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Gleitzeit: Nicht so einfach wie gedacht?
Gleitzeit ist eine häufig genutzte Möglichkeit der Flexibilisierung von Arbeitszeit. Was müssen Unternehmen dabei unbedingt beachten? Wie ist die Rechtslage ohne bestehenden Betriebsrat?
Auf den Betriebsrat kommt es an!
Gleitzeit muss in Betrieben mit Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung, in Betrieben, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, durch schriftliche Einzelvereinbarung geregelt werden (Gleitzeitvereinbarung).
Eine Gleitzeitvereinbarung in einem Betrieb ohne Betriebsrat ist als Einzelvereinbarung zwingend schriftlich zu schließen. Mündliche Vereinbarungen sind unwirksam. Bei unwirksamen Gleitzeitvereinbarungen sind daher Überschreitungen der Arbeitszeit wieder als zuschlagspflichtige Überstunden zu werten (vgl OGH 8 ObS 9/20m). In aller Regel wird es diesbezüglich zu Überstundennachzahlungen kommen.
Es bedarf einer Betriebsvereinbarung
Besteht im Unternehmen ein Betriebsrat, so bedarf es zur Einführung eines Gleitzeitmodells einer Betriebsvereinbarung. Es handelt sich dabei um eine erzwingbare und notwendige Betriebsvereinbarung (vgl Schrank, Arbeitszeitgesetze – Kommentar³ § 4b AZG Rz 36; Körber-Risak in ZellHB BV Rz 41.03). Die Betriebsvereinbarung bedarf der Schriftform (§ 29 ArbVG).
Einigen sich Betriebsinhaber und Betriebsrat nicht über Abschluss, Abänderung oder Aufhebung einer solchen Betriebsvereinbarung, so entscheidet auf Antrag eines der Streitteile die Schlichtungsstelle.
Befristung der Gleitzeitvereinbarung erforderlich!
Erzwingbare Betriebsvereinbarungen können nicht ordentlich (dh unter Einhaltung einer vertraglichen Kündigungsfrist zu einem bestimmten Kündigungstermin) gekündigt werden (§ 32 Abs 2 ArbVG). Daher werden Gleitzeitbetriebsvereinbarungen üblicherweise befristet – verbunden mit einer automatischen Verlängerung – abgeschlossen. Erklärt keiner der beiden Vertragspartner (Betriebsinhaber oder Betriebsrat), die Betriebsvereinbarung nicht verlängern zu wollen, verlängert sich diese automatisch um den vereinbarten Zeitraum.
Bestand kein Betriebsrat, wurden daher einzelvertragliche Regelungen zur Gleitzeit getroffen und wird später ein Betriebsrat gewählt, so gelten die Einzelvereinbarungen nach hA solange weiter, solange keine Betriebsvereinbarung geschlossen wird. Es gibt jedoch auch Meinungen, dass mit Wahl des Betriebsrates die einzelvertraglichen Vereinbarungen ungültig werden (vgl Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar³ § 4b AZG Rz 33, Körber-Risak in ZellHB BV Rz 41.04).
Bei Auflösung des Betriebsrates besteht die Gleitzeitbetriebsvereinbarung fort. Nachträgliche Änderungen können aber auch einzelvertraglich geregelt werden.
Wie ist die Rechtslage ohne bestehenden Betriebsrat?
Existiert kein für den Arbeitnehmer zuständiger Betriebsrat, muss für Gleitzeit eine Gleitzeitvereinbarung mit dem Arbeitnehmer individuell vereinbart werden. Diese bedarf der Schriftform. Dieses Schriftformgebot ist ein Wirksamkeitserfordernis. Um jeden Zweifel über ein wirksames Zustandekommen zu vermeiden, sollte eine Gleitzeitvereinbarung von beiden Vertragspartnern (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) unterschrieben werden. Das Schriftlichkeitserfordernis wird aber auch durch schriftliche Dienstverträge erfüllt, die unter dem Vertragspunkt „Arbeitszeit“ auf einen Anhang zur Gleitzeit verweisen (Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar³ § 4b AZG Rz 54).
Gleitzeiteinzelvereinbarungen können sowohl unbefristet als auch befristet abgeschlossen werden. Es sind auch wiederholte Befristungen oder Verlängerungsautomatiken zulässig (Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar³ § 4b AZG Rz 55, 56).
Mindestinhalt vergessen? Unwirksamkeit!
Jede Gleitzeitvereinbarung hat gem § 4b Abs 3 AZG folgenden zwingenden Mindestinhalt aufzuweisen:
- die Dauer der Gleitzeitperiode
- den Gleitzeitrahmen
- das Höchstausmaß allfälliger Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben und Zeitschulden in die nächste Gleitzeitperiode und
- die Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit
Fehlt einer dieser Bestandteile, so ist die Vereinbarung rechtsunwirksam. Es kommen die starren Normalarbeitszeiten zur Anwendung und eine Durchrechnung auf Basis einer Gleitzeitregelung ist unzulässig. Dies bedeutet im schlimmsten Fall, dass die 9. Stunde täglich und die 41. Stunde wöchentlich als Überstunde zu werten sind.
Praxisfrage Gleitzeitperiode
Die Gleitzeitperiode ist zwingender Regelungsinhalt der Gleitzeitvereinbarung. In dieser Gleitzeitperiode darf die tatsächlich erbrachte Arbeitszeit (= Ist-Zeit) von der vereinbarten Soll-Arbeitszeit (kollektivvertragliche oder gesetzliche Normalarbeitszeit) abweichen, und es dürfen Zeitguthaben und Zeitschulden entstehen. Zeitguthaben und -schulden haben innerhalb der Gleitzeitperiode keinen Einfluss auf das vereinbarte Entgelt des Arbeitnehmers.
Hinsichtlich der Dauer der Gleitzeitperiode gibt es keine gesetzlichen Vorgaben oder Grenzen. Diese können sich allenfalls aus einem Kollektivvertrag ergeben. In der Praxis sind ein oder mehrere Monate, oft 3 bis 12 Monate, üblich und zulässig. Lange Perioden (über 3 Monate) bringen höhere Flexibilität, bergen aber auch das Risiko in sich, dass Arbeitnehmer Zeitguthaben horten. Dieses Risiko wird durch kürzere Perioden idR vermieden, damit geht jedoch auch Flexibilität verloren.
Diese Rahmen sind zu beachten
Der nächste zwingende Bestandteil jeder Gleitzeitvereinbarung ist der Gleitzeitrahmen. Dies ist die Rahmenzeit, innerhalb der der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit frei einteilen kann. Dieser wird in der Regel pro Arbeitstag festgelegt (zB bei einer 38,5 Stunden-Woche von Montag bis Donnerstag 7:30 bis 16:30 Uhr und Freitag von 7:30 bis 13:00 Uhr). Der Gleitzeitrahmen muss tages- und uhrzeitmäßig bestimmt sein. Der Gleitzeitrahmen kann selbstverständlich länger als die erlaubte Tagesarbeitszeit sein. Dies entbindet den Arbeitgeber jedoch nicht von seiner Verpflichtung, für die Einhaltung der täglichen Höchstarbeitszeiten, der Mindestruhepausen sowie der täglichen (idR 11 Stunden) und wöchentlichen Ruhezeit (idR 36 Stunden) zu sorgen.
Achtung:
Arbeitszeit außerhalb des Gleitzeitrahmens gelten in jedem Fall als Überstunden!
Vor Festlegung eines konkreten Rahmens sollten unbedingt die betrieblichen Erfordernisse exakt festgestellt werden. Es empfiehlt sich daher häufig, etwa für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen und Organisationseinheiten (Abteilungen) unterschiedliche Gleitzeitrahmen zu vereinbaren. Mindestruhepausen sowie die tägliche (idR 11 Stunden) und wöchentliche Ruhezeit (idR 36 Stunden) müssen eingeplant werden, um Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben zu vermeiden.
Je großzügiger der Gleitzeitrahmen ist, desto mehr Zeitguthaben kann ein Arbeitnehmer auf- und abbauen. Andererseits ist die Flexibilität des Arbeitnehmers ebenfalls größer, was unter Umständen nicht immer im Interesse des Arbeitgebers ist, weil zB zu bestimmten Zeiträumen die Anwesenheit von Arbeitnehmern gewünscht oder erforderlich ist.
So gelingt die Übertragung von Zeitguthaben
Die tatsächliche wöchentliche Normalarbeitszeit darf innerhalb der Gleitzeitperiode die gesetzliche Normalarbeitszeit (40 Stunden) durchschnittlich nur insoweit überschreiten, als Zeitguthaben übertragen werden dürfen (§ 4b Abs 4 AZG). Daraus ergibt sich, dass die Übertragung von Zeitguthaben in einer Gleitzeitvereinbarung nicht ausdrücklich vorgesehen werden muss, aber kann. Wenn jedoch eine Übertragung vorgesehen ist, muss diese betraglich festgelegt werden, da das Höchstausmaß allfälliger Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben und Zeitschulden in die nächste Gleitzeitperiode zu den zwingenden Mindestinhalten einer Gleitzeitvereinbarung zählt. Wird keine Übertragungsmöglichkeit vorgesehen, darf zudem die Höchstgrenze für die wöchentliche Normalarbeitszeit von bis zu 50 Stunden nicht ausgenutzt werden.
Besteht eine Übertragungsmöglichkeit, werden Zeitguthaben im Verhältnis 1:1 bis zum vereinbarten Betrag in die nächste Gleitzeitperiode übertragen. Übertragbare Zeitguthaben gelten nicht als Überstunden.
In der Regel sehen Gleitzeitvereinbarungen auch die Übertragung von Zeitschulden vor. Zeitguthaben und Zeitschulden müssen jedoch nicht im gleichen Umfang übertragbar sein. Es ist üblich, dass Zeitschulden nur in einem geringeren Umfang zugelassen werden. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses können allfällige offene Zeitschulden in Höhe der Überzahlung rückgefordert und/oder aufgerechnet werden. Ein Überhandnehmen von Zeitschulden sollte daher dringend hintangehalten werden.
Fiktive Normalarbeitszeit? Was ist das?
Als fiktive Normalarbeitszeit wird die tägliche Normalarbeitszeit bezeichnet, in welcher der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet wäre, gäbe es keine Vereinbarung über die gleitende Arbeitszeit. Die „Dauer und Lage“ dieser fiktiven Normalarbeitszeit muss zwingend für die einzelnen Tage der Arbeitswoche festgelegt werden. Es empfiehlt sich, die fiktive Normalarbeitszeit anhand von Wochentagen und Uhrzeiten zu definieren. Mithilfe dieser fiktiven Normalarbeitszeit werden Ausfallszeiten, aufgrund derer ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes besteht, bewertet.
Die fiktive Normalarbeitszeit muss in Summe der vertraglich vereinbarten Normalarbeitszeit entsprechen. Es ist zulässig, etwa für bestimmte Abteilungen, Arbeitnehmergruppen oder auch nach Jahreszeiten (zB bei saisonabhängigen Branchen) die fiktive Normalarbeitszeit nach sachlichen Gründen unterschiedlich zu regeln (vgl Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar³ § 4b AZG Rz 92). Die fiktive Normalarbeitszeit muss Mindestruhepausen sowie die tägliche (idR 11 Stunden) und wöchentliche Ruhezeit (idR 36 Stunden) berücksichtigen.
Zeitlich hat die fiktive Normalarbeitszeit innerhalb des Gleitzeitrahmens zu liegen und soll sich mit den üblichen Arbeitszeiten der betroffenen Arbeitnehmer möglichst decken.