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Andreas Gerhartl | News | 20.09.2024

Naturkatastrophen – Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung

Erfahren Sie in diesem Beitrag, ob Dienstnehmer, die aufgrund von Naturkatastrophen, wie zB Hochwasser, nicht zur Arbeit kommen können, einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben.

Einleitung

Ob der Arbeitnehmer bei Dienstverhinderungen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat, hängt wesentlich davon ab, in wessen Sphäre der Umstand fällt, dass die Arbeitsleistung nicht erbracht werden kann (sogenannte „Sphärentheorie“). Die maßgeblichen Parameter werden hier aus aktuellem Anlass (Hochwassersituation) im Zusammenhang mit naturbedingten Schadensereignisse dargestellt.

Arbeitnehmersphäre

Ist der Arbeitnehmer aus wichtigen, seine Person betreffenden Gründen ohne Verschulden an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, hat er für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Eine „verhältnismäßig kurzer Zeitraum“ liegt im Normalfall bis zur Dauer einer Woche vor. Voraussetzung dafür ist, dass dem Arbeitgeber die Dienstverhinderung unverzüglich, also so rasch wie möglich, gemeldet wird. Derartige Fälle können etwa im Zusammenhang mit Übersiedlungen oder der Teilnahme an Hochzeiten oder Begräbnissen naher Angehöriger auftreten, auch äußere Ereignisse (die sich auf den Arbeitnehmer auswirken) können aber dazu zählen.

Ein derartiger Dienstverhinderungsgrund ist etwa unstrittig dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Naturkatastrohen (zB Lawinenabgänge oder Hochwasser) seinen Arbeitsplatz nicht erreichen kann. Aber auch die unbedingt notwendige Sicherung des eigenen Eigentums (zB Abdichten des Hauses mit Sandsäcken als Schutzmaßnahme vor heranflutenden Wassermassen) geht der Erbringung der Arbeitsleistung vor und zählt daher als Dienstverhinderung aus wichtigen persönlichen Gründen. Gleiches gilt auch für die Rettung bzw unbedingt erforderliche Unterstützung naher Angehöriger oder prinzipiell auch für Tätigkeiten im Rahmen der Nachbarschaftshilfe.

Wesentlich ist, dass die betreffende Maßnahme als so wichtig anzusehen ist, dass sie der Erbringung der Arbeitsleistung aus rechtlichen oder sittlichen Gründen vorgeht. Dies ist unzweifelhaft etwa bei der Rettung von Menschenleben der Fall (auch wenn keine rechtliche Verpflichtung dazu besteht). In derartigen Konstellationen ist weiters, auch wenn der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht mehr besteht (etwa, weil die Dauer der Dienstverhinderung einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum übersteigt), das Vorliegen einer ungerechtfertigten Abwesenheit von der Arbeit (und somit ein Entlassungsgrund) zu verneinen.

Teilnahme an einem Rettungseinsatz

Ist ein Arbeitnehmer nach Antritt des Arbeitsverhältnisses wegen eines Einsatzes als freiwilliges Mitglied einer Katastrophenhilfsorganisation, eines Rettungsdienstes oder einer freiwilligen Feuerwehr aufgrund eines Großschadensereignisses nach § 3 Z 2 lit b des Katastrophenfondsgesetzes (BGBl 201/1996) oder als Mitglied eines Bergrettungsdienstes an der Arbeitsleistung verhindert, so hat er dann einen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts, wenn das Ausmaß und die Lage der Dienstfreistellung mit dem Arbeitgeber vereinbart wird. Als Großschadensereignis gilt eine Schadenslage durch einen Naturvorgang oder ein sonstiges singuläres Ereignis, bei der während eines Zeitraums von zumindest acht Stunden durchgehend mehr als 100 Personen im Einsatz sind. Eine Katastrophenübung (Probe für den „Ernstfall“) zählt daher bspw nicht dazu.

Stimmt der Arbeitgeber unter diesen Voraussetzungen einer Dienstfreistellung zu, besteht daher ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber kann dafür aber nach den Regelungen des jeweiligen Bundeslandes auf Grundlage des Katastrophenfondsgesetzes eine Refundierung in pauschalierter Form erhalten. Der Unterschied zur Erbringung von Hilfstätigkeiten, die in die Arbeitnehmersphäre fallen, besteht also darin, dass der Arbeitnehmer hier im Rahmen eines organisierten, nicht (bloß) von ihm koordinierten Vorgangs agiert, also in das Tätigwerden bestimmter Vereinigungen, deren Mitglied er ist, eingebunden wird.

Arbeitgebersphäre

Kann zwar der Arbeitsort erreicht, die Arbeitsleistung aber dort nicht erbracht werden (etwa, weil der Betrieb unter Wasser steht), besteht ebenfalls Anspruch auf Entgeltfortzahlung, in diesem Fall aber für unbegrenzte Zeit. Das wesentliche Abgrenzungskriterium ist dabei, dass der Arbeitnehmer in diesem Fall arbeitsbereit ist (also dem Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung anbietet), der Arbeitgeber diese aber nicht annehmen kann. Der Arbeitgeber kann daher in diesem Fall darauf bestehen, dass sich der Arbeitnehmer arbeitsbereit hält. Derartige Weisungen dürfen aber nicht schikanös sein. Steht etwa fest, dass der Betrieb für zwei Wochen nicht aufsperren kann, wäre es schikanös, vom Arbeitnehmer zu verlangen, jeden Tag zum Betrieb zu fahren, nur um dort festzustellen, dass die Arbeit nicht verrichtet werden kann. Derartigen Weisungen muss somit nicht entsprochen werden.

Mehraufwand

Könnte der Arbeitsplatz zwar erreicht werden, ist dies für den Arbeitnehmer aber mit Mehrkosten oder anderem zusätzlichen (zeitlichen) Aufwand verbunden, hängt vom Einzelfall ab, ob dem Arbeitnehmer zumutbar ist, diesen Aufwand zu tragen (falls dies nicht der Fall, liegt also eine in die Arbeitnehmersphäre fallende Dienstverhinderung vor). Zumutbar ist etwa im Normalfall, zu einem früheren Zeitpunkt als gewöhnlich loszufahren (bspw, wenn die Straßen erst ab einem bestimmten Zeitpunkt gesperrt sind) oder das eigene Kfz zu benutzen, wenn zwar öffentliche Verkehrsmittel wie Bahn ausfallen, aber die Straßen befahrbar sind. Der Arbeitnehmer muss sich bei der Anreise aber keiner besonderen (erhöhten) Gefahr (zB schlechte Sicht, Aquaplaning etc) aussetzen.

Für die Frage, ob und welchen Mehraufwand der Arbeitnehmer auf sich nehmen muss (zB Benutzung eines Taxis, wenn der Arbeitnehmer kein eigenes Kfz hat), ist eine Interessenabwägung im Einzelfall maßgeblich. Dabei kommt es auch darauf an, wie dringend die Arbeitsleistung benötigt wird (also ob und welche Schäden dem Arbeitgeber durch deren Ausfall entstehen) und welche Position der Arbeitnehmer im Unternehmen innehat (dies wird auch mit der Höhe des Gehalts korrespondieren). Je höher diese Komponenten zu gewichten sind, desto mehr Mühen muss der Arbeitnehmer in Kauf nehmen. Kommt der Arbeitnehmer nicht an den Arbeitsplatz, obwohl ihm dies zumutbar wäre, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Tätigkeitswechsel

Kann der Arbeitnehmer zwar nicht die arbeitsvertraglich geschuldete, aber eine andere Tätigkeit erbringen (bspw ein Einsatz auf einer Baustelle ist zwar nicht möglich, sehr wohl aber hingegen die Verrichtung von Verpackungstätigkeiten in einem Bürogebäude), so kann dem Arbeitnehmer vorübergehend (für die Dauer des den Wechsel auslösenden Elementarereignisses) auch eine derartige Tätigkeit zugewiesen werden, wenn er diese Tätigkeit zumutbarerweise verrichten kann. Eine etwaige Entgeltschmälerung (wenn die andere Tätigkeit geringer entlohnt ist) ist damit aber nicht verbunden.

Ähnliches gilt etwa für einen Wechsel ins Homeoffice. Homeoffice bedarf zwar prinzipiell einer Vereinbarung, sofern dem Arbeitnehmer der Wechsel ins Homeoffice möglich und zumutbar ist, wird dies der Arbeitgeber bei Vorliegen triftiger Gründe (wozu insbesondere der Umstand zählt, dass die Erbringung von Arbeitsleistungen am gewöhnlichen Arbeitsort nicht möglich ist) vorübergehend auch anordnen dürfen. Geht der Wunsch nach (vorübergehendem) Homeoffice vom Arbeitnehmer aus, wird der Arbeitgeber diesem Wunsch seinerseits entsprechen müssen, wenn dieser Wunsch (etwa aufgrund des Vorliegens von Hochwasser) nachvollziehbar ist und dem Arbeitgeber dadurch keine Nachteile entstehen.

Besteht ohnehin eine Homeoffice-Vereinbarung, gilt für deren vorübergehende Abänderung aufgrund einer vorliegenden Krisensituation Ähnliches. Bspw wird der Arbeitgeber in diesem Fall grundsätzlich Homeoffice auch für Wochentage anordnen dürfen, die von der Grundvereinbarung nicht umfasst sind. Es kommt also letztlich immer auf eine Interessenabwägung im Einzelfall an, sodass danach zu fragen ist, was den Arbeitsvertragsparteien jeweils in der konkreten Situation möglich und zumutbar ist.

Dienstverhinderung und Urlaub

Für Zeiträume, für die der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung hat, darf Urlaub nicht vereinbart werden, wenn diese Umstände bereits bei Abschluss der Vereinbarung bekannt waren. Eine derartige Vereinbarung ist daher unwirksam. Umso mehr gilt dies für ein „einseitiges“ Abziehen“ von Urlaubstagen für Tage, an denen der Arbeitnehmer an der Erbringung der Dienstleistung verhindert war. War bereits Urlaub vereinbart und tritt der Dienstverhinderungsgrund erst nachträglich ein (bspw es war bereits seit längerem eine Urlaubswoche vereinbart und am Wochenende setzt das Hochwasser ein, sodass der Arbeitnehmer am Montag seinen Arbeitsplatz infolge dieses Umstandes ohnehin nicht erreich könnte), so kommt ein Rücktritt von der Urlaubsvereinbarung in Betracht.

Neutrale Sphäre

Neben der Arbeitgeber- und Arbeitnehmersphäre wird auch eine so genannte „neutrale Sphäre“ angenommen, bei der kein Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers besteht. Dabei handelt es sich um „umfassende Elementarereignisse“ oder „Kamalitäten allgemeiner Art, von der somit die Allgemeinheit betroffen ist und das daher auch eine Vielzahl von Betrieben und Arbeitnehmern umfasst. Als Beispiele dafür werden etwa Seuchen, Kriege, Revolutionen oder Terror angeführt. Dass es sich um einen Fall von höherer Gewalt handelt, genügt dafür daher nicht. Unter welchen Voraussetzungen Naturkatastrophen darunterfallen können, ist demnach daher zweifelhaft.

Dass es für ein in die neutrale Sphäre fallendes Ereignis nicht ausreicht, dass die gesamte Republik betroffen ist, zeigt eine OGH-Entscheidung zur Corona-Pandemie. Dort wurde zwar nicht in Zweifel gezogen, dass es sich bei der COVID-19-Pandemie um eine schicksalhafte Entwicklung im Sinne eines Elementarereignisses und um eine Seuche handelt. Dennoch wurde eine Dienstverhinderung aufgrund der Pandemie nicht der neutralen Sphäre zugerechnet, und zwar mit der Begründung, dass nicht das Virus, sondern (erst) die daraufhin ergangenen behördlichen Maßnahmen (Betretungsverbote, Betriebsschließungen) dazu geführt haben, dass die vereinbarten Arbeitsleistungen nicht erbracht werden konnten (OGH 27.9.2023, 9 ObA 133/22g).

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