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Andreas Gerhartl | News | 03.09.2020
Entfall der Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem Austritt unionsrechtskonform?
Nach österreichischem Recht gebührt bei unberechtigtem vorzeitigem Austritt keine Urlaubsersatzleistung. Der OGH möchte nun vom EuGH wissen, ob dies mit dem Unionsrecht in Einklang steht.
Unionsrecht und nationales Recht
Das Recht auf bezahlten Jahresurlaub ist nach Art 32 GRC Teil der Grundrechte der EU, wird in Art 7 der Arbeitszeit-Richtlinie konkretisiert und entfaltet nach der Rsp des EuGH unmittelbare Wirkung im Arbeitsverhältnis. Die Arbeitszeit-Richtlinie behandelt den Anspruch auf Jahresurlaub und jenen auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs. Umfasst ist davon auch ein Anspruch auf finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub.
Gem § 10 Abs 2 UrlG gebührt aber nach österreichischem Recht bei vorzeitigem Austritt des Arbeitnehmers ohne wichtigen Grund keine Urlaubsersatzleistung. Diese Rechtsfolge gilt für den noch nicht verbrauchten Urlaub des laufenden Urlaubsjahres. Für nicht verbrauchte Urlaube aus vorangegangenen Urlaubsjahres besteht hingegen Anspruch auf Urlaubsersatzleistung. § 10 Abs 2 UrlG hat pönalisierenden Charakter (OGH 02.12.1987, 9 ObA 154/87: 05.05.1999, 9 ObA 60/99k). Die Bestimmung bezweckt, den Arbeitnehmer von einer unberechtigten vorzeitigen Vertragslösung abzuhalten, indem sie ihm, wenn er dies doch tut, den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung nimmt.
Vorlageantrag
Der EuGH hat sich bislang noch nicht dazu geäußert, ob (und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen) ein Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vorzeitig aufgelöst und damit Vertragsbruch begangen hat, nach Unionsrecht einen Anspruch auf Ersatzleistung für unverbrauchten Urlaub haben muss. Der OGH legte daher dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine nationale Vorschrift, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende (letzte) Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn ein Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig das Arbeitsverhältnis beendet, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Falls dies nicht der Fall ist, möchte der OGH wissen, ob zusätzlich zu prüfen ist, ob der Verbrauch des Urlaubs für den Arbeitnehmer unmöglich war und nach welchen Kriterien diese Prüfung zu erfolgen hat. Diese Frage zielt darauf ab, ob und wie der Arbeitgeber bei einem – für ihn nicht vorhersehbaren – vorzeitigen Austritt den Arbeitnehmer in die Lage versetzen soll, den Urlaub zu verbrauchen, da in diesem Fall ja auch keine Kündigungsfrist zur Verfügung steht, während derer ein solcher Verbrauch möglich wäre.
OGH 29.04.2020, 9 ObA 138/19s