vermögen zuzurechnenden Wirtschaftsgütern ist nicht gegeben, wenn das Verhältnis des Wertes eines Betriebes gegenüber dem nicht unmittelbar betriebszugehörigen Vermögen von untergeordneter Bedeutung ist. In diesem Fall ist eine verlustbezogene Zellteilung vorzunehmen und auf den Vermögensverwaltungsteil die wirtschaftsgutbezogene Betrachtung anzuwenden (siehe Rz 208). Ist zB der Betrieb am Verschmelzungsstichtag nicht mehr oder nicht mehr in wirtschaftlich vergleichbarem Umfang vorhanden, bleibt der den selbstständig zu behandelnden Vermögensteilen zurechenbare Verlustvortrag erhalten.

205
Für die Frage der Verlustzurechnung zum Verschmelzungsstichtag ist auf die seinerzeitige Zurechnung des Vermögensteils im Zeitpunkt der Verlustentstehung abzustellen. War ein Vermögensteil (zB Beteiligung oder Zinshaus) im Sinne der obigen Ausführungen im Zeitpunkt der Vornahme einer Teilwertabschreibung objektiv einem Betrieb zurechenbar und wurde dieser Betrieb vor der Verschmelzung stillgelegt, geht ein am Verschmelzungsstichtag noch vorhandener Verlust aus der Teilwertabschreibung des Vermögensteiles durch die Verschmelzung auch dann unter, wenn der betreffende Vermögensteil zum Verschmelzungsstichtag noch tatsächlich vorhanden ist (weil der Gesamtverlust eben der Einheit „Betrieb“ und nicht dem betriebszugehörigen einzelnen Vermögensteil zugerechnet wird; siehe dazu auch Rz 199).

206
Diente ein verlustverursachender „Vermögensteil“ im Sinne der obigen Ausführungen mehreren Betrieben, ist er jenem Betrieb zuzurechnen, dem er überwiegend diente (siehe EStR 2000 Rz 468).

207
Im Falle der Verpachtung eines Betriebes durch die übertragende Körperschaft vor der Umgründung müssen die einkommensteuerlichen Grundsätze dahingehend angewendet werden, ob mit einer Wiederaufnahme der Betriebstätigkeit zu rechnen war und daher weiterhin der betreffende Betrieb vorliegt oder ob anlässlich der Verpachtung eine Betriebsaufgabe zu unterstellen war. Im erstgenannten Fall gehen vortragsfähige Verluste auf die übernehmende Körperschaft über, sofern eine Vergleichbarkeit gegeben ist, im zweiten Fall können vortragsfähige Verluste aus der Zeit bis zur Verpachtung nicht übergehen, weil sich die Vermögensstruktur mit der durch die Verpachtung ausgelösten Betriebsaufgabe geändert hat. Diesfalls können nur jene Verluste übergehen, die auf das nach der Aufgabe entstandene sonstige Vermögen entfallen.

207a
Wurden von der übertragenden Körperschaft bei einer vorgelagerten Umgründung mit einem (Teil)Betrieb Verluste übernommen, die sie bis zum Verschmelzungsstichtag noch nicht verwerten konnte, ist ein objektbezogener Übergang nur möglich, wenn der verlustverursachende (Teil)Betrieb am Verschmelzungsstichtag als eigenständiges Verlustzuordnungsobjekt tatsächlich vorhanden ist.

Hat ein (Teil)Betrieb, der die Verluste verursachte, seine Identität als eigenständige Einheit verloren, weil er nach einer Vorumgründung mit dem Betrieb der nunmehr übertragenden Körperschaft vereinigt wurde, ist der Objektbezug grundsätzlich nicht mehr gegeben. Es bestehen jedoch keine Bedenken, den Verlustübergang anzuerkennen, wenn nachgewiesen wird, dass der verlustverursachende (Teil)Betrieb in Folge der Eingliederung zwar seine Identität als eigenständige Einheit verloren hat, die verlustverursachenden Aktivitäten aber im Rahmen des Gesamtbetriebes der übertragenden Körperschaft noch in vergleichbarem (§ 4 Z 1 lit. c UmgrStG) Umfang vorhanden sind.

Beispiel:

Ein Einzelunternehmer betreibt einen Elektrogerätehandel an zwei Standorten, wobei die Filialen als Teilbetriebe anzusehen sind (vgl. EStR 2000 Rz 5593). Eine der Filialen, die in der Vergangenheit Verluste verursacht hat, die noch nicht verrechnet sind, wird in die X-GmbH eingebracht, die ebenfalls einen Elektrogerätehandel betreibt. Ist aufgrund von organisatorischen Maßnahmen (zB einheitliche Werbung für alle Standorte) zwar die ertragsteuerliche Teilbetriebseigenschaft der eingebrachten Filiale bei der X-GmbH in der Folge weggefallen, wird aber jene betriebliche Aktivität, die den Verlust verursacht hat, in der übernehmenden X-GmbH unverändert fortgesetzt, dh. die übernommene Filiale wird weiter betrieben, gehen diese im Rahmen der Einbringung übergegangenen Verluste bei einer nachfolgenden Verschmelzung der X-GmbH auf die Y-GmbH über.

Dies gilt sinngemäß für die eigenen Verluste aus verlustverursachenden (Teil)Betrieben der übernehmenden Gesellschaft und unabhängig von der Verschmelzungsrichtung.