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Nikolaus Sauerschnig | News | 30.08.2023

Stolperstein Versetzung – Welche Schritte müssen Dienstgeber beachten?

Mag. Nikolaus Sauerschnig, LL.M. erläutert anhand von Praxisbeispielen, welche Aspekte Dienstgeber bei einer Versetzung zB bezüglich der Unzumutbarkeitsgrenze oder Einbindung des Betriebsrats beachten müssen.

Die Versetzung gehört zwar zum arbeitsrechtlichen Alltag, bereitet aber dennoch häufig Probleme. Ursache dafür ist, dass bei der Versetzung eines Dienstnehmers mehrere Komponenten zu berücksichtigen sind, wie etwa, ob die Versetzung überhaupt vom Dienstvertrag gedeckt ist und dass der Betriebsrat Mitwirkungsrechte hat. Welche Schritte Dienstgeber beachten müssen, erfahren Sie in diesem Beitrag:

Definition

Der Begriff der Versetzung ist grundsätzlich sehr weit gefasst. Unter einer Versetzung ist nicht nur der häufigste Fall der Veränderung des Arbeitsorts zu verstehen, sondern unter anderem auch die Änderung des Tätigkeitsbereichs oder der Arbeitszeitgestaltung.

Arbeitsvertragliche Ebene vs betriebsverfassungsrechtliche Ebene

Bei jeder Versetzung ist zwischen zwei Ebenen zu unterscheiden, der arbeitsvertraglichen und der betriebsverfassungsrechtlichen. Diese sind immer getrennt voneinander zu betrachten.

Die arbeitsvertragliche Ebene betrifft die Frage, ob die Versetzung vom Dienstvertrag erfasst ist oder eine Vertragsänderung bedeutet. Im zweiten Fall wäre eine Versetzung nur mit Zustimmung des Dienstnehmers möglich.

Die betriebsverfassungsrechtliche Ebene betrifft die Mitwirkung des Betriebsrats bei einer Versetzung. Der Betriebsrat muss über jede Versetzung informiert werden, auf sein Verlangen ist über sie zu beraten und bei verschlechternden Versetzungen ist zwingend (vorab) seine Zustimmung einzuholen.

Arbeitsvertragliche Ebene

Bei der Prüfung, ob die Versetzung vom Dienstvertrag gedeckt ist oder zu einer Vertragsänderung führt, kommt es auf den Inhalt des Dienstvertrags an:

Wurde mit dem Dienstnehmer etwa ein bestimmter Arbeitsort vereinbart, bedeutet eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort eine Vertragsänderung. Ist im Dienstvertrag daher die Erbringung der Arbeitsleistung in einer bestimmten Filiale vereinbart, ist eine Versetzung in eine andere Filiale nur mit Zustimmung des Dienstnehmers möglich.

Gleiches gilt natürlich auch für den Tätigkeitsbereich:[1] Wurde mit dem Dienstnehmer eine bestimmte Tätigkeit vereinbart, so ist eine Änderung dieser Tätigkeit nur mit seiner Zustimmung möglich. War der Dienstnehmer etwa mit Führungsaufgaben betraut, so ist die Zuweisung einer Tätigkeit ohne entsprechende Leitungsfunktion vertragsverändernd.[2]

Bringt die Versetzung keine Vertragsänderung mit sich, bedarf sie keiner Zustimmung des Dienstnehmers und kann auf Weisung des Dienstgebers erfolgen. Dies betrifft den in der Praxis inzwischen häufigen Fall, bei dem sich der Dienstgeber im Dienstvertrag die Möglichkeit vorbehalten hat, den Dienstnehmer auch für andere als die ursprünglich vereinbarte Tätigkeit oder an einem anderen Dienstort zu beschäftigen („Versetzungsvorbehalt“). Ist als Dienstort mit Versetzungsvorbehalt daher etwa eine Filiale in Wien vorgesehen, dürfte der Dienstgeber den Dienstnehmer von der Filiale im ersten Bezirk in eine Filiale in den achten Bezirk versetzen.

Unzumutbarkeitsgrenze

Ein Versetzungsvorbehalt bedeutet aber nicht, dass Dienstgeber davon beliebig Gebrauch machen können. Dienstnehmer müssen somit nicht befürchten, dass sie von Wien nach Vorarlberg versetzt werden. Versetzungen werden nämlich durch das Erfordernis der Zumutbarkeit begrenzt. Es ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob die Versetzung – selbst wenn sie vom Dienstvertrag gedeckt ist – auch dem Dienstnehmer zumutbar ist. Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind die Interessen des Dienstgebers mit den Interessen des Dienstnehmers gegeneinander abzuwägen.

Um beim Beispiel des neuen Arbeitsortes zu bleiben, ist bei solchen Dienstnehmern daher zu prüfen, wie sich der Anfahrtsweg ändert, ob die Verkehrsanbindungen annehmbar sind und insbesondere auch, ob dem Dienstnehmer mehr Fahrtkosten entstehen. Zu bedenken ist zudem, ob der Dienstnehmer Sorgepflichten hat und diesen durch die Versetzung nicht mehr (ausreichend) nachkommen kann.

Beispiele aus der Praxis:

Zumutbar ist dem Dienstnehmer etwa ein Dienstortwechsel, der mit einer längeren Fahrzeit von 30 Minuten verbunden ist und ihm die zusätzlichen Fahrtkosten durch eine nicht unerhebliche Erhöhung des Entgelts abgegolten werden.[3]

Unzumutbar ist eine mit einer Änderung der Arbeitszeit verbundene Versetzung, die dazu führt, dass der Dienstnehmer seine Arbeit zu einer Zeit antreten müsste, zu der weder Werksverkehr, noch öffentliche Verkehrsmittel verkehren (Arbeitsbeginn 4:24 Uhr).[4]

Was passiert, wenn der Dienstnehmer einer Versetzung nicht Folge leistet?

Ist mit einer Versetzung keine Vertragsänderung verbunden und ist diese auch zumutbar, muss der Dienstnehmer der Weisung des Dienstgebers folgen. Kommt der Dienstnehmer dem nicht nach, drohen ihm arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie die Kündigung bzw die Entlassung.

Etwas komplizierter stellt sich die Situation dar, wenn die Versetzung eine Vertragsänderung bewirkt. Weigert sich der Dienstnehmer dieser Versetzung zuzustimmen bzw ihr zu folgen, ist er im Recht. Eine Entlassung aus diesem Grund wäre daher ungerechtfertigt.

Ist für den Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses ohne Versetzung nicht denkbar, kann er zum Mittel der Änderungskündigung greifen. Hierbei handelt es sich um eine Kündigung, die unter der Bedingung eintreten soll, dass der Dienstnehmer die Versetzung ablehnt. Im Fall einer Änderungskündigung sind aber dieselben arbeits(verfassungs)rechtlichen Schutzbestimmen zu beachten, wie bei einer „normalen“ Kündigung (zB Sozialwidrigkeit).

Betriebsverfassungsrechtliche Ebene

Der Dienstgeber hat den Betriebsrat über jede Versetzung zu informieren, sofern diese über einen Zeitraum von mehr als 13 Wochen erfolgen soll (sog „dauernde Versetzung“). Der Betriebsrat hat auch das Recht, ein Beratungsgespräch über die Versetzung zu verlangen.

Ist mit der Versetzung eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden, muss der Betriebsrat der Versetzung zudem zustimmen. Ohne Zustimmung ist die Versetzung rechtsunwirksam. Dieses Zustimmungsrecht ist unumgänglich und besteht selbst dann, wenn die Versetzung aus betrieblichen Gründen bzw wegen persönlicher Umstände sachlich gerechtfertigt ist[5] oder sogar vom Dienstnehmer selbst gewünscht wird. Die Zustimmung des Betriebsrats ist immer im Vorhinein einzuholen. Eine rückwirkende Zustimmung ist nicht möglich.[6]

Vorliegen einer Verschlechterung

Eine Verschlechterung liegt vor, wenn entweder die Entgelt- oder die sonstigen Arbeitsbedingungen nachteilig verändert werden. Bei den sonstigen Arbeitsbedingungen sind Faktoren wie der (erhöhte) körperliche Einsatz[7] sowie Sicherheitsbedingungen oder auch die soziale Stellung im Betrieb miteinzubeziehen.[8] Bei Beurteilung, ob eine Verschlechterung vorliegt, ist immer eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Sind mit einer Versetzung zwar gewisse Nachteile verbunden, die jedoch durch Vorteile aufgehoben werden, liegt keine Verschlechterung vor.

Beispiele aus der Praxis:

Eine Versetzung eines Dienstnehmers, dessen Tätigkeitsbereich neben Schreibarbeiten auch mit einer gewissen Verantwortung, Selbstständigkeit und Eigeninitiative verbundene Aufgaben umfasst hat, auf einen Arbeitsplatz, bei dem er nur noch Schreibarbeiten durchführt, ist daher verschlechternd.[9]

Eine Verschlechterung liegt auch bei einem Arzt vor, der statt mit der Patientenbetreuung nur noch mit Administrativaufgaben befasst wird.[10]

Wird ein Musicaldarsteller in ein anderes Theater versetzt, bei dem er nur noch die Drittbesetzung einer Rolle ausübt und somit weniger Aufritte absolviert, ist diese Versetzung ebenso verschlechternd.[11]

Keine Verschlechterung liegt vor, wenn ein Dienstnehmer von einem Arbeitsplatz versetzt wird, an dem er unterbeschäftigt ist, zu einem, bei dem er nun die volle Arbeitsleistung erbringen muss.[12]

Nicht verschlechternd ist auch die Versetzung eines Verkaufsberaters für Särge auf die Position des Zeremonienmeisters (= Ansprechpartner für Kunden für Trauerfeierlichkeiten), da bei beiden Tätigkeiten das zentrale Element die persönliche Kundenberatung ist und damit erhalten bleibt.[13]

Was können Dienstgeber unternehmen, wenn der Betriebsrat nicht zustimmt?

Sollte der Betriebsrat einer Versetzung nicht zustimmen, kann dessen Zustimmung durch ein Gericht ersetzt werden. Das Gericht kann diese Zustimmung jedoch nur erteilen, wenn die Versetzung sachlich gerechtfertigt ist.

Eine sachliche Rechtfertigung ist gegeben, wenn die Versetzung aus betrieblichen Gründen notwendig ist und die Personenauswahl unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der infrage kommenden Dienstnehmer richtig sowie im Hinblick auf das Verschlechterungsausmaß möglichst schonend getroffen wurde.[14] Erfolgt die Versetzung daher etwa, weil aus wirtschaftlichen Gründen eine Änderung der Öffnungszeiten erforderlich ist und kann der damit verbundene Einkommensverlust des Dienstnehmers durch andere Zulagen kompensiert werden, ist die Versetzung sachlich gerechtfertigt.[15]

Trennung arbeitsvertragliche und betriebsverfassungsrechtliche Ebene

Die arbeitsvertragliche und die betriebsverfassungsrechtliche Ebene sind immer getrennt voneinander zu beurteilen. Stimmt der Dienstnehmer der (verschlechternden) Versetzung zu, kann dies nicht die Zustimmung des Betriebsrats ersetzen. Genauso im umgekehrten Fall.

Spricht der Dienstgeber eine wie oben dargestellte Änderungskündigung aus, kann der Betriebsrat durch seine mangelnde Zustimmung die Änderungskündigung blockieren. Nicht zu vergessen ist bei einer Änderungskündigung zudem, dass auch hier das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren zur Kündigung einzuhalten ist und demnach auch zur Kündigung vorab eine Stellungnahme des Betriebsrats einzuholen ist.[16]

Was gilt in Unternehmen ohne Betriebsrat?

Gibt es keinen Betriebsrat, ist die betriebsverfassungsrechtliche Ebene nicht anzuwenden. Es kommt „nur“ auf die Zustimmung des Dienstnehmers an. Ist dieser der Meinung, dass die Versetzung unzulässig ist, kann er eine Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Versetzung bei Gericht einbringen.[17]

Fazit

Damit eine Versetzung nicht zu einem bösen Erwachen führt, sind mehrere Schritte und Komponenten zu beachten. Eine Faustregel, wann eine Versetzung zulässig ist oder nicht, lässt sich jedoch nicht abgegeben. Es ist immer auf den konkreten Einzelfall abzustellen.

Praxistipp:

Abschließend noch ein Tipp für Dienstgeber: Um möglichst flexibel zu sein, ist es ratsam, einen Versetzungsvorbehalt im Dienstvertrag zu vereinbaren. Das Erfordernis der Zumutbarkeit darf aber dennoch nicht aus den Augen gelassen werden.

Autor

Mag. Nikolaus Sauerschnig, LL.M. ist Rechtsanwaltsanwärter bei Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG (Wien).

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Fußnoten:

Zur besseren Lesbarkeit wird im Beitrag die männliche Form verwendet. Die Angaben beziehen sich aber natürlich auf Angehörige aller Geschlechter.

[1] Auf andere Versetzungsvarianten, wie etwa der Arbeitszeitgestaltung, sind dieselben Grundsätze anzuwenden

[2] OGH 9 ObA 51/07a; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 11

[3] OGH 9 ObA 133/94.

[4] OGH 9 ObA 275/97z.

[5] OGH 8 ObA 232/234/94; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 29.

[6] OGH 9 ObA 29/93.

[7] OGH 9 ObA 2/14f; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 33 mwN.

[8] OGH 4 Ob 49/75; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 33 mwN.

[9] OGH 14 Ob 7/86; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 33 mwN.

[10] OGH 8 ObA 202/02t; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 33 mwN.

[11] ASG Wien 18 Cga 102/05h; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 33 mwN.

[12] OGH 8 ObA 142/97h; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 33 mwN.

[13] OGH 8 ObA 14/12k; Rauch, Arbeitsrecht für Arbeitgeber, S 373.

[14] Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 41 mwN.

[15] OLG Linz 12 Ra 47/16t;Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 101 ArbVG Rz 41mwN.

[16] Siehe dazu § 105 ArbVG.

[17] Diese Möglichkeit bestünde auch dann, wenn zwar ein Betriebsrat eingerichtet ist, dieser jedoch übergangen wurde.